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Samtgemeinde-Archiv Tiefer Einblick in die Firmengeschichte

Wer Geschichte lokaler Unternehmen nachvollziehen möchte, findet Rat im Archiv der Samtgemeinde Bruchhausen-Vilsen. Das Kopierbuch der Firma Gebrüder Wohlers ist eines der Highlights in der Sammlung.
29.09.2021, 12:17 Uhr
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Von Rita Behrens/rbe

Bruchhausen-Vilsen. In Archiven werden Dokumente systematisch erfasst und dauerhaft erhalten. Elisabeth Meyer, die Leiterin des Archivs der Samtgemeinde Bruchhausen-Vilsen, betont, dass die Aufarbeitung der Historie im regionalen Bereich oftmals durch die Initiative und Mithilfe von Bürgern vorangebracht wird. Sie trügen damit zum „Gedächtnis der Gemeinden“ bei. So auch das Kopier-Buch der Firma Gebrüder Wohlers. Dass es im März 2020 dem Archiv ausgehändigt wurde, schätzt sie als „Glücksfall“ ein.

Eine Enkelin des Firmengründers Cord Wohlers hatte das 1000 Blätter umfassende Geschäftsbuch vor Ort übergeben. Es dokumentiert, betitelt als „Copir-Buch“, die handschriftlichen Durchschläge der verschiedensten Eintragungen aus den ersten 20 Jahren des Handelsgeschäftes. Dessen Gebäudekomplex reichte von der obigen Brautstraße Nummer 13 (ehemals 14) bis nach unten zur Bahnhofsstraße Nummer 57.

Mai 1896 ging's los

Wie die Archivarin berichtet, eröffneten Cord und Wilhelm Wohlers als Nachfahren der Firma Karl Justus Hoppe Ende des 19. Jahrhunderts ihr Handelsgeschäft. Am 22. Mai 1896 sei die Geschäftseröffnung im Hoyaer Wochenblatt bekanntgegeben worden. Entsprechend sei der erste Eintrag im Kopierbuch auf den 21. des Vormonats datiert, der die Bestellung von 75 Himpten Saathafer offenlege. Der letzte Eintrag falle in die Zeit des Ersten Weltkrieges. Dieser dokumentiere die Übersendung von Stoßborte und -tresse an eine Firma R. Bauer in Meerane mit dem Auftrag, diese schwarz einzufärben.

Bestellungen, Abrechnungen, Preisnachfragen, auch Verlademodalitäten – den gesamten Schriftverkehr belegt das umfassende Dokument. Interessierte Besucher des Archivs können sie sich selbst einen Einblick in den kaufmännischen Alltag des ehemaligen Vilser Geschäftes verschaffen. Wie die nachfolgenden Beispiele zeigen, spiegeln die Durchschriften die wirtschaftlichen und sozialen Begebenheiten der Jahrhundertwende 1900 anteilig wider.

Wie aus den Aufzeichnungen im Kopierbuch ersichtlich, wurden pro Jahr zwischen 3000 bis 4000 Zentner Kohle bestellt. Anderweitig lässt sich konkret die „Bestellung eines Kaffeeservices als Geschenk zur Silberhochzeit“ entdecken; hinsichtlich des Designs sind „Silberrand und Streublümchen“ sowie eine Kennzeichnung mit Namen gewünscht. In einem ähnlichen Kontext steht die kopierte Besuchsankündigung beim Handelspartner Firma Smith und Dunsing in Bremen. Die Käufer wollten offenbar eine Tagesreise in die Hansestadt unternehmen, um sich die Porzellan-Ausstellung dort selbst anzusehen und eine Auswahl für die eigene Aussteuer zu treffen. Zudem geht es in dem Anschreiben darum, vorab einen handelsüblichen Preisaufschlag unter den Händlern zu vereinbaren.

Zeitgeschichte und -kolorit zeigen sich auch etwa in einer Bestellung von Faschingsutensilien bei der Firma F.C. Schmidt in Erfurt. Dazu zählten Fächer, Pyramidentrompete, Tamburine, Schellentrommel und Papierfähnchen. Anhand der Eintragungen auf dem sehr dünnen, vergilbten Transparentpapier wird jedoch mit Hilfe des vielseitigen Schriftverkehrs nicht nur das breite Sortiment deutlich. Weniger erfreulich stellte sich für die Vilser Geschäftsleute etwa das Verhalten der Hafenarbeiter im Bremer Freihafen im Sommer 1897 dar. Sie seien erst gegen ein Trinkgeld bereit, die eintreffenden Fuhrwerke des Unternehmens zu bestücken. Das Anschreiben schließt mit einem bittenden Appell an den Bremer Gustav Seehren: „Wenn es Ihrem Einfluss gelänge, solchem Uebelstande abzuhelfen.“

Vorsicht, Wasser!

Ein Ärgernis anderer Art wurde im Februar 1907 verschriftlicht: die „Straßenvereisung“. In dem Brief der Gebrüder Wohlers an die zuständige Landstraßenverwaltung Hoya heißt es, der Eingang zum Geschäft werde behindert, der Zugang sei sehr gefährlich. Aufgrund des von oben kommenden, „rüberlaufenden Wassers“ ließe sich durch das Streuen von Asche keine Abhilfe schaffen. Gewissermaßen bildhaft erscheint damit die damalige Winterwitterung vor dem inneren Auge des heutigen Archivbesuchers. Des Weiteren erinnert eine Bestellung bei der „Fa. R. Sprengel & Co, Hannover“ aus dem Jahr 1911 von mehreren Kisten Tafel-Schokolade, etwa „50 Tafeln Vanille-Chocolade“, und „fünf Kisten Creme-Pralinen“ nicht allein an die Vorliebe für Süßes in vergangenen Zeiten. Wer die einzelnen Seiten des Kopierbuches betrachtet, stellt fest, dass sie platzsparend genutzt wurden. So befinden sich auf einer Seite in der Regel zwei oder sogar drei Durchschriften nebeneinander, durchaus beliebig ausgerichtet. Den Forschenden bietet sich hier ein wahrer Fundus.

Überdies kann Elisabeth Meyer aus der Hoyaer Kirchenzeitung „Der Inspektionsbote“ Anzeigen aus den Jahren 1927/28 präsentieren, mit denen die Gebrüder Wohlers zur Besichtigung ihrer Weihnachtsausstellung einluden. Anderweitig steht ein Foto zur Verfügung, vermutlich zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufgenommen. Es zeigt das Gebäude an der Bahnhofstraße mit einem Firmenschild. Angepriesen wurden demzufolge neben „Manufactur & Mode“ "Kurz- Colonial- und Eisenwaaren“, „Oefen & Herde“ sowie „Kohlen – Koks und Brikets“. Das 40-jährige Geschäftsbestehen wurde des Weiteren 1936 im Hoyaer Wochenblatt angezeigt. Die Geschäftstätigkeit endete nach Meyers Aussage vermutlich in den 1970er-Jahren. Als letzte Besitzer des Handelsgeschäftes sind Wilhelm und Emma Wohlers aufgezeichnet worden.

Zur Sache

Das örtliche Leben dokumentieren

Die Leiterin des kommunalen Archivs weiß es zu schätzen, wenn außer den Dokumenten und Akten von Firmen, Vereinen und öffentlichen Institutionen auch Familienunterlagen den Weg in die Dokumentationsstätte finden. Denn neben den Gemeindeakten solle den Nutzern vielfältiges Informationsmaterial zur Verfügung stehen. Deshalb nehme Elisabeth Meyer gerne private Fotos oder Feldpostbriefe entgegen, auch aus Nachlässen. Die bisherigen Erfahrungen zeigten, dass private Sammlungen dazu beitragen, das örtliche Leben und Veränderungen im Laufe der zu dokumentieren. Sie bilden zusammen die Grundlage für die Erforschung der Ortsgeschichte.

Der Besuch des Archivs ist in der Regel montags und donnerstags nach vorheriger Terminvereinbarung möglich. Zudem können weitere Termine nach Absprache getroffen werden. Erreichbar ist das Archiv unter der Telefonnummer 04252/391252 oder per E-Mail an archiv@bruchhaussen-vilsen.de. Informative Details sind auf der Internetseite https://www.bruchhausen-vilsen.de/buergerinfo/buergerservice/rathaus/archiv.html auffindbar. 

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