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Buchprojekt Wenn Frauen zu Sündenböcken werden

"Berühmte Männer kommen mit allem durch, Frauen im Rampenlicht verzeihen wir: nichts", schreiben Beate Hausbichler und Noura Maan auf dem Klappentext ihres Buches "Geradegerückt". Ist das wirklich so?
08.03.2023, 05:00 Uhr
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Wenn Frauen zu Sündenböcken werden
Von Alexandra Knief

Was haben Marie Antoinette, Britney Spears, Pocahontas und Bettina Wulff gemeinsam? Auf den ersten Blick wohl erst einmal nicht viel. Auf den zweiten Blick gibt es aber sehr wohl zwei Gemeinsamkeiten: Sie alle sind Frauen. Und sie alle sind an etwas schuld, haben etwas falsch gemacht. Das hat die Welt beschlossen. Und was die Welt beschließt, das ist gar nicht mehr so leicht richtigzustellen. Sündenböcke – und die, das hat die Geschichte gezeigt, sind gerne weiblich – sind nun einmal gern gesehen. Über wen soll man denn sonst lästern?

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Das nun erschienene Buch "Geradegerückt" von Beate Hausbichler und Noura Maan (Hrsg.) widmet sich in kurzen Porträts 28 von genau diesen weiblichen Sündenböcken: Frauen, die vorverurteilt, skandalisiert oder verleumdet wurden. Und das Buch versucht sich an einer Rehabilitierung. Denn, da sind sich die Autorinnen sicher, sie alle wurden für Dinge verantwortlich gemacht, für die sie nichts konnten. Für Dinge, die männlichen Kollegen sofort verziehen worden wären. Und sie alle stehen bis heute dafür, wie eine Frau nicht zu sein hat. Drei Beispiele aus dem Buch.

Monica Lewinsky

Ein Präsident hat eine Affäre mit einer Praktikantin, lügt darüber unter Eid, und das Ganze geht 1998 als "Lewinsky-Skandal" und "Monica-Gate" in die Geschichte ein. Eine 22-Jährige schafft es, ein Praktikum im Weißen Haus zu ergattern und wird kurze Zeit später von der halben Welt als Flittchen bezeichnet. Ihr Name wird zum Herrenwitz, und das alles, obwohl der Fokus doch eigentlich auf Bill Clinton liegen müsste. Es waren jedoch ihr Aussehen und ihre früheren Partnerschaften, die von den Medien ausgeschlachtet wurden. Sie war es, die zur Witzfigur in Zeitungscartoons wurde und deren Name heute in fast 200 Rap-Songs vorkommt, wie Noura Maan in ihrem Porträt schreibt. Später bekam die studierte Psychologin Lewinsky Probleme bei der Jobsuche, wie sie erzählte. Immer wieder sei ihr vorgeschlagen worden, ihren Namen zu ändern. Ihre Reaktion darauf in einem Interview 2019: "Niemand hat Bill Clinton jemals gefragt, ob er seinen Namen ändert."

Yoko Ono

Nach dieser Sündenböckin wurde sogar ein Effekt benannt: Der Yoko-Ono-Effekt bezeichnet das Eindringen eines Fremdlings, eines Störenfrieds, in eine bis dahin harmonische Gruppe. Denn auch heute, mehr als 50 Jahre nach der Trennung der Beatles, hält sich hartnäckig das Gerücht, dass die Freundin und spätere Frau von John Lennon schuld war an der Auflösung der Band. Dabei haben drei der vier Beatles öffentlich immer wieder beteuert, dass dies nicht der Wahrheit entspreche. Ono wurde, so schreibt es Selina Thaler in ihrem Porträt, zur "Hexe", zur "dämonischen Verführerin". Ihr eigenes Schaffen, ihre Kunst, ihre Performances, blieben stets im Schatten der Beatles. Oder, wie Lennon es einmal sagte: "Sie ist die berühmteste unbekannte Künstlerin der Welt: Jeder kennt ihren Namen, aber niemand weiß, was sie macht."

Serena Williams

Die Autorin Ana Wetherall-Grujic fasst gleich zu Beginn ihres Textes zusammen, welchen Vorwürfen die US-Tennisspielerin Serena Williams immer wieder ausgesetzt war: zu wütend, zu muskulös, zu schwarz. Egal, wie spektakulär ihre Leistungen waren, es waren immer wieder andere Dinge, die im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses standen. In Indian Wells 2001 wurde sie von 15.000 Menschen ausgebuht, ihr Vater und ihre Schwester im Publikum rassistisch beleidigt. Mal war Williams den Kritikern wegen ihrer Muskeln zu maskulin, dann wieder hieß es, ihre Brüste seien viel zu groß. Ein Satire-Magazin schrieb sogar einmal, dass nicht sie, sondern ihr Hintern ein Match gewonnen habe. Dass sie einen Schiedsrichter beim Finale der US Open einen Lügner und Dieb nannte, der ihre Punkte gestohlen habe, kostete sie 17.000 Dollar und den Sieg. Weitaus schlimmere Ausraster männlicher Kollegen in der Tennisgeschichte wurden nicht so hart geahndet.

"Geradegerückt" ist eine spannende Lektüre, die den Leser (und die Leserin) dazu ermuntert, eigenes Schubladendenken zu hinterfragen. Absolute Empfehlung.

Info

Beate Hausbichler und Noura Maan (Hrsg.): Geradegerückt. Vorverurteilt, skandalisiert, verleumdet: Wie Biografien prominenter Frauen verzerrt werden. Kremayr & Scheriau, Wien. 224 Seiten, 24 €

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