Die Herbstzeit mit ihrem Fruchtüberfluss ist die Hochzeit der Marmeladenherstellung. Wer nicht weiß, wohin mit all den Körben voller Eierpflaumen oder Beeren aus dem eigenen Garten, sollte sie einfach einkochen und sich den Rest des Jahres beim
Frühstück über das
köstliche Ergebnis freuen.
M armelademachen ist leichter als man denkt und weckt schnell den Erfindergeist. Sabine Weingarten aus Vegesack beispielsweise kommt inzwischen auf gut 100 Rezepte, die sie schon gekocht hat: „Los ging alles damit, dass ich unter meinen Patienten von Friedehorst mobil sehr viele Diabetiker habe, für die es praktisch gar keine vernünftigen Marmeladen gibt.“ Sie fand und erfand Rezepte mit einem Zuckeraustauscher, kochte bald aber auch nach allen Rezepten, die sie bekommen konnte. „Die Anfänge waren furchtbar, weil ich mich noch zu sehr an die vorgegebenen Zeiten gehalten habe. Aber Früchte brauchen unterschiedlich lange, bis sie gelieren. Kirschen sogar mitunter acht Minuten – die machen mich nervös,“ so Sabine Weingarten.
Dafür ist ihre Sauerkirschmarmelade mit und ohne Schuss ein süßsaurer Traum aus dem Glas. Ganz wichtig sei, nur einwandfreie Früchte zu verwenden: „Da darf man nicht großzügig sein, sonst bekommt man sofort einen muffigen Geschmack oder muss gar eine ganze Charge wegwerfen.“ Absolut köstlich – weil ziemlich ungewöhnlich – ist auch ihr Waldmeistergelee. Dafür friert sie den Waldmeister sogar ein und hilft zudem ein bisschen mit Sirup und Apfelsaft für den noch kräftigeren Geschmack nach. Inzwischen wächst der Kreis ihrer Marmeladenfans immer weiter: „Eine Freundin bestellt für ihre vier Kinder regelmäßig vier große Gläser Erdbeermarmelade, und dann braucht auch meine Klöckner-Frühstücksgruppe regelmäßig acht Gläser.“ Mittlerweile hat sie so 20 feste Abnehmer.
Kursus zum Marmeladenkochen
Die Früchte für die Erdbeermarmelade holt sie mit einer Freundin von den Eggestedter Feldern zum Selberpflücken. Die Zutaten für ihre Holunderblütenmarmelade stammen aus Lesumbrook, „wo nicht mehr so viele Autos unterwegs sind“. Eine Freundin ist zuletzt oft dabei gewesen, wenn es Himbeeren oder Blaubeeren sammeln ging. Von der stammt auch das Rezept für eine Rhabarbermarmelade: „Aber das wurde nichts. Sonst klappt das Nachkochen spätestens beim zweiten Mal.“ Auf Basaren und Märkten spioniert sie dementsprechend und probiert bei Kolleginnen der Marmeladenszene: „Auf den Gläsern sind meist die Hauptzutaten angegeben.“
Das ist dann allerdings schon etwas für fortgeschrittene Marmeladenherstellerinnen. Bei Kathrin Sebastian in Schwachhausen hingegen kann man zusammen mit anderen Anfängern am 13. Oktober das nächste Mal in einem Kursus lernen, wie man selbst Marmeladen kocht. Im Topf köcheln schnell makellos saubere Eierpflaumen in einem Schluck Apfelsaft. Die dunkle Schale löst sich auf und färbt den vorher grüngelben Kern in ein tiefes Rot. „Die Pflaumen brauchen als Früchte länger, bis sie zerkochen. Himbeeren und Erdbeeren reagieren da viel schneller auf die Hitze,“ erklärt die studierte Ernährungswissenschaftlerin.
Kurz vor ihrem jüngsten Kursus hat sie noch Tomatenmarmelade gekocht, um zu zeigen, dass sich fast alles in Marmeladen verwandeln lässt. Zwischendurch gibt es Sanddornmarmelade, eine Erdbeer- sowie eine Heidelbeermarmelade zu probieren. Wie so oft bei den selbst gemachten Marmeladen schmecken alle viel fruchtiger als Industriemarmeladen aus dem Supermarkt. „Da ist ja auch viel mehr Frucht drin“, kommentiert Kathrin Sebastian. Der Hit ist die Apfel-Rosmarinmarmelade, Jahrgang 2009. Die Gründerin der Kochschule „genussreich“ in der Hohenlohestraße liefert dazu sofort die Erklärung: „Die Marmelade hat schon fast die dunkle Farbe von Waldhonig. Das Rosmarin braucht bei dieser Sorte, um sich durchzusetzen.“
Aber das ist schon wieder eher die hohe Schule und zurück geht es an die erste selbst gemachte Pflaumenmarmelade mit einer Zuckerwarnung von Kathrin Sebastian: „Nie die volle Menge Zucker des Rezeptes auf einmal einfüllen. Die Angaben sind oft für Kinder gemacht, und die mögen es möglichst süß.“ Zwanzig Minuten hat es gedauert, bis die 500 Gramm Pflaumen auch ohne den Pürierstab vollkommen zerkocht sind. Ein halber Beutel Geliermittel ist die weitere Zutat. Von den 250 Gramm Zucker aus dem Rezept gehen knapp 50 letzten Endes nicht in den Topf. Wann die Marmelade dickflüssig genug geliert ist, zeigt die Dozentin, indem sie mit dem Finger über den Löffelbauch fährt: „Läuft die Marmelade noch in Schlieren zusammen, ist sie noch nicht gut.“
Überraschungs-Pakete
Dann wird eingefüllt. Kathrin Sebastian hat auch noch die klassischen kleinen Einmachgläser aus Großmutters Zeiten in der Küche, rät aber, einfach über das Jahr kleine Gläser mit Schraubverschluss zu sammeln. Mit Kelle und einem kleinen Spezialtrichter füllt sie die Gläschen voll, verschließt sie, stürzt sie und stellt sie auf den Kopf: „Das hat den Effekt im Glas, dass sich ein Unterdruck bildet und der Deckel besser schließt.“ Außerdem sterilisiert die kochende Marmelade den oberen Rand des Glases. Dann muss das Werk abkühlen, und vor dem Tschüss gibt es noch den Tipp, dringend an die Beschriftung zu denken: „Sonst hat man schnell Chaos in der Speisekammer.“
David Zacharias ist auch gerade mit Etiketten für Marmeladen beschäftigt, als er die Tür zu „Daily Marmelade“ auf dem Teerhof öffnet. Im Jahr 2007 hatten er und seine WG-Mitbewohner Malte Legenhausen und Marco Stelle die Idee, für ihre selbst gebaute Internetplattform auch mal ein Produkt zu finden: „In der WG-Zeit frühstückte man zusammen, und da standen fünf Marmeladen auf dem Tisch.“ Die Idee zu einem Internet-Marmeladen-Abo und damit zu einer einzigartigen Bremer Erfolgsgeschichte war geboren: Für 23,70 Euro inklusive Versand erhält der Abonnent drei Monate lang alle vier Wochen ein Glas Manufaktur-Marmelade mit Überraschungsinhalt. Einige Zehntausend Kunden haben die Bremer inzwischen in der Kartei.
Ihre Marmeladenherstellerin aus Berlin musste angesichts der Bestellzahlen bald aufgeben. Die drei heute 29 Jahre alten Marmeladen-Broker fanden jedoch mit der Manufaktur Lucullus in Hövelhof neue Zulieferer, mit denen sie bis heute neue Kreationen aushecken: „Wir haben so etwa 75 Marmeladen im Jahr. Unsere Kunden geben natürlich schon an, ob sie etwa Allergiker sind und zu welchem Marmeladentyp sie sich zählen, und wir überraschen sie dann.“ Es kommt vor, dass Gebissträger die Sorten mit Kernen für sich ausschließen oder bestimmte Zutaten nicht gewünscht sind.
Der Typ Klassiker will die puren Früchte, weiß David Zacharias, der Geistreiche nimmt die Frucht mit dem Schuss Alkohol, der Genießer wird mit Kreationen wie Kirsche-Edelbitterschokolade überrascht. Für den Entdecker darf es dann auch Sanddorn-Ingwer oder Kiwi-Mango-Marmelade sein. „Einer unserer Kollegen ist praktisch süchtig nach Pflaume-Marzipan,“ verrät Zacharias. Auch dem jungen Mann zuliebe soll es ab Oktober nicht nur Überraschungspakete per Post geben: „Wir haben so viele Nachfragen nach speziellen Sorten. Ab Oktober kann man sich bei uns online jetzt auch gezielt Marmeladen bestellen.“