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Wiebke Hüster hat ein Buch über Birgit Keil herausgebracht, das auch von den Mühen eines Tänzerlebens erzählt Das Glück, eine Ballerina zu sein

Bremen. Birgit Keil war die einzige deutsche Ballerina von Weltrangnach dem Zweiten Weltkrieg. Ihre Name ist untrennbar mit dem Stuttgarter Ballettwunder verbunden, das der aus Südafrika stammende Choreograf John Cranko dort in nur wenigen Jahren aufleben ließ.
30.10.2014, 00:00 Uhr
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Das Glück, eine Ballerina zu sein
Von Alexandra Albrecht

Birgit Keil war die einzige deutsche Ballerina von Weltrang

nach dem Zweiten Weltkrieg. Ihre Name ist untrennbar mit dem Stuttgarter Ballettwunder verbunden, das der aus Südafrika stammende Choreograf John Cranko dort in nur wenigen Jahren aufleben ließ. Zum 70. Geburtstag der Tänzerin hat die Tanzkritikerin der „FAZ“, Wiebke Hüster, jetzt das Buch „Birgit Keil. Ballerina. Glück ist, wenn auch die Seele tanzt“ vorgelegt.

Der reich bebilderte Band erledigt gleich mehrere Aufgabe: Er erinnert noch einmal daran, was sich seinerzeit in Stuttgart ereignete. Hier tanzten Stars wie Marcia Haydée und eben Birgit Keil, Sabine Kupferberg, Richard Cragun, Vladimir Klos (Birgit Keils Ehemann) und Egon Madsen. Hier arbeiteten Weltklasse-Choreografen wie Hans van Manen und Kenneth MacMillian, hier reifte der Nachwuchs heran: William Forsythe, Jirí Kilián und John Neumeier. Und – natürlich – hier schuf John Cranko seinen „Onegin“, das wohl schönste und eindringlichste Handlungsballett des 20. Jahrhunderts. Die aus Bremen stammende Wiebke Hüster erzählt anhand von Birgit Keils Lebensweg aber auch von dem Alltag einer Ballerina, den man vor allem mit einem Wort kennzeichnen kann: Disziplin. Wer sein Leben nicht vollständig dem Tanz unterordnet, wird diese Leistungen nicht erbringen können, wird mit den Rückschlägen durch Verletzungen und Krankheiten nicht fertig werden. Birgit Keil hatte mehrmals hintereinander schwere Verletzungen an Fuß und Bein, sie kämpfte sich wieder nach vorne in die erste Reihe. Cranko hatte das Talent der jungen Tänzerin früh erkannt, sie gefördert und gefordert. Technik allein reicht für eine Bühnenkarriere nicht, gefragt sind auch Ausstrahlung und Charme, eine Bühnenpräsenz, die unverwechselbar macht und über die Birgit Keil früh verfügte. Sie glänzte in den großen Partien des romantischen Balletts, interessierte sich aber auch für moderne Werke. Andere renommierte Choreografen wurden auf sie aufmerksam und arbeiteten mit ihr und für sie. Sie wurde ihnen zu einer wichtigen Partnerin im Entstehungsprozess ihrer Werke. Birgit Keil blieb dem Stuttgarter Ballett verbunden, sie ging mit ihm zwar weltweit auf Tourneen, verließ es aber nicht. Zwischen den Bühnen in London, New York, Paris und Wien zu pendeln, ständig im Flugzeug zu sitzen, das wollte sie nicht. Schaut man sich ihre Karriere an, war es die richtige Entscheidung. Später war ihr noch das Glück beschieden, mit ihrem Mann Vladimir Klos an einem Haus engagiert zu sein. Erst 1994, mit fast 50 Jahren, verabschiedete sie sich von der Bühne. Für den Ruhestand hatte sie keine Zeit, sie gründete eine Tanzstiftung, die den Nachwuchs fördert. Zu ihren Zöglingen gehört Thiago Bordin, der heute beim Hamburg Ballett ein wunderbarer Tänzer ist. Daneben begann Birgit Keil an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Mannheim zu unterrichten. 2003 übernahm sie das Ballett des Staatstheaters Karlsruhe. Hier pflegt sie das Tanzerbe und ergänzt es durch zeitgenössische Werke. Der Ruhestand kann warten, auch mit 70 Jahren.

Obwohl Birgit Keil in den Interview-Passagen einen bodenständigen, freundlichen Eindruck hinterlässt, lassen die alten Fotografien so etwas wie Glamour aufscheinen. In einem todschicken Maxi-Mantel posiert sie vor der Skyline New Yorks, ihre Kleidung war immer ausgesucht modisch und gleichzeitig elegant. Birgit Keil war eine Erscheinung, ihr Name auch Menschen ein Begriff, die nicht zu den eingeschworenen Ballett-Fans zählten. Dem Tanz fehlen momentan solche Stars, die international bekannt sind und für ihre Sparte werben.

Wiebke Hüster: Birgit Keil. Ballerina. Glück ist, wenn auch die Seele tanzt. Henschel, Leipzig. 176 Seiten, 29,95 .

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