Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Wie geht das?: Totensonntag "Flammende Gerichtspredigten wird man heute nicht mehr hören"

Neugierige Fragen nach dem Wie, Warum, Weshalb: Das ist nicht nur etwas für Kinder. Unsere Serie "Wie geht das?" schnuppert in unterschiedliche Bereiche hinein.
19.11.2022, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Alexandra Knief

Herr Kreutz, Warum feiern wir den Totensonntag und seit wann?

Stephan Kreutz: König Friedrich Wilhelm III. von Preußen war es, der 1816 verfügt hat, dass man am Sonntag vor dem ersten Advent der Toten gedenkt. Nach den Befreiungskriegen gegen Napoleon gab es damals viele Tote zu beklagen und auch der Tod seiner wenige Jahre zuvor gestorbenen Frau, Königin Luise, mag den König dazu bewegt haben. Außerdem feierten katholische Christen schon lange ein Totengedenken am 2. November, dem Feiertag Allerseelen, da hatten die Protestanten gewissermaßen Nachholbedarf.

Hat sich die Art und Weise, wie der Tag begangen wird, im Laufe der Zeit geändert?

Was sich bewährt hat, tröstet und stärkt, das hat Bestand. So gehen heute wie damals viele Menschen auf den Friedhof, bringen Blumen zu den Gräbern und zünden Lichter an. Geändert hat sich die inhaltliche Ausrichtung der Gottesdienste. Flammende Gerichtspredigten wird man heute nicht mehr hören, dafür die gute Nachricht von einem liebenden und vergebenden Gott, bei dem wir Menschen nach dem Tod geborgen sind.

Lesen Sie auch

Warum sagen einige Menschen „Ewigkeitssonntag“?

Der Blickwinkel macht’s: Der Totensonntag blickt eher zurück und erinnert an das Leben der Verstorbenen. Der Ewigkeitssonntag blickt nach vorne und weiß die Toten in Gottes Hand geborgen. Dort, wo nach christlicher Lehre alles Leben seinen Anfang und sein Ende hat. Weil beides wichtig ist, trägt der Gedenktag beide Namen.

Warum ist der Totensonntag der letzte Sonntag im Kirchenjahr?

Bei den Themen Abschied und Tod geht es um die „letzten Dinge“. So nennt es die christliche Tradition. Da macht es Sinn, dass das Kirchenjahr mit diesen Themen endet. Mit dem 1. Advent eine Woche später beginnt es wieder neu und wie könnte es anders sein: mit der Ankündigung einer Geburt. Da spiegelt sich der Kreislauf des Lebens.

Eigentlich sollte man vor dem Totensonntag die Weihnachtsdeko im Schrank lassen. Ist das heute noch zeitgemäß?

Ich würde empfehlen, es mal auszuprobieren. Jahreszeiten und Feste ganz bewusst zu gestalten, hat einen besonderen Reiz. Die dunkle Jahreszeit mit den schwierigen Themen Abschied und Tod auszuhalten und dann nacheinander im Advent die Kerzen anzuzünden, das Licht sozusagen wachsen zu lassen, bis dann am Weihnachtsfest der ganze Baum erstrahlt – das ist keine alte Regel, sondern eine bewusste und liebevolle Choreografie, die Kindern und Erwachsenen viel Freude machen kann. Auf Knopfdruck immer schon die volle Beleuchtung zu haben, finde ich dagegen langweilig.

Lesen Sie auch

Gibt es ähnliche Totengedenktage auch in anderen Ländern und Religionen?

Wo gelebt wird, wird auch gestorben und der Toten gedacht. Das verbindet uns Menschen auf der ganzen Welt. Und so verschieden wir sind, so verschieden sind auch die Bräuche. In vielen Ländern Afrikas und Lateinamerikas zum Beispiel wird mit Tanz und Jazz-Musik der Toten gedacht. Sie leben ja weiter im Jenseits, so ist man überzeugt, und möchte es sich mit den Toten nicht verscherzen.  Da auch die christliche Hoffnung fest darauf vertraut, dass die Toten bei Gott geborgen sind, könnten auch unsere Abschieds- und Gedenkfeiern bunter und festlicher sein, meine ich. Da ist – im wahrsten Sinne des Wortes - viel Luft nach oben.

Die Fragen stellte Alexandra Knief. 

Zur Person

Stephan Kreutz

ist Pastor in der evangelischen Gemeinde Unser Lieben Frauen in der Bremer Innenstadt.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)