Es gab mal eine Zeit, da war Hamburg eine der großen Metropolen der Bierherstellung in Europa. Das ist lange her. Doch in den vergangenen Jahren trumpft die Hansestadt wieder mit neuen Bierkreationen auf. Viele kleine Brauereien bieten handgemachtes Bier an, sogenanntes Craft Beer. Seit knapp fünf Jahren gibt es beispielsweise das Unternehmen Von Freude von Natalie Warneke und Martin Schupeta.
In diesen Tagen eröffnet das Duo sein erstes Ladengeschäft in den Colonnaden in der Innenstadt. „Wir wollen Bier verkaufen und Events veranstalten“, erzählt Natalie Warneke. Wie der Name es sagt, sollen die Menschen an ihren Bieren Freude haben. Ein bisschen ist das auch die Idee hinter Craft Beer, einem Trend, der aus den USA stammt und seit 2010 auch in Deutschland zunehmend Anklang findet. Wörtlich übersetzt heißt Craft Beer „handwerklich gemachtes Bier“.
Entstanden ist die Idee in einer Zeit, in der Bioprodukte, Saisonalität und Regionalität eine immer größere Rolle in der Food-Branche spielen. „Es gibt mehr Biervielfalt als das, was im Supermarkt angeboten wird, und das ist es, was die Verbraucher nachfragen“, so Warneke.
Alle Von-Freude-Biere zählen zum Craft-Beer, sie sollen anders sein, den Gaumen fordern. „Bier kann so viel mehr.“ Das eine duftet nach Hopfen, ist vollmundig und weich, das andere ist sonnengelb, kommt frisch und leicht daher. Craft Beer Revolution heißt, das alte Produkt Bier neu zu erleben, mehr zu wagen und neu zu brauen, natürlicher, mit guten, ausgewählten Produkten.
„Kleine Brauereien sind greifbar und die Inhaber sind meist tagtäglich selbst vor Ort. Die großen Brauereien haben da eher verschlossene Türen und – noch viel wichtiger – deutlich weniger Innovationskraft“, meint auch Florentine Siemsglüss von Beyond Beer. Das Ladengeschäft in der Weidenallee in der Schanze hat neben rund 500 nationalen und internationalen Marken auch alle Hamburger Brauereien im Sortiment, die ihren Qualitätsansprüchen entsprechen.
Klassische Supermarktbiere wie Astra, Holsten, Ratsherrn gehören nicht dazu. „Bei kleinen Brauereien kann theoretisch täglich ein anderes Bier gebraut werden, was Vielfalt schafft und Spaß macht. Große Brauereien setzen hingegen eher auf Beständigkeit und einen möglichst großen gemeinsamen Nenners beim Geschmack. Dabei bleibt die Vielfalt auf der Strecke. Es wird stark an Qualität eingebüßt, um ein möglichst günstiges Supermarkt-Produkt anbieten zu können“, sagt Siemsglüss.
"Wir brauchen diese Vielfalt"
Auch kritisiert sie die Marketingstrategien der großen Brauereien. „Es werden lieber Geschichten abseits des Bieres erzählt, als über das Produkt selbst zu reden – Krombacher rettet den Regenwald und Beck‘s macht eine Segeltour. Das ist bei kleinen Craft-Beer-Brauereien ganz anders. Die Biere polarisieren, sind streitbar und damit leidenschaftlich diskussionsbedürftig.“
Die Liebe zu gutem Essen und Trinken brachte Natalie Warneke und Martin Schupeta dazu, Bier zu brauen, zuerst in ihrer eigenen Küche, in einem 20-Liter-Topf. Das erste Bier hat gleich geschmeckt. Das war 2012. „Die Deutschen backen ihr Brot selber und kochen Marmelade, aber Bier brauen sie nicht. In anderen Ländern sieht das ganz anders aus“, so Natalie Warneke.
Sie und Martin Schupeta probierten mehr und mehr aus. Die zwei Unternehmer mieteten sich in eine Brauerei ein. Das war der Start von Von Freude, ihrem eigenen Bier-Label. Im Oktober 2013 verkauften sie die erste Flasche. Viele Craft-Beer-Sorten gab es damals noch nicht. „Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von neuen Brauereien in Hamburg – und das ist auch gut so. Wir brauchen diese Vielfalt.“
Hamburg ist nicht nur Astra, Holsten und Duckstein, sondern auch Ratsherrn, Kehrwieder und Hamburger Senatsbock, Elbpaul, Blockbräu oder ÜberQuell. Mehr als ein Dutzend Brauereien mit verschiedensten Craft-Beer-Sorten gibt es in Hamburg. Von der Wildwuchs Brauwerk in Finkenwerder, über die Buddelship Brauerei mit Bieren der Serie Heimathafen oder die Landgang Brauerei mit einer modernen Brauanlage mitten in Hamburg.
„Die Hamburger Bierbrauerei-Szene ist nach Berlin – leider mit einigem Abstand – sicherlich eine der größeren in Deutschland“, meint Florentine Siemsglüss. „Das liegt an den hier neu entstandenen Brauereien sowie an einer recht guten Großhandelspräsenz mit dem Brausturm Bierverlag, der deutschlandweit die Craft-Beer-Szene befeuert und seinen Sitz in Hamburg hat.“ Platz ist laut Siemsglüss allerdings noch im Bereich der Gastronomie, in der Craft Beer in Hamburg noch eine eher kleine Rolle spielt.
2017 haben die deutschen Brauereien insgesamt 94 Millionen Hektoliter Bier abgesetzt, zwei Millionen weniger als 2016. Und doch: „Die Zahl der Brauereien in Deutschland und die Vielfalt der Biere wird in den kommenden Jahren weiterwachsen, auch dank der Craft-Bewegung“, so der Präsident des Deutschen Brauer Bundes, Jörg Lehmann. Mit mehr als 6000 Biermarken haben die Verbraucher mehr Auswahl denn je. Und trotzdem: Mit einem Marktanteil von 50 Prozent ist und bleibt Pils nach wie vor die beliebteste Biersorte der Deutschen.
Craft Beer wird auch in Bremen gebraut
Auch in Bremen sind in den vergangenen Jahren einige kleine Brauereien entstanden, die Craft Beer brauen. So die Union Brauerei, Grebhan‘s Brauerei oder die Bremer Braumanufaktur. Die Biere gibt es deutschlandweit in vielen Delikatessenläden, im Fachhandel oder in der Gastronomie. Auch zahlreiche Restaurants bieten in Bremen Craft Beer an, wie dieGasthausbrauerei Schüttinger, die Heldenbar, Charlotte Gainsbourg, Rock und Wurst oder die Craft Beer Bar Bremen.