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Wilde Verschwörungstheorien Die erste Mondlandung und die Lust am Zweifeln

Um die Mondlandung im Jahr 1969 ranken sich die wildesten Verschwörungstheorien. So seien die Bilder, die vor 50 Jahren um die Welt gingen, an einem Filmset entstanden.
12.07.2019, 22:39 Uhr
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Die erste Mondlandung und die Lust am Zweifeln
Von Katharina Frohne

Die Eroberung des Mondes, sie steht noch bevor. Das sagt zumindest Bart Sibrel. Sibrel ist 55 Jahre alt, Texaner, Filmemacher. Und er ist überzeugt: Die erste Mondlandung, die sich am 20. Juli zum 50. Mal jährt, hat es nie gegeben. Sibrel weigert sich, den schwarz-weißen Filmaufnahmen zu glauben, die damals, im Sommer 1969, als Liveschaltung um die Welt gingen; Sibrel glaubt auch den Astronauten Buzz Aldrin und Neil Armstrong nicht, die danach von ihren Erlebnissen berichteten. Alles gelogen, sagt Sibrel, alles gefälscht.

Sibrels Überzeugung sitzt tief. Vier Filme hat er gedreht; in allen prangert er wortreich „die größte Regierungsverschwörung aller Zeiten“ an: Die Videosequenzen seien nicht auf dem Mond gedreht worden, sondern auf der Erde, in einem Filmstudio irgendwo in Amerika. In Auftrag gegeben habe sie der damalige Präsident Richard „Tricky Dick“ Nixon, organisiert worden seien von der CIA – mit Unterstützung der Nasa. Logisch.

Klingt einigermaßen irre? Ist es auch. Trotzdem ist Sibrel in guter Gesellschaft. Um die Mondlandung ranken sich seit Jahrzehnten die krudesten Verschwörungstheorien. Die meisten basieren auf den Ausführungen des US-Autors Bill Kaysing, einem Mondlandungszweifler der ersten Stunde. Schon in den 70er-Jahren behauptete Kaysing, die Mission sei eine einzige gigantische Inszenierung der amerikanischen Regierung gewesen, um nach dem Sputnik-Schock – die Sowjetunion hatte als Erste Kosmonauten ins All geschossen – im Weltraum-Wettstreit gleichzuziehen.

Vermeintliche Enthüllungen

1976 schrieb Kaysing ein Buch über seine vermeintlichen Enthüllungen; „We never went to the Moon“, Wir sind nie zum Mond geflogen. 87 Seiten ist sein Werk dünn, es verkaufte sich mäßig. Heute, 40 Jahre später, verlangt der Onlinehändler Amazon für einen Nachdruck aus dem Jahr 1997 satte 69 Euro. Nutzer vergeben durchschnittlich dreieinhalb Sternchen. „Die in diesem Buch angeführten Beweise sind sehr nützlich für die weitere Recherche“, schreibt einer. Ein anderer lobt die „bestechende Argumentation“ des Autors, die „einen echt ins Grübeln bringt“.

Woher rührt sie, die Lust am Zweifeln? Und warum halten sich abstruse Annahmen wie Kaysings, obwohl sie in den vergangenen Jahrzehnten dutzendfach widerlegt wurden? Zum einen, schreibt der Psychologe Sebastian Bar­toschek, weil düstere Ideologien trösten. In dem Buch „Verschwörungsmythen. Wie wir mit verdrehten Fakten für dumm verkauft werden“ des Physikers Holm Gero Hümmler – Anfang des Monats im Hirzel-Verlag erschienen – analysiert Bartoschek in einem Gastbeitrag, warum Verschwörungstheorien Erfolg haben. Und kommt zu dem Schluss: In einer immer komplexeren Welt, in der unzählige Einzelinformationen sich nur schwer miteinander verknüpfen lassen, bieten abstruse Annahmen einen bequemen Ausweg. Verstehen? Nicht unbedingt. Besser: anzweifeln!

Soll doch erst mal jemand beweisen, dass man tatsächlich falsch liegt. Auch in anderer Hinsicht, befindet Bartoschek, können Verschwörungstheorien eine beruhigende Wirkung haben. Dann nämlich, wenn es für als sinnlos Empfundenes plötzlich eine Erklärung gebe. Ein Kranker etwa könne sein Leid den Machenschaften einer im Geheimen operierenden Organisation zuschreiben. Der Glaube an eine diffuse Bedrohung von außen sei angenehmer als die Annahme, einfach Pech gehabt zu haben – oder gar selbst für die eigene Misere verantwortlich zu sein. Oft, schreibt Bartoschek, tendierten gerade Personen, „die sich – sei es nun zu Recht oder zu Unrecht – als gescheitert, bedroht, abgehängt empfinden“, dazu, Verschwörungstheorien Glauben zu schenken. Hinzu komme, dass der Mensch als solcher dazu neige, an Überzeugungen festzuhalten.

Die Chemtrails neutralisieren

Neue Informationen würden dann in das schiefe Weltbild einsortiert – und Unpassendes notfalls passend gemacht. Dabei, schreibt Bartoschek, komme es nicht selten vor, dass abenteuerliche kausale Zusammenhänge hergestellt würden, was den Irrglauben nur noch beflügele. Bartoschek erläutert das am Beispiel der sogenannten Chemtrails: „Glaube ich (...), dass Flugzeugkondensstreifen in Wirklichkeit von der Regierung ausgebrachtes Gift sind, um die Bevölkerung krank zu machen, habe ich vielleicht ein Erklärungsmodell für meine Kopfschmerzen. Stelle ich nun eine Schale mit Essig auf den Balkon, um die vermeintlichen Chemtrails zu neutralisieren, kann sich dadurch psychische Entlastung ergeben, die real meine Kopfschmerzen verringert.“ Der Fehlschluss: „Meine Kopfschmerzen sind weg, weil der Essig die Chemtrails neutralisierte.“

Einen anderen Grund für den Erfolg sogenannter alternativer Wahrheiten sieht der Psychologe in der simplen Tatsache, dass eine Verschwörungsbehauptung spannender sei als der nüchterne Sachverhalt, der Skandal spannender als das Erwartbare. In anderen Worten: Der Mensch liebt gute Geschichten.

Schon deshalb ist Hümmlers „Verschwörungsmythen“-Buch interessante Lektüre. Auf 225 Seiten findet sich eine Auswahl der hartnäckigsten Theorien, von den „Flat Earthern“, die die Erde auch anno 2019 noch für eine Scheibe halten, über die Gläubigen der „Truther“-Bewegung, die behaupten, dass es sich bei den Anschlägen vom 11. September 2001 in Wirklichkeit um eine blutige Show der amerikanischen Regierung handelte, bis zur Mondlandung.

Während die Motive der Zweifler dabei im Dunklen bleiben, ist eines klar: Ihre Hirngespinste sorgen für Aufmerksamkeit. Der Mondlandungsleugner Bart Sibrel etwa schaffte es 2002 weltweit in die Medien – wenn auch nicht auf die gewünschte Weise. Unter einem Vorwand hatte Sibrel den Astronauten Buzz Aldrin in ein Hotel in Hollywood gelockt, um ihm mitzuteilen, dass er „die größte Regierungsverschwörung aller Zeiten“ aufgedeckt habe. Minutenlang beschimpfte er den damals 72-Jährigen als Lügner, bedrängte ihn körperlich. Schließlich forderte er Aldrin dazu auf, auf die Bibel zu schwören, dass er tatsächlich auf dem Mond gewesen sei. Aldrin reagierte prompt. Mit einem Kinnhaken streckte er Sibrel nieder.

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Zur Sache

Absurde Mondlandungsmythen

Die wehende US-Flagge, die auf dem berühmten Foto neben Buzz Aldrin in der Mondoberfläche steckt, ist das wohl meistbemühte Indiz der Skeptiker. Sie sagen: Weil es auf dem Mond keinen Wind gibt, dürfe die Fahne nicht wehen. Tut sie aber. Oder? Nein – die Bewegung des Stoffes wurde durch die Erschütterung des Fahnenmastes ausgelöst, der in den Boden gerammt und für das Foto ausgerichtet wurde. Da der Mond keine Atmosphäre im eigentlichen Sinne hat, wird das Wackeln des Stoffes kaum gebremst. Es hält deshalb ungewöhnlich lang an.

Wurde die Mondlandung in einem Filmstudio gedreht? Viele Verschwörungsanhänger glauben das; schließlich sehe die Mondlandschaft auf verschiedenen Aufnahmen immer gleich aus, sei also offensichtlich eine Kulisse. Ein wenig überzeugendes Argument: Die Astronauten machten an ihrer Landestelle Tausende Fotos aus verschiedenen Perspektiven, lichteten also tatsächlich die immer gleichen Orte ab.

Die Astronauten springen auf der Mondoberfläche herum, erheben sich dabei aber nur wenige Zentimeter in die Luft. Hätten sie angesichts der geringen Gravitation nicht meterhoch springen müssen? Theoretisch: ja. Tatsächlich machten die etwa 85 Kilogramm schweren Raumanzüge die Astronauten sehr unbeweglich. Aus Sicherheitsgründen mussten sie deshalb auf große Sprünge verzichten.

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