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Romancier Åke Edwardson verstößt gegen Krimi-Regel Wer das Gesetz der Serie bricht

Bremen. Wenn schwedische Kriminalschriftsteller ihre Ankündigung, einen Serienhelden nach zehn Folgen in den Ruhestand zu schicken, nicht realisieren, droht eine nationale Literaturkrise. Denn in Schweden hat der Dekalog eine Tradition, gegen die der Romancier Åke Edwardson jetzt verstoßen hat.
28.02.2014, 13:40 Uhr
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Wer das Gesetz der Serie bricht
Von Hendrik Werner

Es ist üblich, dass Sänger wie Howard Carpendale aus Kalkül oder Langeweile von einem Rücktritt zurücktreten – und dann im Rahmen einer sogenannten Comebacktour weiterknödeln. Wenn aber schwedische Kriminalschriftsteller ihre Ankündigung, einen Serienhelden nach zehn Folgen in den Ruhestand zu schicken, nicht realisieren, droht eine nationale Literaturkrise. Denn in Schweden hat der Dekalog eine Tradition, gegen die der Romancier Åke Edwardson jetzt verstoßen hat.

Das Gesetz der Serie verheißt im Genre des Kriminalromans oft Erfolg. Zumal in Schweden, jener Weltgegend, das die literarische Disziplin „Morden im Norden“ kultiviert hat wie kein anderes skandinavisches Land. Seit die sozial engagierten Altmeister Maj Sjöwall (Jahrgang 1935) und Per Wahlöö (1926-1975) ihren staatskritischen „Roman über ein Verbrechen“ (1965-1975) um Kommissar Martin Beck auf zehn Bände streckten, eifern ihnen Autoren nach, was die Fallanzahl angeht.

So ergriff der Dekalog-Wahn zunächst Håkan Nesser, der die Ermittlungsanzahl seines Fahnders Van Veeteren auf zehn Fälle begrenzte, bevor er mit Gunnar Barbarotti einen neuen Schnüffler ersann. Ähnlich steht es um Henning Mankells Kommissar Kurt Wallander (wenngleich die genaue Anzahl schierer Roman-Fälle durch Erzählungen und vereinzelte Gastspiele der Ermittlertochter Linda umstritten ist).

Auch Stieg Larsson hatte seine „Millennium“-Trilogie ursprünglich auf zehn Folgen konzipiert. Thema des besessenen Aufklärers Larsson, der 2004 im Alter von 50 Jahren einem Herzinfarkt erlag, war jene fatale Leere, die der Abschied vom Sozialstaat hinterlassen hatte. Damit schrieb sich der sendungsbewusste Larsson der sozialpolitisch wohl wirkungsmächtigsten Literaturtradition Schwedens ein. Die Trilogie, mithin der verhinderte Dekalog, atmet den den Aufdeckungsfuror von Wahlöö und Sjöwall. Indizien für die Nähe zu den vormals führenden Sozialkritikern sind literarische Schmähungen von Polizei und Politikern.

Nicht nur im Fall von Larsson, den der Tod vom Zehnteiler abhielt, scheitern schwedische Krimiautoren ein ums andere Mal aus unterschiedlichen Motiven an der selbstauferlegten numerischen Vorgabe. So schrieb Arne Dahl zehn Bände über eine A-Team genannte Polizeispezialeinheit; „Bußestunde“, die letzte Lieferung erschien 2013. Doch bereits 2012 hatte er auf Druck von Lesern und Verlag mit dem Titel „Gier“ eine weitere Serie begonnen, die insofern alter Wein in neuen Schläuchen war, als etliche vormalige Serienfiguren in die vorgeblich neue Reihe wechselten.

Wenn man ein Auge zudrückt, hat es wenigstens Liza Marklund mit ihrer Reihe um die investigative TV-Journalistin Annika Bengtzon vermocht, die Dekalog-Auflage zu erfüllen; doch auch ihr, Mankell vergleichbar, entrang sich eine Bengtzon-Erzählung, die eine korrekte Zählung problematisch macht. Helene Tursten, die anfangs auch mit der Beschränkung auf zehn Fälle geliebäugelt hatte, schickte Inspektorin Irene Huss bereits in elf Romanen (nebst einer Erzählung) auf Mörderhatz.

Der wie Tursten aus Göteborg stammende Åke Edwardson hat ebenfalls das Gesetz der Serie ausgehebelt: Eigentlich sollte – Nomen est Omen – „Der letzte Winter“, Ende 2009 erschienen, der zehnte und letzte Fall für seinen Ermittler Erik Winter sein. Doch Fans des Fahnders wollen ihren Helden nicht missen – und haben Edwardson bekniet, noch einen Winter nachzulegen. Jetzt ist bei Ullstein „Das dunkle Haus“ erschienen, elfter Band der Reihe; legitimatorisch bemäntelt mit der Behauptung, der ausgebrannte Winter habe eine „zweijährige Auszeit“ genommen.

Es wäre wünschenswert, dass die greise Maj Sjöwall ein Machtwort spricht, um den numerischen Nachruhm nicht zu gefährden – und der Sittenverlotterung auf dem schwedischen Buchmarkt Einhalt zu gebieten. Umso mehr, als Edwardson, dieser Howard Carpendale unter den alternden Schweden, schon 2009 zu Protokoll gab, das Beenden der Serie würde ihn erleichtern. Zwar habe er Angst vor der Trennung von Erik Winter, doch die Figur sei „auserzählt“. Nach dieser bigotten Äußerung weiß man zu würdigen, dass Autoren wie Håkan Nesser wissen, wann Schluss ist.

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