Martin Reinl lässt bei verschiedenen Sendern seine Puppen tanzen. Im Interview spricht das Multitalent über Yoga-Übungen unter der Bühne, die Möglichkeiten der Unverschämtheit und noch mehr Puppenshow-Ideen für Erwachsene.
Einmal in der Woche kniet Martin Reinl nun unter dem Wickeltisch von Oliver Pocher und wirft mit Unverschämtheiten um sich. Obwohl - eigentlich ist das gar nicht er. Die Babypuppen Kalle & Ralle avancieren gerade als Pochers kleine plüschige Sidekicks zu den neuen Stars von SAT.1 ("Die Oliver Pocher Show", freitags, 22.15 Uhr). Doch nicht nur hier hat der 34-jährige Autor, Regisseur, Comedian, Synchronsprecher und Puppenmeister seine Finger im Spiel. Neben preisgekrönten Figuren fürs Kinderprogramm ("Haselhörnchen" und "Peb & Pebber" bei Super RTL) lässt er sonntags auch im WDR die Puppen bei "Zimmer frei!" tanzen (22.15 Uhr) beziehungsweise prominente Gäste interviewen. Damit beweist der Kölner, der zusammen mit David Wilms die Produktionsfirma bigSmile betreibt, dass Erwachsene auch 30 Jahre nach der "Muppet Show" durchaus Spaß am Puppenspiel haben. Er hätte da noch viel mehr Ideen ...
teleschau: Herr Reinl, wie fühlt man sich so, jeden Freitagabend unterm Wickeltisch?
Martin Reinl: Alle denken immer, das Anstrengendste wäre, die Arme so lange nach oben zu halten. Das Schwierigere aber ist, die ganze Zeit zu knien, weil mir pausenlos die Beine einschlafen und ich dann immer kleine Yoga-Übungen im Wickeltisch machen muss.
teleschau: Wie kam es eigentlich zu dem Engagement bei der "Oliver Pocher Show"?
Reinl: Das war purer Zufall, wie so oft bei mir. Ich sollte eigentlich nur in der Schwangerschaftsausgabe der Show aufkreuzen. Ich kannte einen der Autoren der Sendung, und der wusste, dass ich diese Babypuppen im Ensemble habe. Aber in der Woche danach luden sie mich wieder ein ... Jetzt hocke ich da also seit Januar unterm Wickeltisch. Pocher ist eine polarisierende Figur, und es ist ganz witzig, wenn es da jemanden gibt, der ihm ein bisschen Paroli bietet. Ich glaube, das tut ihm auch ganz gut. Die Babys können Dinge übernehmen, die selbst für ihn zu unverschämt wären, oder auch etwas abfedern. Eine gute Konstellation.
teleschau: Wie funktioniert das technisch - haben Sie einen Monitor?
Reinl: Ja, ich schaue quasi immer nach unten auf den Monitor, wo ich das fertige Fernsehbild sehe. So können sich die Babys entsprechend ins Bild drängeln. Die Puppen spiele ich über meinem Kopf.
teleschau: Sind die Texte von Kalle & Ralle improvisiert?
Reinl: Zu einem großen Teil ja. Die Themen und viele Gags sind mir bekannt, aber wir proben nicht so viel gemeinsam. Manchmal denke ich mir auch vorher etwas aus, womit ich Oliver Pocher dann in der Sendung überrasche - umgekehrt genauso. Das ist auch die Herausforderung dabei. Bei "Zimmer frei!" wird das auch so gehandhabt, damit wir echte Reaktionen aus den Leuten herausbekommen. Manchmal funktioniert das dann auch nicht, aber man bekommt zumindest ein ehrliches Gesicht vor die Kamera.
teleschau: Woran merkt man das?
Reinl: Manche Gäste können eben nicht mit Puppen arbeiten, für die ist das dann ein Fremdkörper. Das merke ich sehr schnell daran, ob sie den Puppen in die Augen schauen oder eine Etage tiefer zu mir.
teleschau: Wenn Sie in der Puppe stecken, können Sie ja auch so richtig schön frech sein ...
Reinl: Ich wusste am Anfang selbst nicht, dass man so weit gehen kann! Teilweise schämte ich mich schon dafür, was ich als Puppe so von mir gegeben habe. Ich entschuldigte mich dann hinterher immer.
teleschau: Gab's schon mal Ärger?
Reinl: Das Überraschende ist, dass die Gäste alle sagen: "Ne, das hast ja nicht du gesagt." Da merkte ich: Einer Puppe nimmt man etwas nicht so schnell übel. Was ich als Puppe den Leuten schon erzählt habe - das würde ich mich als Mensch niemals trauen!
teleschau: Ein Beispiel, bitte!
Reinl: Das sind natürlich Pointen, die von mir nicht wirklich so gemeint sind. Als ich noch die "anspruchsvollen Rollen" bei "Zimmer frei!" spielte (Klo-, Küchen-, Nackenrolle und Rollmops, Anm. d. Red.), sagten die zu Katja Riemann: "Sie sind unser großes Vorbild, Sie haben doch 'Das Superweib' gespielt!" Dann sagte Katja Riemann: "Nein, das war Veronica Ferres", woraufhin die nüchterne Antwort war: "Dann sind Sie doch nicht unser Vorbild." Aber ich versuche schon, nicht nur beleidigend zu sein, sondern das mit einem Augenzwinkern zu präsentieren, sodass die Leute auch mitlachen können.
teleschau: In der "Muppet Show" früher lief das ganz ähnlich. Ihre Figuren erinnern auch optisch ein wenig an diese berühmten Puppen. Sind das Vorbilder?
Reinl: Ja, schon. Ich bin mit der "Sesamstraße" und der "Muppet Show" aufgewachsen. Es war das Größte für mich, von dem, was ich im Fernsehen kannte. Natürlich dachte ich damals nicht im Traum daran, dass ich das mal beruflich machen würde. Man läuft ja nicht rum und sagt: Ich werde Puppenspieler im Fernsehen. Gerade in der heutigen Zeit, in der alles computeranimiert ist.
teleschau: Wie wurden Sie dann doch Puppenspieler im Fernsehen?
Reinl: Während meines Film- und Fernsehstudiums nutzte ich die Gelegenheit, das mal zu realisieren. Also baute ich zum Spaß Puppen und drehte kleine Sketche mit ihnen. Somit hatte ich meine ersten Demo-Tapes und Videos, die wiederum andere sahen und mich ermutigten, da weiterzumachen.
teleschau: Welche war Ihre erste Figur?
Reinl: Anfangs bastelte ich einfach aus Socken und Tischtennisbällen irgendwelche Dinger zusammen. Eine der ältesten Figuren ist tatsächlich ein Vorgänger von Wiwaldi, der jetzt bei "Zimmer frei!" sitzt.
teleschau: Haben Sie Puppenbauen dann noch irgendwo gelernt oder sind Sie Autodidakt?
Reinl: Learning by doing. Es gibt keine Anleitung dafür. Zum Entsetzen meiner Mutter nahm ich ja schon als Kind jeden Teddybär auseinander, weil ich wissen wollte, wie er genäht ist. Und dann stellte ich fest: Aha, wenn man unten ein Loch reinschneidet und die Watte rausnimmt, kann man den Mund bewegen! Probieren Sie's mal aus (lacht)! Als ich bei einer Ausstellung in England die Original-Muppets sah, entdeckte ich, dass die aus ganz gewöhnlichen Materialien gebaut sind, die ich zu Hause auch finden konnte, wie zum Beispiel Schaumstoff.
teleschau: Sie versuchen auch seit Jahren, endlich wieder eine Puppensendung für Erwachsene im Fernsehen zu etablieren ...
Reinl: Mit "Zimmer frei!" und der "Oliver Pocher Show" versuchen wir zumindest zu beweisen, dass es möglich ist. Das Problem - grundsätzlich und in Deutschland sowieso - ist trotzdem immer, dass man beim Wort Puppen automatisch an Kinderprogramm denkt. Obwohl wir zeigen, dass Erwachsene durchaus Spaß damit haben. Das sieht man auch bei Kollegen wie René Marik. Selbst Bernd das Brot, eigentlich eine Kindersendung, ist im Nachtprogramm populär. Trotzdem gibt es da bei den Verantwortlichen eine Hemmschwelle. Aber wir arbeiten nach wie vor dran.
teleschau: Was sagen Ihnen die Programmverantwortlichen?
Reinl: Es ist ja leider immer noch so, dass man sich nicht so leicht heranwagt, wenn ein Format noch nicht mit Erfolg in Amerika gelaufen ist.
teleschau: Aber es hat ja schon mal mit Erfolg stattgefunden ...
Reinl: Tja, die "Muppet Show" vor 30 Jahren. Das ist auch gerne mal unser Argument. Es herrscht einfach diese Angst, etwas völlig Unerprobtes zu machen. Man setzt dann doch lieber auf Bewährtes.
teleschau: Wie würden Sie's angehen wollen?
Reinl: Da gibt es tausend verschiedene Ansätze. Ich sage immer: Jedes Genre und jede Show im Fernsehen würde auch mit Puppen funktionieren. Das kann eine Game Show genauso gut sein wie eine Telenovela. Die sind universell einsetzbar. Wir spielen gerne mit solchen Ideen, drehten zum Beispiel einen kompletten Piloten, der wunderbar funktionierte: eine Game Show mit Puppen und Prominenten.
teleschau: Welche Ihrer Figuren bekommt die meiste Fanpost?
Reinl: Je absurder die Figur, umso mehr prägt sie sich ein. Ich mache bei "Zimmer frei!" jetzt seit sechs Jahren den Wiwaldi, davor waren's nur zweieinhalb Jahre die Rollen. Auf die werde ich noch immer häufiger angesprochen. Sonst sind das oft so kleine Figuren, die ich bei "Zimmer frei!" mache - neben Wiwaldi. Der betrunkene Hai, Pitbull Purzel und das alte Zirkuspferd rufen gerade die meisten Reaktionen hervor. Und der Jammerlappen (Super RTL, Anm. d. Red.) ist schon relativ weit vorne - auch bei den Erwachsenen.
teleschau: Der Jammerlappen ist auch großartig - darauf muss man erst mal kommen!
Reinl: Ich glaube, das ist eine Figur, die jeder mit sich herumträgt. Ich finde mich auch sehr oft in diesen Figuren wieder - gerade im Jammerlappen. Manchmal nehme ich auch plötzlich diese Stimmlage an, wenn ich in einer ähnlichen Gemütsverfassung bin.