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Die Bremerin Betty Gleim eröffnete bereits im Jahre 1806 eine Lehranstalt für Mädchen in der Hansestadt Frühe Kämpferinnen für Frauenrechte

Bremen. Selbstbewusst, intelligent und mutig waren sie, die Bremer Frauen, die bereits im 19. Jahrhundert Zeichen setzten gegen die überlieferten gesellschaftlichen Klischees.
03.02.2019, 00:00 Uhr
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Bremen. Selbstbewusst, intelligent und mutig waren sie, die Bremer Frauen, die bereits im 19. Jahrhundert Zeichen setzten gegen die überlieferten gesellschaftlichen Klischees. Betty Gleim, 1781 als Tochter eines Bremer Weinhändlers geboren, eröffnete 1806 im Alter von 25 Jahren eine Lehranstalt für Mädchen am „Spitzen Kiel“. Sie las die Schriften von Jean Jaques Rousseaus und dem Schweizer Pädagogen Pestalozzi. Sie übertrug deren Erkenntnisse auf die Mädchen. Ihr Credo: „Den Männern zu gefallen ist zu wenig“. In kurzer Zeit hatte sie 80 Schülerinnen. Sie unterrichtete als Autodidaktin Geschichte und Geografie. Aber auch Mathematik und Physik schienen ihr für die Praxis unentbehrlich. Sie schaffte dafür selbst einfache Geräte und Apparaturen an. 1815 allerdings musste sie ihre Lehranstalt schließen. Der Bremer Senat erachtete die „Schulbildung für Mädchen als völlig überflüssig“. Er traf damit die Meinung der meisten Bremer, die solcherart Unternehmungen für schlichtweg überspannt hielten. Betty Gleim ließ sich aber nicht in die Grenzen zurückverweisen, die ihr die männerdominierte Gesellschaft vorschrieb.

Entschlossen verfochte sie in Büchern und Schriften ihre Gedanken zur Gleichstellung der Frauen. Ihr zweibändiges Hauptwerk war der „Erziehung des weiblichen Geschlechts“ gewidmet. 1808 erschien ihr „Bremisches Kochbuch“, das insgesamt 13 Auflagen erlebte. Nach Vorbildern in der Schweiz eröffnete sie die erste Lithografie Druckerei in Bremen. Eine Nachfolgerin fand sie in Ottilie Hoffmann. 1835 im Ostertorviertel geboren, besuchte diese die höhere Bürgerschule. Schon früh pädagogisch und sozial tätig wurde Ottilie Mitbegründerin des „Frauen- Erwerbs- und- Ausbildungsvereins“. 1880 ging sie nach England. Als Erzieherin im Haus von Lady Rosalind Carliste gewann sie Einblick in die englische Gesellschaft. Dabei lernte sie die von englischen Frauen gegründete „Temperance Society“ kennen. Zurück in Deutschland wurde sie zur führenden Vertreterin der Abstinenzbewegung im Kaiserreich. Seit 1900 gründete sie mehrere alkoholfreie Speisehäuser und Kaffeestuben. Bei der Gründung des „Deutschen Frauenbundes für alkoholfreie Kultur“ stand ihr die Bremerin Marie Mindermann zur Seite.

Am aggressivsten vertrat die 1808 in Bremen geborene Marie Mindermann den Standpunkt der Gleichberechtigung der Frau. Sie besuchte zunächst eine Klippschule. Die hochintelligente junge Frau absolvierte das Gymnasium und die Gelehrtenschule der Hansestadt. Sie führte den Kampf um demokratische Rechte, indem sie anonym entsprechende Artikel und Aufrufe im „Bremer Stadtboten“ und dem „Bürgerfreund“ veröffentlichte. In der Auseinandersetzung des Senats mit dem revolutionären Pastor an der Liebfrauenkirche, Rudolf Dulon, nahm sie für diesen Partei. Als er wegen aufrührerischer Tätigkeit zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt wurde, verfasste Marie Mindermann eine Resolution, die von vielen Frauen unterschrieben wurde. Der Senat empörte sich über die Anmaßung, klagte gegen sie und verurteilte sie schließlich zu acht Tagen Gefängnis, ersatzweise 20 Taler Strafe. Sie setzte sich entschieden für das Frauenwahlrecht ein, das erst 1918 verwirklicht wurde. Gemeinsam mit Ottilie Hoffmann war sie Mitbegründerin des „Frauen- Erwerbs- und Ausbildungsvereins“.

Als Reformpädagogin betätigte sich auch die 1888 im jetzt bremischen Blumenthal geborene Schriftstellerin Tami Oelfken. Nach ihrer Ausbildung war sie im damals preußischen Grohn als Lehrerin tätig. Ihre freien Erziehungsmethoden beunruhigten die Eltern der Schüler derart, dass der Schulrat sie nach Worpswede versetzte. In seiner Erwartung, dass sie im Teufelsmoor mit ihren aufmüpfigen Ideen wenig Schaden anrichten könnte, sah er sich gründlich getäuscht. Hier kam sie mit den Ideen von Heinrich Vogeler und dessen Freundeskreis in Kontakt. Gemeinsam schlossen sie sich dem Spartakusbund an. Ihr Roman „Stine vom Löh“ über die Entstehung der Bremer Woll-Kämmerei in Blumenthal ist ein wertvolles Zeugnis für den Einbruch der Industrie in eine dörflich strukturierte Lebenswelt. Er diente nach 1945 als Vorlage für einen Fernsehfilm. Im Dritten Reich erhielt sie wegen ihrer politischen Haltung Schreibverbot. Ihre bereits veröffentlichten Werke wurden beschlagnahmt. Trotzdem schrieb sie unaufhörlich Briefe, Tagebücher, ein Logbuch und anderes. Ihr umfangreiches Schaffen veröffentlichte sie teils illegitim oder im Ausland.

Nach 1945 übersetzte der Rundfunkredakteur Walter Arthur Kreye viele ihrer Hörspiele und Geschichten ins Plattdeutsche, die dann bei Radio Bremen auf Sendung gingen. Eine Spurensicherung ihres Gesamtwerkes unternahm die Schriftstellerin Ursel Habermann.

Für die Ausgabe DIE WOCHE - MEIN VEREIN schreibt Ulf Fiedler regelmäßig Texte über Wissenswertes aus der Historie der Region. Lob, Anregungen und Kritik senden Sie bitte an ulffiedler2@gmail.com.

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