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Lebensraum Tiefsee Nicht nur Schwämme sind für Überraschungen gut

Fische mit riesigen Augen, Schwarze Raucher: Die Tiefsee steckt voller Überraschungen. Das jüngste Beispiel liefern Schwämme, die am Meeresgrund Spuren hinterlassen.
11.05.2021, 05:00 Uhr
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Nicht nur Schwämme sind für Überraschungen gut
Von Jürgen Wendler

Von den Lebensräumen auf der Erde, in denen sich Tiere angesiedelt haben, ist die Tiefsee der größte. Meere bedecken 71 Prozent der Erdoberfläche und sind im Mittel etwa 3800 Meter tief. Als Tiefsee werden die weitgehend oder völlig lichtlosen Bereiche bezeichnet, das heißt die Bereiche, in die kein Sonnenlicht vordringt. Oft sprechen Wissenschaftler bereits bei Tiefen von mehr als 200 Metern von Tiefsee. Manchmal wird die Grenze aber auch tiefer gezogen, nämlich bei etwa 800 oder gar 1000 Metern. Forscher haben in den vergangenen Jahrzehnten in den Tiefen des Meeres eine Fülle von verblüffenden Entdeckungen gemacht, und für Überraschungen ist dieser Lebensraum auch weiterhin gut, wie nicht zuletzt kürzlich vorgestellte Erkenntnisse über Schwämme zeigen.

Noch Mitte des 19. Jahrhunderts vertraten Meeresforscher die Auffassung, dass es in Wassertiefen von mehr als 500 Metern kein Leben geben könne. Dieser Schluss lag wegen der lebensfeindlichen Bedingungen in der Tiefe nahe, das heißt unter anderem wegen der Dunkelheit und des hohen Drucks. Alle zehn Meter steigt der Wasserdruck um ein bar, also um ein Kilogramm pro Quadratzentimeter. Das Fehlen von Sonnenlicht hat zur Folge, dass sich in der Tiefe keine Pflanzen entwickeln können.

Fische wachsen langsam

Weil das Nahrungsangebot geringer ist als in anderen Bereichen des Meeres, wachsen Tiefseefische in der Regel sehr langsam. Von Granatbarschen zum Beispiel wird angenommen, dass sie ein Alter von weit mehr als 100 Jahren erreichen können. Geschlechtsreif sind sie vermutlich erst mit etwa 30 Jahren. Zu den Besonderheiten zahlreicher Tiefseebewohner gehören außerdem große Augen. Sie hängen mit der Größe der Sehzellen zusammen, die besonders lichtempfindlich sind.

Auf Oasen des Lebens stießen Wissenschaftler bei sogenannten Schwarzen Rauchern, das heißt in Gebieten am Meeresgrund, in denen zum Teil mehrere Hundert Grad Celsius heiße Flüssigkeit mit aus dem Untergrund gelösten Stoffen austritt; die Schlote werden aus abgelagertem Material gebildet. Mikroorganismen nutzen die chemische Energie der heißen Lösungen für ihren Stoffwechsel. Nahrung finden aber auch Würmer und andere Tiere. Die Schwarzen Raucher, die auch als hydrothermale Quellen bezeichnet werden, entstehen in von vulkanischen Aktivitäten geprägten Gebieten, so etwa am Mittelatlantischen Rücken.

Schwämme hinterlassen Spuren

Tiere gibt es erwiesenermaßen seit einigen Hundert Millionen Jahren. Wann genau die ersten Tiere auftraten und wie sie aussahen, ist allerdings eine Frage, die Forscher nach wie vor beschäftigt. So wird angenommen, dass zu den frühesten Vertretern des Tierreichs Schwämme gehörten. Schwämme kommen heute in vielen Tausend Arten vor. Bislang standen sie im Ruf, sessil zu leben, wie Biologen sagen. Das heißt: Man ging davon aus, dass sie an einen bestimmten Ort gebunden und darauf angewiesen sind, Nahrung aus dem Wasser in ihrem unmittelbaren Umfeld aufzunehmen.

Eine Gruppe um Teresa M. Morganti vom Bremer Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie und Autun Purser vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven hat kürzlich im Fachjournal „Current Biology“ Erkenntnisse veröffentlicht, die das Bild von fest an bestimmte Orte gebundenen Schwämmen relativieren. Danach hinterlassen Schwämme in der arktischen Tiefsee Spuren am Meeresgrund. Die Tiere und ihre Spuren sind auf Bildern zu sehen, die ein Kamerasystem während einer Expedition mit dem Forschungseisbrecher „Polarstern“ im Jahr 2016 etwa 350 Kilometer vom Nordpol entfernt aufgenommen hatte. „Wir schließen daraus, dass die Schwämme sich aktiv über den Meeresboden bewegt haben könnten“, erklärte Teresa M. Morganti. Obwohl die Tiere weder ein Nervensystem noch Fortbewegungsorgane besitzen, wären sie demnach in der Lage, sich in einem Jahr um wenige Zentimeter aktiv fortzubewegen. Dank welcher Mechanismen ihnen dies gelingen könnte, ist ungeklärt.

Große Artenvielfalt

Dass die Artenvielfalt in der Tiefsee wesentlich größer ist als lange Zeit angenommen, legt eine Studie nahe, die eine Forschergruppe um Alexandra Schönle und Professor Hartmut Arndt von der Universität Köln kürzlich im Fachjournal „Communications Biology“ vorgestellt hat. Die Wissenschaftler haben Datenmaterial ausgewertet, das Aufschluss über das Leben im Bereich großer Tiefseeebenen des Atlantischen und Pazifischen Ozeans gibt. Wie sich herausgestellt hat, sind diese Gegenden unter anderem die Heimat einer großen Vielfalt an einzelligen Wimper- und Geißeltierchen.

Zur Sache

Pioniere der Tiefseeforschung

Anhaltspunkte dafür, dass sich in der Tiefsee trotz der Extrembedingungen Lebewesen behaupten können, lieferte Ende des 19. Jahrhunderts eine deutsche Expedition. Bei ihrer Reise mit dem Forschungsschiff „Valdivia“ gewannen die Wissenschaftler neue Erkenntnisse über das Leben im Atlantischen und Indischen Ozean. Im Jahr 1960 tauchten der Schweizer Meereskundler Jacques Piccard und sein US-amerikanischer Kollege Don Walsh mit dem Tauchboot „Trieste“ in den pazifischen Marianengraben hinab, wo sich mit etwa 11.000 Metern nach bisherigem Kenntnisstand die tiefste Stelle des Weltmeeres befindet. Seither ist klar, dass es selbst in den tiefsten Bereichen des Ozeans Leben gibt.

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