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Datenkolumne Keine Angst vor Datenschutz-Abmahnungen

Regelmäßig kämpfen Betreiber von Websites derzeit mit Abmahnungen, weil sie sogenannte Google Fonts benutzen. Wie damit umzugehen ist, erklären Sven Venzke-Caprarese und Dennis-Kenji Kipker in der Datenkolumne.
19.01.2023, 17:16 Uhr
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Von Sven Venzke-Caprarese und Dennis-Kenji Kipker

In den vergangenen Monaten waren immer wieder Betreiber von Websites in den Medien, die über ihr Leid klagten. Grund dafür: Datenschutzabmahnungen von Anwälten, weil auf der Internetseite sogenannte Google Fonts genutzt wurden. Dabei handelt es sich um ein interaktives Verzeichnis mit über 1400 Schriftarten, die das Unternehmen Google zur freien Verwendung bereitstellt. Der Vorteil davon: Jeder Betreiber einer Website kann einfach schöne Schriftarten nutzen und seine Seite so individuell gestalten, ohne dafür Lizenzgebühren zu zahlen. Was somit erst einmal gut klingt, kann jedoch schnell ein rechtliches Nachspiel haben. So entschied das Landgericht München I im Januar 2022, dass die Nutzung der beliebten Schriftarten gegen die europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verstoßen kann. Das liegt daran, dass die Schriftarten über einen Google-Server auf die Website geladen werden, sobald ein Internetnutzer auf der Seite „surft“. Da damit ein ungesetzlicher Transfer der persönlichen Daten des Nutzers der Website in die USA stattfindet, so das Gericht, sei darin ein Datenschutzverstoß zu sehen, der mit einer pauschalen Schadensersatzforderung von 100 Euro sanktionierbar sei. Das Gericht argumentierte weiterhin, dass es dem Betreiber der Website ja auch möglich gewesen wäre, die Schriftart auf seinem eigenen Webserver zu speichern.

Doch warum ist die Übermittlung von personenbezogenen Daten in die USA überhaupt rechtswidrig? Bis zum Jahr 2020 bestand zwischen der Europäischen Union und den USA ein Datenschutzabkommen, der sogenannte „EU US Privacy Shield“, der den Transfer persönlicher Daten aus der EU in die USA rechtlich legitimierte. Mit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes jedoch wurde dieser Angemessenheitsbeschluss „gekippt“, sodass es fortan und bis heute rechtlich nicht mehr so einfach ist, persönliche Daten in die Vereinigten Staaten zu übermitteln. Deswegen stellte das Landgericht München auch fest, dass es dem Betreiber der Website grundsätzlich zumutbar ist, die Google Fonts lokal auf dem eigenen Webserver einzubinden. Das jedoch haben nach wie vor viele Seitenbetreiber nicht gemacht – manchmal wegen des fehlenden technischen Know-hows, vielfach auch aber, weil sie gar nicht wussten, dass bei der Verwendung von Google Fonts die persönlichen Daten des Nutzers in die USA übermittelt werden.

Die Abmahnanwälte machen nun beispielsweise geltend, dass ihre Mandanten Websites mit Google Fonts aufgerufen haben, ihre persönlichen Daten (eigentlich geht es hier „nur“ um die IP-Adresse) hierbei in die USA transferiert wurden und deswegen ein Schadensersatzanspruch besteht. In den letzten Monaten wurden dabei massenhaft derartige „Abmahnungen“ verschickt, weil sich mit technischen Tools automatisiert herausfinden lässt, ob eine Website Google Fonts nach der Entscheidung des Landgerichts München datenschutzkonform einbindet oder nicht. Viele Privatpersonen, aber auch kleine und mittelständische Unternehmen bezahlen die geforderten Beträge oftmals anstandslos, um weiteren Ärger mit den Anwälten zu vermeiden. Darauf bauen diese auch: So konnten verschiedene Anwälte mit den Abmahnungen im vergangenen Jahr Hunderttausende von Euros verdienen. Dass es dabei eigentlich gar nicht um den Datenschutz geht, sondern nur um eine Masche, möglichst schnell und einfach Geld zu verdienen, dürfte bei diesen Summen und dem Vorgehen der „schwarzen Schafe“ unter den Juristen klar sein.

Was muss ich aber nun als Websitebetreiber tun? Zuvorderst sollte die eigene Website auf die korrekte Einbindung von Google Fonts geprüft werden – dafür gibt es kostenlose Tools im Internet. Wenn festgestellt wurde, dass die Google Fonts über einen US-Server abgerufen werden, sollte man diese entweder lokal installieren oder alternative Schriftarten nutzen. Für Wordpress betriebene Websites gibt es beispielsweise Plug-Ins, die dieses Problem automatisiert mit wenigen Handgriffen lösen. Sollte man mit dem Schreiben eines Abmahnanwalts konfrontiert werden, ist die erste Devise: nicht zahlen! Zum einen ist es überhaupt rechtlich mehr als fraglich, ob überhaupt ein Schadensersatzanspruch besteht, wenn man sich durch den Besuch der Website vorsätzlich den „Schaden“ zufügt, zum anderen ist die Entscheidung des Landgerichts München deshalb nicht bindend, weil es sich nur um die Entscheidung eines einzelnen Gerichts handelt. Andere Gerichte haben das in der Vergangenheit durchaus auch anders beziehungsweise differenzierter gesehen. Gestützt wird diese Erkenntnis dadurch, dass Ende Dezember gegen einen bekannten „Abmahnanwalt“ aus Berlin ein Strafverfahren wegen des Verdachts des Abmahnbetruges und der Erpressung eröffnet wurde.

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