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Den Dingen auf den Meeresgrund gehen Heather Nova veröffentlicht "300 Days At Sea"

Songwriterin Heather Nova über Kindheitserinnerungen, soziale Probleme auf den Bermudas, Umweltschutz und die Angst vor Naturkatastrophen.
27.05.2011, 00:00 Uhr
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Von Stefan Woldach

Songwriterin Heather Nova über Kindheitserinnerungen, soziale Probleme auf den Bermudas, Umweltschutz und die Angst vor Naturkatastrophen.

Es passt ziemlich perfekt ins Bild der Künstlerin aus dem kleinen Inselstaat Bermuda, wenn Heather Nova über das Songwriting ihres neuen Albums sagt: "Ich habe viele neue Dinge ausprobiert, denn ich will meine Grenzen weit halten." Klar: Angesichts von Himmel und Wolken, einem unverstellten Blick aufs Meer, lässt es sich dort mit ihrem Mann Felix und dem sechsjährigen Sohn Sebastian sicher angenehm leben. Und wohl auch herrlich kreativ sein. Dass ihr neues Album "300 Days At Sea" heißt, scheint da fast schon logisch. Doch die Idylle trügt ein wenig, wie sich im Gespräch mit der 43-jährigen Songwriterin herausstellt.

teleschau: "300 Days At Sea", das klingt nach einem Leben wie im Paradies. War die Entstehung des Album so entspannt, wie der Titel vermuten lässt?

Heather Nova: Ich schreibe jeden Tag, für mich ist das wie eine Disziplin. Das ist eine Liebe-und-Hass-Beziehung und definitiv kein Urlaubsvergnügen. Es ist, bildlich gesprochen, manchmal ruhig, manchmal stürmisch. Ich weiß nie, ob ich auf meiner Reise ankomme. Es gibt keine Erfolgsformel. Ich kann nur steuern, bis ich irgendwann Land sehe.

teleschau: Es sind diesmal sehr persönliche Geschichten, etwa in "Turn The Compass Round". Worum geht es da?

Nova: Man muss wissen, dass ich auf dem Segelboot meiner Eltern aufwuchs. Die "Moon" war mein Zuhause. Als mein Vater das Boot vor 15 Jahren verkaufte, verlor der neue Eigentümer sie in einem Sturm. Die "Moon" sank vor Bermuda. Als ich letztes Jahr beim Einkaufen war, kam ein Mann auf mich zu und sagte, dass er etwas habe, das er mir schenken wolle. Und er gab mir den Kompass unseres Bootes. Das traf mich wie ein Schlag.

teleschau: Und?

Nova: Ich konnte nur weinen und war überrascht, wie tief mich dieses unerwartete Ereignis berührte. Das brachte mir auf einen Schlag meine ganze Kindheit wieder in Erinnerung. Die Symbolik, dass der Kompass, der unser Leben damals gesteuert hatte, nun wieder da war, ist schon gewaltig. Ich habe ihn meinem Vater geschenkt und schrieb dann dieses Lied.

teleschau: Sie besuchten danach das Wrack der "Moon", sind selbst getaucht. Was für ein Gefühl war das?

Nova: Es brach mir das Herz, das Wrack am Meeresboden zu sehen. Es war wie in ein offenes Grab zu schauen. Dieses Boot hat eine Seele für mich, es brachte mich überall sicher hin, beschützte mich. Mein Vater hat es mit seinen eigenen Händen gebaut. Meine Kindheitserinnerungen auf dem Meeresboden liegen zu sehen, das war schon sehr intensiv.

teleschau: Was für Erinnerungen sind das?

Nova: Ich erinnere mich zum Beispiel noch genau, als mich mein Vater als Kind das erste Mal mit auf unser Boot nahm und wie ich durch die sanfte Dünung einschlief, mit Blick zu den Sternen und dem Klang der Wellen - das war voller Zauber.

teleschau: Weniger Zauber hat ein anderes Thema: Man mag es kaum glauben, aber es gibt auf Bermudas soziale Konflikte und sogar Bandenkriminalität, wie Sie in "Stop The Fire" beschreien. Ist das die dunkle Seite des Paradieses?

Nova: Bermuda ist ein kleiner Inselstaat und wie überall gibt es auch bei uns Probleme. Hier leben sehr reiche, aber auch sehr arme Leute. Und die sehen den Reichtum um sie herum, sehen die Geschäftsmänner, die aus Übersee hierher ziehen, nicht zuletzt, weil Bermuda eine Steueroase ist. So hat sich eine kriminelle Szene entwickelt, es gibt tatsächlich Gangs und zwar sehr gewalttätige! Ich kann dem Thema in einem Lied natürlich kaum gerecht werden, aber ich musste dieses Problem formulieren. Es ist keine Lösung, diese meist jugendlichen Gangs zu inhaftieren, man muss die Ursachen finden. Und die liegen in den Familien und den Schulen. Bildung und Empathie sind der erste Schritt. Ich engagiere mich in unserer Gemeinde sehr für dieses Thema.

teleschau: Nicht nur das: Ein weiteres Anliegen, das Ihnen wichtig ist, ist die Umwelt. Sie achten sehr auf Nachhaltigkeit, Ihr Haushalt und Studio laufen komplett über Solarenergie ...

Nova: Ich finde das selbstverständlich! Es wundert mich eher, dass dieses Thema so vielen Menschen egal ist. Okay, in Städten haben die Menschen vielleicht andere Prioritäten, aber ich lebe nun mal mitten in der Natur. Ich war eine der Ersten, die sich um Solarenergie auf Bermuda kümmerte. So preiswert das Leben bei uns ist - die Strompreise gehören zu den höchsten der Welt. Auf der anderen Seite leben wir auf einem sonnigen Inselstaat. Es macht also Sinn über Solarenergie nachzudenken. Und es fühlt sich großartig an, kein schlechtes Gewissen haben zu müssen, wenn ich den Wäschetrockner anschmeiße. (lacht)

teleschau: Wie dürfen wir uns das vorstellen, wenn Sie schreiben? Mit der Gitarre am Bootssteg und den Füßen im Wasser?

Nova: (lacht) Fast. Ich lebe auf einer sehr kleinen Insel von gerade mal zwei Quadratkilometern, nur meine Familie und ich. In unserem Haus habe ich ein Zimmer, in dem ich schreibe und male. Dort mache ich die Tür hinter mir zu und bin da nur für mich. Und tatsächlich fängt vor meinem Zimmer der Strand an, ich habe das Meer also direkt vor mir.

teleschau: Ihr Haus liegt auf Meeresspiegel-Niveau. Was für Gedanken hatten Sie angesichts des schrecklichen Tsunamis in Japan?

Nova: Wenn so eine Welle käme, dann würde die uns fortspülen! Wir hatten vor ein paar Jahren eine Tsunami-Warnung, zum Glück ein Fehlalarm. Mein Mann rief mich und meinen Sohn ganz aufgeregt in London an und wir hatten schreckliche Angst um ihn. Er wollte alles aufs Hausdach bringen, aber ich riet ihm damals, das Haus sofort zu verlassen und ins Innere der Insel zu flüchten. Er hatte jedoch alles zusammengetragen - meine Manuskripte, Texte, Bilder, selbst unseren Hund. Er hatte alles aufs Dach geschafft. Heute, nach den schrecklichen Bildern aus Japan, ist uns klar, dass unser Haus auch einfach weggespült werden würde.

teleschau: Ihre Texte sind sehr bildlich. Haben Sie je daran gedacht mal eine Filmmusik zu schreiben und tatsächlich Bilder zu untermalen?

Nova: Ich studierte Film auf der Kunsthochschule und bin ein sehr visuell geprägter Mensch. Ja, ich würde liebend gerne einen Soundtrack schreiben. Ich warte nur darauf, dass man mich fragt. (lacht)

teleschau: Welches Gerne wäre Ihnen am liebsten?

Nova: Vermutlich ein französisches Liebesdrama - so ein richtiger 'film noir'. Bei Liebesdramen schmelze ich im Kino immer dahin. Da kann man so wunderbar heulen.

Heather Nova auf Deutschland-Tournee

29.07., Saarbrücken, Garage

14.11., Köln, E-Werk

22.11., Stuttgart, Theaterhaus (am Pragsattel)

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