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Stadttheater Bremerhaven Geschichte einer selbstzerstörerischen Liebe

Mit makellosem Gesang und darstellerischer Intensität überzeugt nicht nur Victoria Kunze in der Opern-Inszenierung "Breaking the Waves". Das Werk basiert auf dem gleichnamigen Film von Lars von Trier.
07.05.2023, 17:11 Uhr
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Von Wolfgang Denker

Mit der deutschen Erstaufführung der Oper „Breaking the Waves” von der amerikanischen Komponistin Missy Mazzoli präsentierte das Stadttheater Bremerhaven eine Besonderheit. Das 2016 in Philadelphia uraufgeführte
Werk basiert auf dem gleichnamigen Film von Lars von Trier. Die Handlung spielt in den 1970er-Jahren in einem schottischen Dorf. Jan arbeitet auf einer Bohrinsel und ist nach einem Unfall querschnittsgelähmt. Er fordert seine Frau Bess auf, mit anderen Männern zu schlafen und ihm davon detailliert zu berichten. Er behauptet, nur so
könne er am Leben bleiben. Aus tiefer Liebe zu Jan kommt Bess diesem ungeheuren Ansinnen nach. Das endet mit einer für Bess tödlichen Massenvergewaltigung.

Es geht also ganz schön zur Sache, auch sprachlich zeigt sich das Libretto bei der Ausschmückung sexueller Phantasien keinesfalls prüde. Aber vor allem geht es um die Psyche von Bess. Ihre Seele ist inmitten
einer strengen und unbarmherzigen, von der Kirche geprägten Männergesellschaft gestört. Bess ist tief religiös, aber auch etwas naiv. Bei ihren Selbstgesprächen mit Gott zeigt sie auch schizophrene Züge.

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Die Musik von Missy Mazzoli transportiert die vordergründige Handlung in eine andere ästhetische Ebene. Die Bremerhavener Philharmoniker sind zwar nur kammermusikalisch besetzt, können aber auch, etwa bei der
Schilderung der aufgewühlten See, gewaltige Klangfluten hervorzaubern. Der mitunter an Filmmusik erinnernde Duktus der Musik ist sinnlich, farbig und emotional. Sphärische, manchmal auch bedrohliche Klänge wechseln mit dramatischen Ausbrüchen. Marc Niemann gestaltet die Musik mit sehr viel Herzblut und lässt sie zu einem unmittelbar berührenden Ereignis werden.

Die Inszenierung von Toni Burkhardt ist rundum ein Volltreffer. Die engstirnige, fremdenfeindliche Atmosphäre in der Kirchengemeinde ist zum Greifen präsent. Und alle Charaktere werden punktgenau charakterisiert, allen voran natürlich Bess mit ihren fragilen Seelenzuständen. Aber auch die mitfühlende Schwägerin Dodo (Boshana Milkov), die verhärtete Mutter(Signe Heiberg) oder der Krankenhausarzt (Andrew Irwin) bekommen ihr markantes Profil. Jan liegt im 2. Akt überwiegend im Krankenbett, aber am Ende (bei der Seebestattung von Bess) gibt Marcin Hutek dem wieder genesenen Jan expressive Präsenz.

Im Zentrum des eindrucksvollen Bühnenbilds von Wolfgang Kurima Rauschning steht ein Stahlgerüst mit drei ineinander verkanteten, verschiedenfarbig aufleuchtenden Stahlkreuzen. Zusammen mit den Projektionen gewaltiger Meereswellen ist das ein perfekter Rahmen für die Szenen auf der Bohrinsel. Die Riesenpartie der Bess wird von Victoria Kunze überragend gestaltet. Mit ihrem makellosen Sopran und ihrer darstellerischen Intensität vollbringt sie eine Leistung der Superlative, die mit frenetischem Beifall bedacht wird. Die Komponisten Missy Mazzoli und ihr Librettist Royce Vavrek dürften mit dieser Aufführung sehr zufrieden sein.

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