Ein Gewinn fürs deutsche Fernsehen und ein Gewinn für den BR: "Föhnlage"-Star Martin Feifel erzählt von seinem tiefen Hass auf alles Kleinbürgerliche, seinem Freiheitsdrang - und seiner Liebe zum Föhn.
Er ist der Mann für die grimmigen, die markant männlichen Rollen im deutschen Fernsehen. Und das liegt nicht nur an Martin Feifels beeindruckend buschigen Augenbrauen und dem scharfen Blick aus Katzenaugen, mit dem er sein Gegenüber fixiert. Der 47-jährige Münchner wollte ursprünglich Clown werden - und landete im renommierten Theaterensemble am Schauspielhaus Bochum, später am Thalia Theater in Hamburg. Erst relativ spät ließ er sich für Fernsehrollen gewinnen, mit denen er jedoch immer mehr Fans für sich begeistert. Seine Rolle im kultigen Münchner ZDF-Krimi "Kommissar Süden und der Luftgitarrist" brachte ihm 2010 sogar den Adolf-Grimme-Preis ein. Die Reihe wurde dennoch abgesetzt, was Feifel (und viele Zuschauer) immer noch schmerzt. Mit seiner markigen Hauptrolle im BR-Film "Föhnlage. Ein Alpenkrimi", der am Samstag, 1. Oktober, 20.15 Uhr, im Bayerischen Fernsehen ausgestrahlt wird, knüpft Feifel an seine Paradeauftritte als leicht zwielichtiger Ausnahme-Ermittler an.
teleschau: Herr Feifel, Menschen fürchten ihn, die Postkarten-Fotografen könnten ohne ihn nicht leben. Setzt Ihnen eigentlich der Föhn zu?
Martin Feifel: Ich liebe den Föhn - ganz im Gegenteil zu vielen Menschen, die unter ihm leiden. Bei Föhnlage geht's mir immer prima.
teleschau: Was löst der Föhn bei Ihnen aus?
Martin Feifel: Ich hab's einfach gerne warm. Ich denke, ich bin eben ein südlicher Typ. Alles, was in Richtung Sonne und Wärme geht - oder das wenigstens verspricht -, gefällt mir gut.
teleschau: Die Figur, die Sie spielen, läuft angespannt und gemartert von Kopfschmerzen durch den Film ...
Martin Feifel: Ihr gehört auch mein ganzes Mitgefühl. Ich liebe aber den Kommissar Jennerwein, weil er ein so starkes Freiheitsgefühl hat. Er möchte sich von all den Zwängen freimachen, die es auf dem Land gibt. Er möchte abhauen - und mit der ortsansässigen Mischpoke nichts mehr zu tun haben. Als er wieder nach Garmisch zurückversetzt wird, ist er mit den selben alten Amigos konfroniert. Und er beginnt zu wühlen und zu entdecken. Dass es mit ihm so nicht weitergehen kann, gefällt mir an dieser Figur. Er haut wuchtig hinein und hält seinen Gegenspielern ihre Verfehlungen mitten ins Gesicht.
teleschau: Normalerweise würde man ja nicht gerade erwarten, dass ausgerechnet der Kriminal-Ermittler der extrem freiheitsliebende Typ ist.
Martin Feifel: Ich bin überzeugt davon, dass es solche Menschen wie Jennerwein gibt - auch bei der Polizei. Auf der einen Seite kommen sie mit der Gesellschaft nicht zurecht, auf der anderen Seite versuchen sie, die Verhältnisse in ein richtiges Lot zu bringen. Seine Zerrissenheit hat manchmal etwas ziemlich Erbarmungsloses.
teleschau: Klingt nach einer spannenden Rolle, die man Ihnen vermutlich nicht lang andienen musste ...
Martin Feifel: Stimmt schon. Ich denke, ich bin auch deswegen besetzt worden, weil ich viel Melancholie mitbringe - und die Fähigkeit, eine dunkle Seite im Leben zuzulassen und zu spüren. In dieser Hinsicht liege ich schon sehr auf der Rolle.
teleschau: Funktioniert der trotzige Kommissar Jennerwein eigentlich nur in der Kleinstadt? Oder haben Sie im Hinterkopf immer einen einsamen Großstadt-Wolf gehabt?
Martin Feifel: Jennerwein ist auf jeden Fall ein Großstadt-Mensch. Die deutsche Spießbürgerlichkeit konnte er nicht mehr ertragen. Er wollte die Welt erleben und sich für sie öffnen - so scheußlich sie auch sein kann. Die Rückkehr in die Kleinstadt tut ihm enorm weh. In München gibt's die Amigos und das Kleinstädtische allerdings auch. Ich lebe dort und amüsiere mich jeden Tag über die unglaubliche Schmierenkomödiantik der Politiker. Was man tagtäglich in München erlebt, ist genau Jennerweins Problem.
teleschau: Könnten Sie sich denn selbst ein Leben in der bedrückende Enge der Provinz vorstellen?
Martin Feifel: Ich habe drei Jahre - die schönste Zeit meines Lebens - im Tessin gelebt. Ich war auf der Teatro Dimitri Schule und lebte im Centovalli, in einem alten Steinhaus mit Holzofen. Das war ein ganz bescheidenes, ursprüngliches Leben - umgeben von hohen Bergen. Irgendwann habe ich es aber nicht mehr ertragen. Obwohl es so eine schöne Zeit dort war, musste ich unbedingt wieder weg. Das ewige Auf-Berge-Schauen macht mich trübsinnig. Da suche auch ich die Weite - oder das Meer.
teleschau: Ging diese Sehnsucht nicht sogar so weit, dass Sie sich sogar einer Zirkustruppe als darstellender Artist angeschlossen haben?
Martin Feifel: Das war ein Jugendtraum von mir, der durch erste Besuche im Circus Roncalli ausgelöst wurde. Plötzlich eröffnete sich mir eine neue Art von Poesie in der Arena. Sehr schnell habe ich dann "Ein Bericht für eine Akademie" von Kafka einstudiert, weil ich es toll fand, dass es am Circus Roncalli keine Tiere gibt. Weil im Stück doch ein Schauspieler als Affe die Hauptrolle spielt, war ich plötzlich mit der Artistik und der Zirkuswelt konfrontiert. Nach zwei Jahren musste ich allerdings die Arbeit beim Zirkus wieder abbrechen, wegen Problemen mit meinem Rücken. Danach ging ich auf die Schauspielschule - und ins mehr oder weniger geordnete Bühnenleben.
teleschau: Ist Ihre tolle Jennerwein-Rolle in Ihrer persönlichen Bilanz eine Art Wiedergutmachung für die letztlich doch überraschend schnelle Einstellung der "Kommissar Süden"-Reihe, bei der das ZDF nach nur zwei Filmen einen Rückzieher machte?
Martin Feifel: Ich bin sehr froh, dass ich jetzt quasi einen Ersatz gefunden habe. Die Schmerzen, die mir die Absetzung bereitet hatte, gingen sehr tief. Und das waren wirklich Schmerzen. Martin Heuer war so eine tolle Figur. Und es gibt immer noch acht oder neun unverfilmte Romane von Friedrich Ani. Dass die Stoffe vom ZDF abgesetzt wurden, war meiner Meinung nach die falsche Entscheidung.
teleschau: Die Verbitterung scheint tief zu sitzen.
Martin Feifel: Ich hatte gerade in Norwegen gedreht, als ich quasi aus heiterem Himmel davon hörte. Was am meisten schmerzte: Kein Mensch redete damals mit mir. Ich könnte im Rückblick immer noch heulen.
teleschau: Vielleicht kann man die "Tabor Süden"-Stoffe ja vom ZDF zum BR herüberziehen ...
Martin Feifel: Das wäre ein schöner Traum. Ich würde mich freuen, wenn ich ihn eines Tages in die Wirklichkeit bringen könnte.