Bramstedt. Ein leerer Raum, zwei kleine Tische, ein bisschen weiße Farbe – und vier Dartboards. So ging es damals los beim TSV Bramstedt. In dem leer stehenden Clubraum am Bramstedter Fußballplatz hatten sich im April 2017 im Rahmen einer Vorstandssitzung die Spartenleiter zusammengefunden, um zu überlegen, wie man dem allgemeinen Mitgliederschwund entgegenwirken kann. Es war schließlich Timm Münchhoff, Spartenleiter der Jiu-Jitsu-Abteilung, der den entscheidenden Impuls gab: "Wieso machen wir nicht mal was mit Dart?"
Irgendwas mit Dart – das gefiel den Anwesenden. Schließlich war der große Hype rund um die Weltmeisterschaft im englischen "Ally Pally" längst auf einem ersten Höhepunkt angekommen. Dart war cool, Dart machte Spaß, Dart mobilisierte die Menschen. Nicht nur vor dem Fernseher, sondern auch an den Dartscheiben. So war es auch beim TSV Bramstedt. "Vom ersten Trainingsabend an hatten wir hier immer 25 bis 30 Leute", erinnert sich Christoph Bargmann. Der 30-Jährige ist mittlerweile Spartenleiter bei den Fyling Bulldogs, wie sich das Bramstedter Team nennt – und hat sich komplett dem Dartsport verschreiben. Das war im April 2017 noch ganz anders.
"Ich wusste wohl, dass es da so einen Phil Taylor und diese WM um den Jahreswechsel herum gibt, aber ansonsten hatte ich wirklich gar nichts zu tun mit Dart", erinnert sich Bargmann. Jener Phil Taylor, Rekord-Weltmeister und die Dart-Ikone schlechthin, spielte im Jahr 2017 seine letzte Saison bei der Professional Darts Corporation (PDC) und beendete am 1. Januar 2018 seine beeindruckende Laufbahn als Vize-Weltmeister. Christoph Bargmann interessierte das damals nur am Rande. Er hatte ein anderes Ziel: den Dartsport in Bramstedt voranzubringen. Und selbst besser zu werden.
Lehrgeld bei den ersten Turnieren
Denn nach der Gründung im April 2017 merkte der Elektroniker ganz schnell, dass ihm das Werfen der Pfeile unglaublichen Spaß macht – und er obendrein sogar ziemliches Talent dafür zu haben schien. Nach relativ kurzer Zeit probierte er sich erstmals bei einem Turnier aus. "Ich bin da ziemlich blauäugig hingefahren und habe erst mal schön an die Ohren bekommen", erinnert sich Bargmann schmunzelnd. Doch diese Erfahrungen waren Gold wert. "Es gibt beim Dart nichts Wichtigeres als den Wettkampf. Man kann stundenlang zu Hause im eigenen Wohnzimmer spielen, sobald man an einem neuen Ort gegen einen echten Gegner antritt, ist alles anders. Man muss raus aus seiner Wohlfühlzone."
Es gibt viele, die behaupten, Dart wäre zu 90 Prozent eine mentale Herausforderung und nur zu 10 Prozent ein körperliches Spiel. Das merkt auch Christoph Bargmann immer wieder. Zwei bis drei Monate dauerte es, ehe er die erste 180, also das Beste, was ein Dartspieler mit drei Pfeilen in der Hand treffen kann, ins Board nagelte. In der Saison 2018/2019 ging erstmals ein Bramstedter Team im Dartverband Weser Ems (DVWE) im Ligabetrieb an den Start, Christoph Bargmann meldete parallel auch fleißig für Ranglistenturniere des Deutschen Dart-Verbands (DDV) – und das durchaus mit Erfolg. Er sammelte nach und nach Punkte für die Deutsche Rangliste. "Am Ende hatte ich auch etwas Glück, dass durch die Corona-Pandemie manche Turniere nicht gewertet wurden", so Christoph Bargmann.

Christoph Bargmann von den Flying Bulldogs Bramstedt.
Dadurch begünstigt schaffte es der Bramstedter tatsächlich unter die Top-16 in Deutschland – was gleichbedeutend ist mit der Nominierung für den Bundeskader. Und so öffnete sich für Bargmann endgültig die Tür. Denn die Kaderspieler des DDV erhalten nicht nur das Angebot verschiedener Kadertrainingseinheiten, sie bekommen vor allem auch finanzielle Unterstützung vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Christoph Bargmann wurden nun zu insgesamt sechs internationalen Turnieren Zuschüsse gezahlt. Der 30-Jährige konnte seinen Traum endgültig leben. Er meldete sich für Turniere der World Darts Federation (WDF) an. Der Weltdartverband kämpft derzeit auch um eine Aufnahme der Sportart ins Olympische Programm.
Bargmann kam in den vergangenen Monaten viel herum. Er flog ins schottische Glasgow oder ins schweizerische Basel, trat im schwedischen Malmö an und erlebte das weltgrößte Dartturnier im niederländischen Assen hautnah mit. Dort gewann der Bramstedter sogar drei Partien, was sich angesichts von weit über 2000 Teilnehmern in Sachen Preisgeld und Ranglistenpunkte am Ende aber nicht wirklich bemerkbar machte. "Der Weg ist enorm lang und das Niveau auch auf solchen Turnieren unheimlich hoch", hat Christoph Bargmann festgestellt. So setzte sich bei den Dutch Open beispielsweise mit Jelle Klaasen ein früherer Weltmeister durch, gegen den Bargmann sogar schon einmal selbst gespielt hat.
Ein großes Vorbild hat der Bramstedter nicht. Auch im Fernsehen ist Bargmann eher selten dabei, wenn es in der Adventszeit in London wieder rund geht. Da spielt er lieber selber. Beinahe jeden Abend in der Woche ist er irgendwo mit seinen Pfeilen im Einsatz. 16 bis 20 Stunden pro Woche hat er die Pfeile in der Hand, um sich stetig zu verbessern. Sechs bis acht Stunden pro Tag trainiert die Weltspitze. Um sich auf höchstem Niveau zu etablieren, benötigt man einen 90er-Average – und muss in der Lage sein, auch mal konstant um die 100 Punkte im Schnitt zu spielen.
"Bei mir ist von 39 bis 89 alles möglich", beschreibt Bargmann sein eigenes Spektrum mit einem Augenzwinkern. Einmal ist ihm sogar schon ein Zehn-Darter geglückt. Das perfekte Spiel, ein sogenannter Neun-Darter, lässt auf einem Turnier allerdings noch auf sich warten. 70 bis 75 Punkte im Average seien das, was derzeit realistisch sei. Und dann hilft nur eins: "Spielen, spielen, spielen", sagt Bargmann. Und Erfolg. "Als ich mal ein Turnier gewonnen habe, da ging mein Schnitt danach sofort um drei bis fünf Punkte nach oben, obwohl sich ja eigentlich gar nichts in meinem Spiel geändert hatte. Aber ich hatte fortan mehr Glauben in mein eigenes Spiel." Am Ende findet dieser Sport eben hauptsächlich "zwischen den Ohren statt", wie es Bargmann umschreibt.