Frau Glauber, Sie setzen sich in Ihrer Arbeit mit der Analyse und Digitalisierung von Geruch auseinander. Das klingt kompliziert.
Stefani Glauber: Über Digitalisierung von Visuellem wurde in der Kunst in den vergangenen Jahren viel gemacht. Auch Audios kann man gut digital darstellen. Ich habe mich einfach gefragt: Wie sieht es bei der Digitalisierung von anderen Sinnen aus? Zum Beispiel mit Geruch. Also habe ich recherchiert.
Und zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?
Ein Ergebnis ist die Ausstellung. Die Versuche, Geruch zu digitalisieren und für bestimmte Zwecke zu benutzen gehen tief in die Menschheitsgeschichte zurück. Das erste schöne Bild, das ich gefunden habe, betrifft das Kolosseum in Rom. Dort gab es ein Tunnelsystem in den Sitzen, das an heißen Tagen Geruch ausgegeben hat, um den unangenehmen Geruch von Blut zu überdecken. Während der Science-Fiction-Welle um die 1910er-Jahre gab es unglaublich viele Bücher, in denen Fantasien von Geruchsorgeln als die Zukunft galten. Versuche um Sensoren, die in irgendeiner Form riechen und Geruch in eine digitale Form übertragen, gibt es seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Die erste elektronische Nase gibt es seit 1956, seitdem wurde sie in verschiedenen Bereichen - in der Medizin, im Sicherheitsbereich, zum Detektieren von Gasen - eingesetzt und weiterentwickelt.
Ihre Ausstellung in der Kunsthalle Bremerhaven im Rahmen von "Smell it!" heißt "≈350", also ungefähr 350. Worauf spielt das an?
Darauf, dass der Mensch etwa 350 Arten von Geruchsrezeptoren hat.
Ist die Technik uns da voraus? Kann man technisch mehr Gerüche einfangen, als unsere Nase es kann?
Absolut nein. Das ist noch nicht möglich. In wissenschaftlichen Studien wird der Mensch bis heute als bestes Analysetool angegeben. Aber es gibt Ausnahmen: Es gibt zum Beispiel Versuche, den Glukoseabfall in der Haut zu messen, was Diabetes-Patienten und -Patientinnen helfen kann. Solche Dinge kann der Mensch natürlich nicht riechen. Was für mich aus künstlerischer Perspektive an dem Thema auch spannend ist: Bei visuellen Dingen lernt man ziemlich gut, Sachen zu umschreiben und zu erklären. Bei Geruch sieht das anders aus. Man ist nicht frei von Tabus, wenn man Geruch verbalisiert. Mir fehlen da auch schnell die Wörter, und ich glaube, das ist generell in der deutschen und englischen Sprache so. Ich fand es spannend, mit einem vermeintlich objektiven Tool, der Digitalisierung, auf etwas zu blicken, das unglaublich vage ist in unserer Sprache und Wahrnehmung.
Was genau können Besucher in der Ausstellung sehen und riechen?
Es sind insgesamt vier Arbeiten. Es gibt einen großen Print, da habe ich Recherchematerial, auf das ich gestoßen bin, zusammengestellt. Sehr spannend fand ich zum Beispiel, dass es 2009 eine Forschung gab, die gezeigt hat, dass das Gehirn von Menschen, die den Angstschweiß von anderen Menschen riechen, die gleichen Warnsignale startet, als wäre der Riechende selbst in Gefahr. Die Studie wurde vom US-Militär finanziert, mit Hinblick darauf, ob Geruch auch als Werkzeug oder Waffe verwendet werden kann. Oder es gibt ein Gerät, das zu bestimmten Zeiten den Geruch von Essen ausgibt, was Demenz-Patienten und -Patientinnen helfen kann - all solche Infos versammle ich in dem Druck.
Und die anderen Arbeiten?
Eine andere Arbeit besteht aus einem Diffuser und einem Geruchsneutralisator. Zwei Geräte, die sich gegenseitig bekämpfen. Darum heißt die Arbeit auch "VS". Ich mag die Vorstellung, dass Geräte Sachen mit sich ausmachen, während man etwas unbeholfen daneben steht. Die dritte Arbeit ist ein Geruchssensor, der im Ausstellungsraum vor sich hin detektiert und die Daten auf eine Webseite überträgt.
Was genau misst der denn? Merkt der Sensor, wenn jemand in der Ausstellung besonders stark schwitzt?
Der Sensor ist ein Kohlenstoff-Detektor. Das heißt also nicht, dass jemand, der für andere Menschen stark riecht, dort besonders ausschlägt. Es wurde ein bisschen experimentiert, am stärksten ausgeschlagen hat der Sensor bisher bei Desinfektionsmittel, als jemand seine frisch desinfizierten Hände dran gehalten hat. Der Sensor ist also nicht da, um eine Wertung über den Geruch von Menschen abzugeben.
Fehlt noch die vierte Arbeit...
Die vierte Arbeit ist eine Audioarbeit, ein typischer Audioguide, wie man ihn kennt, bei dem ich über die Luft in der Kunsthalle spreche, in Hinblick darauf, welche vergangenen Ausstellungen eventuell noch im Raum riechen. Bei Audioguides ist es ja normalerweise so: Man setzt Kopfhörer auf, stellt sich vor eine Arbeit und bekommt sie erklärt. Die Vorstellung, dass man gar nicht sieht, was erklärt wird, mochte ich. Man wird also angeleitet, mal einen anderen Sinn zu verwenden.
Das Gespräch führte Alexandra Knief.