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Serie "Reingeschnuppert" Der geheime Geruch von Kamelwasser

Unter dem Titel "Smell it!" widmen sich Bremer Museen dem Thema Geruch in der Kunst. In der Serie "Reingeschnuppert" stellen wir die Ausstellungen vor. Heute: "Mit den Augen riechen" in der Kunsthalle.
11.06.2021, 17:54 Uhr
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Der geheime Geruch von Kamelwasser
Von Alexandra Knief

Es sind Szenen, die vor Corona noch für viele zum Alltag gehörten: Menschen, die gemeinsam feiern, trinken, zwischen qualmenden Zigaretten sitzen, schwitzen. Paare, die eng an eng tanzen, Fremde, die sich vielleicht gerade erst kennenlernen und dem anderen etwas ins Ohr brüllen, um die Musik im Raum zu übertönen. Es sind Szenen, die man förmlich riechen kann, die für Gerüche stehen, auf die viele Menschen einst wahrscheinlich gerne verzichtet hätten, die einem nach fast eineinhalb Jahren mit Kontaktbeschränkungen und Abstandsgeboten allerdings fast schon fehlen. 

Eine Reise durch die Kunstgeschichte

Vier Fotografien von Tom Wood aus der Serie "Looking for Love", die eben diese Szenen zeigen, sind ab sofort in der Bremer Kunsthalle zu sehen. Sie sind Teil der Ausstellung "Mit den Augen riechen. Geruchsbilder seit der Renaissance" und bilden den Beitrag der Kunsthalle für das "Smell it!"-Projekt der Bremer Museen. Mit den Arbeiten von 47 Künstlern und Künstlerinnen, größtenteils aus der Sammlung des Museums stammend, nimmt die Kunsthalle die Besucher mit auf eine Reise durch eine Kunst- und Kulturgeschichte des Geruchs, vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Zu sehen ist die Schau bis zum 15. August.

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Der erste Ausstellungsraum versammelt zum einen Bilder, die der Betrachter aufgrund ihrer Motivik förmlich riechen kann, zum anderen eine Auswahl an Arbeiten, die das Riechen selbst - oftmals in Verbindung mit der Darstellung der anderen Sinne - zeigen.

Im ersten thematischen Schwerpunkt treffen Gemälde, die man sehr gerne auch mit der Nase wahrnehmen würde, wie ein Blumenstillleben von Paula Modersohn-Becker, auf solche, deren Geruch, wäre er denn da, wohl nicht von jedem als angenehm empfunden würde: So zum Beispiel die Fotografie "Bacon Sandwich" von Martin Parr, eine Nahaufnahme eines Mannes, der gerade mit halb offenem Mund und öligen Fingern mit dem fettigen Speck in seinem Mittagessen kämpft. Oder Lovis Corinths Darstellung "Schlachterei" aus dem Jahr 1892, mit von der Decke hängenden Schweinehälften, gemalt in breiig-blutigen Rot- und Rosatönen. 

Riechen als animalischer Sinn

Weitere Werkgruppen widmen sich Schwerpunkten wie dem "Himmlischen Duft", also unter anderem der Darstellung von religiösen Riten, oder dem "Tierischen Schnuppern", der das Riechen als animalische Funktion - bei der Partnerwahl oder um Gefahr zu wittern - ins Zentrum rückt.

Der dritte Raum steht unter dem Überthema Geruch und Gesellschaft. Frauen und Blumen oder Männer und Tabakwaren sind gerne gezeigte Verbindungen in der Kunst, erklärt Kuratorin Mara-Lisa Kinne. Doch neben Beispielen hierfür zeigt die Kunsthalle auch Arbeiten, die mit eben diesen typischen Darstellungsformen brechen: Das "JOB"-Plakat vom Alphonse Mucha zum Beispiel, das eine Frau zeigt, die mit geschlossenen Augen raucht und den Geruch zum sinnlichen Genuss stilisiert. 

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Wirklich mit riechendem Material gearbeitet hat unter anderem der Künstler Dieter Roth. Zum Beispiel in seinem "Tortenbild" aus dem Jahr 1977. Hierfür hat Roth zerknitterte, einst weiße Tortenspitze zusammen mit ein paar Kerzenhaltern aus Plastik, wie man sie von jedem Kindergeburtstag kennt, und den Resten einer Torte zwischen Glas und einer Hartfaserplatte konserviert - der traurige Rest eines einst vielleicht rauschenden Festes. 

Wie riecht Kamelwasser?

Der Künstler Andreas Slominski ist mit zwei Arbeiten in der Ausstellung vertreten, die sowohl neugierig machen als auch schmunzeln lassen. Das Objekt "Kamelwasser" ist ein Fläschchen, gefüllt mit einer klaren Flüssigkeit. "Niemand weiß, was Kamelwasser wohl ist und wie es riecht", sagt Kinne. "Die Flüssigkeit könnte einen Geruch haben, aber wir wissen es nicht und werden es wohl nie erfahren."

Slominskis zweite Arbeit ist leicht zu übersehen. "Nasenhalter" heißt das Werk aus dem Jahr 1987. Es besteht aus zwei Haken aus Holz, etwa in Kopfhöhe des Durchschnittsbürgers an der Wand befestigt, die dazu einladen, mal kurz seine Nase einzuhaken. Machen sollte man das natürlich nicht, aber alleine der Gedanke daran, wie ein Mensch fast wie eine Jacke mal kurz eine Runde am Haken abhängt, macht Freude und weckt zudem Assoziationen an eine Steckdose: Nur eine Minute Pause, sich hängen lassen und neue Energie tanken. 

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Ein Höhepunkt der Ausstellung ist die speziell für "Smell it!" kreierte raumgreifende Installation "New Cartographies of Smell Migration" des kolumbianischen Geruchskünstlers Oswaldo Maciá, die den Betrachter gleich auf drei Ebenen anspricht: visuell, akustisch und olfaktorisch. Maciá thematisiert in seiner Arbeit weltweite Verbindungen durch Geruch. Zu sehen gibt es vier sehr große Landkarten, die verschiedene Ansichten des Globus, Tiere, Pflanzen und diverse Beschriftungen zeigen.

Geschwungene rote Linien auf den Bildern stehen für Wind und Bewegung. Drei sich wie Moleküle im Raum bewegende, erleuchtete Kugeln verströmen zudem einen Geruch von Baumharz und über einen Plattenspieler hört der Besucher den Klang von Winden, aufgenommen auf der ganzen Welt sowie die Geräusche von Insekten aus dem Regenwald. 

Info

Am Dienstag, 15. Juni, findet ab 19 Uhr ein Künstlergespräch mit Oswaldo Maciá über Zoom statt. Den Link zur Veranstaltung finden Sie unter www.kunsthalle-bremen.de. Im nächsten Teil unserer Serie schnuppern wir in das Programm des Künstlerhaus Bremen hinein. 

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