Landkreis Diepholz. Michael Isensee nimmt eine Scheibe Brot in die Hand, betrachtet sie genau, riecht daran. Dann greift er ein Stück der Krume aus der Mitte heraus und probiert. "Die Porung ist gut", sagt er. "Aber die Kruste würde ich mir ein bisschen stärker wünschen." Er legt die Scheibe zur Seite und geht zum nächsten Test-Kandidaten über: Ein Roggenmischbrot. "Das finde ich gut, hat ein tolles Aroma und eine schöne Kruste", sagt der Prüfer vom Deutschen Brotinstitut.
Isensee sitzt an einem der Tische in der Backstube der Berufsbildenden Schulen (BBS) in Syke, vor ihm ein aufgeklappter Laptop mit Drucker, rechts von ihm ein Schneidebrett, auf dem ein aufgeschnittenes Brot liegt. Insgesamt 31 Brote und noch einmal 22 Brötchen von gut zehn verschiedenen Bäckern der Bäckerinnung Diepholz-Nienburg testet er an diesem Tag. Alles, was er dabei so feststellt, überträgt er parallel in den Laptop, um den Bäckern eine entsprechende Rückmeldung zu den von ihnen eingereichten Broten geben zu können.
Die Backwaren bekommen dabei entweder das Prädikat "sehr gut" oder "gut". Sollte ein Brot schlechter bewertet werden, wird es nicht prämiert. "Bisher ist aber noch keins durchgefallen", sagt Isensee. Mit den Brötchen ist er bereits durch, nun geht es mit den Broten weiter. Unterstützt wird er dabei von zwei weiteren Bäckermeistern: Carsten Wittek, Inhaber der Bäckerei Hansemann, sowie Thilo Meyer, Fachpraxislehrer der BBS.
Charakteristische Eigenschaften
Wittek schneidet bereits das nächste Brot auf, während Isensee einen Schluck Wasser zwischendrin trinkt, um den Geschmack nicht zu verfälschen. Jetzt ist ein rustikales Landbrot an der Reihe. "Das ist wieder eine ganz andere Art Brot", stellt Isensee fest. "Das hat eine ganz grobe Porung. Das ist aber für dieses Brot charakteristisch." Bei anderen Brotsorten wäre eine zu grobe Porung dagegen auch schon mal ein Fehler. "Deswegen gucke ich auch immer, was auf der Brotkarte steht und wie der Name des Brotes ist", erklärt Isensee.
Wenn er Brötchen und Brote prüft, dann geht es dabei um viele verschiedene Eigenschaften und Faktoren: Wie lässt sich das Brot schneiden, wie riecht es, wie schmeckt es? Ist es vielleicht übersalzen oder zu sauer? Wie ist die Oberfläche des Brotes und die Optik? Ist es zu bemehlt? "Es geht darum, zu gucken, ob es irgendwo noch Ansätze für die Bäcker gibt, was sie verbessern können", erklärt Isensee, der aber auch betont, dass alle Brote auf einem hohen Niveau sind: "Das sind ja alles gelernte Handwerksbäcker, die wir testen. Es geht dabei um das Fine-Tuning." Und Carsten Wittek ergänzt: "Das ist auch für uns immer eine Selbstkontrolle. Wenn etwa der Salzgehalt etwas zu hoch in einem Brot ist, dann schmeckt Herr Isensee das heraus."

Über 50 verschiedene Sorten Brot und Brötchen nimmt Isensee an diesem Tag unter die Lupe.
Dabei hilft dem Brötchenprüfer auch seine jahrzehntelange Erfahrung. In Nord- und Mitteldeutschland ist er das ganze Jahr über unterwegs, um Brote, Brötchen, aber auch Stollen oder Gebäck zu testen und zu bewerten. Dabei gibt es durchaus regionale Unterschiede. "Wir sind hier in einer Roggen-Gegend", sagt Isensee. Je näher man dann in Richtung Küste komme, desto stärker sei auch der Vollkornanteil vertreten. "Die Vielfalt, die wir in ganz Deutschland haben, ist sehr groß", sagt Wittek, der Isensee das nächste Brot über den Tisch reicht. "Ein Chiabrot", stellt der Brötchenprüfer fest. Vom Aroma her sei das gar nicht so speziell. "Aber Chia verliert diesen Crunch nicht. Das fasziniert mich daran", sagt Isensee.
Immer wieder tauchen bei den Backwaren auch neue Trends auf. "Chia war vor zwei Jahren richtig viel", hat Isensee bemerkt. Inzwischen sei der Trend aber schon wieder abgeebbt. Neben Neuheiten gibt es aber auch die Klassiker wie etwa Roggenmischbrote. "Was es so gut wie gar nicht mehr gibt, ist Toastbrot", hat der Brötchenprüfer festgestellt. "Das hat die Industrie voll im Griff", bedauert Isensee, der sich wünschen würde, dass die Menschen mehr Verständnis dafür haben, dass gutes Brot nun mal auch seinen Preis hat. "Das ist noch nicht so im Bewusstsein der Menschen", sagt auch Wittek.

Auch der Geruch spielt bei der Brot- und Brötchenprüfung eine wichtige Rolle.
Und eben weil es immer schwieriger für die Handwerksbäcker wird, der wachsenden, industriellen Produktion Stand zu halten, gibt es immer mehr, die irgendwann aufgeben. "Jedes Jahr machen etwa zwei bis sechs Prozent der Betriebe in den Bäckerinnungen zu", sagt Isensee. Das sei nicht erst durch Corona der Fall, sondern auch schon vorher so gewesen. "In ganz Sachsen-Anhalt etwa gibt es nur noch weniger als 100 Innungsbetriebe", bedauert er.
Isensee selbst isst übrigens lieber Brötchen als Brot: "Ich prüfe zwar am liebsten Brot, aber man sieht mich zu Hause selten Brot essen", erzählt er. "Ich persönlich liebe Brötchen." Da könne man sich je nach Aufschnitt passende Sorten aussuchen und verschiedene nehmen, während man bei einem Brot meist mehrere Tage das gleiche esse. "Daher bin ich ein Brötchen-Fan", sagt er.