Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Die Botschaften der Stimme Menschen ziehen Rückschlüsse auf Persönlichkeit und Gefühle

Jeder Mensch verfügt über eine einzigartige Stimme. Dass sich an ihr beziehungsweise ihrem Klang einiges ablesen lässt, unterstreichen unter anderem kürzlich veröffentlichte Forschungsergebnisse.
08.06.2021, 00:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Menschen ziehen Rückschlüsse auf Persönlichkeit und Gefühle
Von Jürgen Wendler

Bei Begegnungen mit bislang unbekannten Personen dauert es nur Sekunden, bis Menschen ein erstes Urteil über diese gefällt haben, das heißt bis sie diese zum Beispiel als vertrauenswürdig, attraktiv oder unsympathisch einstufen. Wissenschaftler haben nachgewiesen, dass dabei neben dem Gesicht auch die Stimme eine Rolle spielt. Doch was genau verrät die Stimme? Lässt sie tatsächlich Rückschlüsse auf die Persönlichkeit eines Menschen zu? Welche Stimmen machen auf andere Menschen einen besonders starken Eindruck? Und welche Verbindungen werden zwischen den Lautäußerungen und den Gefühlszuständen einer Person gezogen? An wissenschaftlichen Antworten auf diese Fragen mangelt es nicht, wie unter anderem kürzlich veröffentlichte Studien zeigen.

"Auch wenn wir nur die Stimme hören – zum Beispiel am Telefon –, wissen wir ziemlich schnell, ob wir mit einem Mann, einer Frau, einem Kind oder einer älteren Person sprechen. Wir nehmen wahr, ob die Person interessiert, freundlich, traurig, nervös klingt und ob sie eine attraktive Stimme hat." Mit diesen Worten verdeutlicht die Psychologin Julia Stern von der Universität Göttingen, auf welcher Grundlage sie und ihre Kollegen angefangen haben, der Frage nach möglichen Zusammenhängen zwischen der Stimme und der Persönlichkeit nachzugehen. Schließlich neigen Menschen auch dazu, aus der Stimme Rückschlüsse auf den Charakter zu ziehen, etwa darauf, ob jemand vertrauenswürdig oder besonders dominant ist.

Informationen zur Persönlichkeit

Für ihre Studie, deren Ergebnisse sie im "Journal of Research in Personality" veröffentlicht haben, haben die Göttinger Wissenschaftlerin und ihre Mitautoren Daten zu mehr als 2200 Personen aus verschiedenen Ländern analysiert. Die Teilnehmer füllten Fragebögen aus, die Aufschluss über ihr Sexualverhalten und ihre Persönlichkeit gaben, das heißt: Die Forscher konnten anhand der gesammelten Daten unter anderem einschätzen, wie dominant, extravertiert – also aufgeschlossen und kontaktfreudig –, offen, umgänglich und gewissenhaft die Studienteilnehmer waren. Darüber hinaus machten sie sich Tonaufnahmen von deren Stimmen zunutze; die genauen Tonhöhen der jeweiligen Stimme wurden mithilfe eines Computerprogramms ermittelt.

"Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Menschen tatsächlich einige Aspekte ihrer Persönlichkeit mit ihrer Stimme auszudrücken scheinen", erklärt Julia Stern. So sind Menschen mit tieferen Stimmlagen der Studie zufolge dominanter, extravertierter und häufiger an Sex außerhalb einer Beziehung interessiert. Bei anderen Eigenschaften wie etwa Umgänglichkeit oder Gewissenhaftigkeit ließen sich hingegen keine Anzeichen für einen Zusammenhang mit der Stimmlage feststellen. Außerdem scheint es, was den Zusammenhang zwischen Stimme und Persönlichkeit angeht, nach den Erkenntnissen der Forschergruppe keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen zu geben.

Dass die Stimme und Lautäußerungen wie Schreie, Seufzen, Stöhnen oder Lachen Informationen über die Gefühlslage liefern können, gehört zu den Alltagserfahrungen von Menschen. "Stimmen sind hörbare Stimmungen", erklärt der Philosoph und Pädagoge Andreas Tenzer. Sie sagen etwas über Emotionen wie Furcht, Angst, Freude, Ärger oder Wut aus. Sie vermitteln Botschaften, und diese können Mitmenschen helfen, sich selbst richtig zu verhalten – sei es im Umgang mit demjenigen, der die Botschaft vermittelt, oder zum Beispiel einer gefährlichen Situation.

Von Emotionen ist bekannt, dass sie unterschiedlich stark sein können. So kann beispielsweise die Intensität von Furcht abhängig von der Art der Bedrohung schwanken. Um ein Beispiel zu nennen: Bei der Furcht vor Katzen macht es emotional einen Unterschied, ob es sich um eine Haus- oder eine große Raubkatze handelt. Vor diesem Hintergrund liegt der Gedanke nahe, dass Emotionen umso leichter von anderen Menschen erkannt werden können, je größer ihre Intensität ist. Die Wirklichkeit ist allerdings komplizierter, wie eine Forschergruppe um die Neurowissenschaftlerin Natalie Holz vom Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik in Frankfurt am Main im Fachjournal "Scientific Reports" zeigt.

Unterschiedlich starke Emotionen

Die Wissenschaftler haben verschiedene Lautäußerungen gesammelt, die Emotionen unterschiedlicher Intensität ausdrücken, und dann untersucht, wie diese von Studienteilnehmern wahrgenommen wurden. Wie sich herausstellte, führte eine steigende Intensität zunächst dazu, dass andere Menschen die Emotionen besser erkennen konnten. Bei besonders starken Emotionen nahm diese Fähigkeit jedoch ab. Nun fiel es den Studienteilnehmern schwerer, Emotionen richtig zu deuten, also zum Beispiel zu erkennen, ob es sich bei ihnen um einen Ausdruck von Überraschung oder Triumph handelte. Natalie Holz erklärt dieses Ergebnis damit, dass es bei besonders starken Emotionen möglicherweise in erster Linie darauf ankommt, die Intensität zu erkennen und gegebenenfalls selbst in eine Alarmstimmung versetzt zu werden. Feinheiten spielten in solchen Fällen keine entscheidende Rolle.

Für das alltägliche Miteinander von Menschen ist von großer Bedeutung, dass die Beteiligten wissen, mit wem sie es zu tun haben, und sprachliche Botschaften oder andere Lautäußerungen verstehen. Auch das Gesicht beziehungsweise die Mimik können Anhaltspunkte liefern, die ein angemessenes Verhalten ermöglichen. Dies macht sich nach den Erkenntnissen von Hirnforschern nicht zuletzt darin bemerkbar, dass ständig Informationen zum Gesicht und zur Stimme verbunden werden, wenn Menschen mit anderen sprechen. Hirnbereiche, die für das Erkennen von Gesichtern und Stimmen eine Rolle spielen, sind demnach unmittelbar miteinander verknüpft.

Dass die Stimme helfen kann, auf andere Menschen Eindruck zu machen, haben in den vergangenen Jahren unter anderem Susan Reh und Professor Niels Van Quaquebeke von der Kühne Logistics University in Hamburg gemeinsam mit ihrem Mitautor Professor Steffen R. Giessner von der Erasmus Universität Rotterdam in einem Fachartikel zum Thema Charisma deutlich gemacht. Als charismatisch gelten Persönlichkeiten, die über eine besonders große Ausstrahlungskraft verfügen. Die Geschichte ist reich an Beispielen für solche Persönlichkeiten. So wurde Nelson Mandela (1918 bis 2013) wegen seines Kampfes für ein an Gleichheit und sozialer Gerechtigkeit orientiertes Staatswesen in Südafrika für viele Menschen in aller Welt zu einem moralischen Vorbild. Eine vergleichbare Ausstrahlungskraft hatte Mahatma Gandhi (1869 bis 1948) mit seinem Bekenntnis zum gewaltfreien Widerstand und seinem Einsatz für die Befreiung Indiens von der britischen Kolonialherrschaft. Dass Charisma auch auf andere, sehr viel einfachere Weise entstehen kann, haben Susan Reh und ihre Mitautoren gezeigt. Nach ihren Angaben können die Größe eines Menschen, die Struktur seines Gesichts oder seine Stimme dazu führen, dass ihm Charisma bescheinigt wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand als charismatisch wahrgenommen werde, steige, wenn er groß sei, ein markiges Gesicht und eine tiefe Stimme habe.

Zur Sache

Jeder Mensch klingt anders

Schall entsteht durch Vibrationen, beispielsweise von Stimmlippen oder einer Lautsprechermembran. Dadurch werden Moleküle in Bewegung versetzt. Für die Luft bedeutet das, dass sich Bereiche mit mehr oder weniger hohem Luftdruck abwechseln. Mit diesem raschen Wechsel von dichten und weniger dichten Bereichen ähnelt der Schall einer Welle. Die Tonhöhe hängt davon ab, wie oft die Welle in einer Sekunde schwingt, das heißt welche Frequenz der Schall hat. Menschen können Schallfrequenzen bis zu etwa 20.000 Schwingungen pro Sekunde wahrnehmen, Hunde hingegen Frequenzen bis zu 40.000 Schwingungen beziehungsweise Hertz. Mit diesem Begriff wird die Einheit für die Frequenz bezeichnet. Sie ist nach dem deutschen Physiker Heinrich Hertz (1857 bis 1894) benannt worden. Menschen verdanken ihre Fähigkeit zu sprechen, also Schallwellen zu erzeugen, der Tatsache, dass aus der Lunge ausströmende Luft die beiden Stimmlippen im Kehlkopf in Schwingungen versetzt. Wie schnell sie schwingen, hängt davon ab, wie gespannt beziehungsweise entspannt sie sind. Eine höhere Spannung führt zu einem höheren, eine niedrigere zu einem tieferen Ton. Dass sich die Größen des Kehlkopfs bei Menschen unterscheiden, bedeutet zugleich, dass unterschiedlich hohe Grundtöne erzeugt werden. Auch beim Rachen sowie der Mund- und Nasenhöhle, die als Resonanzraum dienen, gibt es erhebliche individuelle Unterschiede. Sie tragen ebenfalls dazu bei, dass jede Stimme einen einzigartigen Klang hat.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)