Bassum-Stühren. Sie stammt aus der Endphase der Jungsteinzeit und der älteren Bronzezeit, also aus dem Zeitraum zwischen etwa 2200 und 1400 vor Christus, sagt Archäologe Friedrich-Wilhelm Wulf. Die Rede ist von der Begräbnisstätte bei der Ortschaft Stühren. Nur etwa sieben Kilometer südwestlich der Fundstelle des mittelbronzezeitlichen Goldhortes von Gessel liegt die Stätte aus einer anderen Zeit. „Auf einige ehemals besonders große Grabhügel von über 20 Meter Durchmesser geht die Flurbezeichnung 'Sieben Berge' zurück“, erklärt Wulff. Er ist beim Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege als Bezirksarchäologe für den ehemaligen Regierungsbezirk Hannover und damit auch für den Landkreis Diepholz zuständig.
Bei Geländeerfassungen 1937 und 1951 wurde das Gräberfeld als eines der bedeutendsten im nördlichen Niedersachsen eingestuft, erinnert Wulf. Dennoch habe nur „wenige Jahre später die Zerstörung“ begonnen. Denn: Das Waldstück, in dem die sieben Berge lagen, wurde von seinem Besitzer landwirtschaftlich nutzbar gemacht. Sechs der sieben größten Hügel wurden eingeebnet. Folglich existiert mittlerweile nur noch eines. Es befindet sich auf einem Acker. „Erhalten blieben bis heute auch eine Anzahl von etwa 20 kleineren Grabhügeln in den Randbereichen“, ergänzt der Wissenschaftler.
Nach der der Auswertung von Luftbildern wurden die eingeebneten Hügel zwischen 1975 und 1978 untersucht. „Dabei wurden ausnahmslos unversehrte Erstbestattungen aus der Endphase der Jungsteinzeit und der älteren Bronzezeit zutage gefördert“, blickt Wulf zurück. Wie im Zeitraffer offenbarten sich den Archäologen die unterschiedlichen Bestattungssitten der einzelnen Epochen: Aus der späten Jungsteinzeit bargen sie etwa Körperbestattungen, also nicht verbrannt zu Grabe getragene Verstorbene.
Über den verbliebenen großen Grabhügel entbrannte im vergangenen Jahrzehnt eine Diskussion. Unmittelbar östlich der Grabstätte entsteht eine Sandgrube (wir berichteten). Noch in diesem Jahr könnte es mit dem Sandabbau losgehen. Nach einem langjährigen Verfahr gab es für das Projekt der Meyer und Schreiber (M+S) Transportgesellschaft aus Stuhr die Genehmigung des Landkreises – „trotz der vorgebrachten archäologischen Bedenken“, wie Wulf noch einmal herausstellt. Das Grab selbst soll laut der genehmigten Planung unberührt bleiben.

Der Blick von oben zeigt: Das verbliebene Großhügelgrab befindet sich mitten auf einem Feld.
„Es bedeutet mir sehr viel, dass archäologische Denkmale so weit wie möglich im Boden erhalten bleiben“, betont Wulf. Der Boden auf der Abbaufläche wurde oder wird von Archäologen untersucht. Wulf macht jedoch deutlich, dass in einigen Jahren wohl bessere Methoden zur Verfügung gestanden hätten. Denn die Wissenschaft entwickle sich immer weiter. Die Kosten für die Untersuchung muss M+S zahlen. Während die genehmigten Erweiterungsflächen in den nächsten Jahren noch untersucht werden, sind die sieben Hektar des ersten Abbauschritts freigegeben.
Somit kann der Sandabbau beginnen. „Da sich der Abbau in größere Tiefen erstreckt, können immer noch Funde wie altsteinzeitliche Faustkeile oder Tierknochenreste zutage kommen“, schildert Wulf. „Wenn wir jetzt noch was finden würden, müssten wir es melden“, erläuterte derweil Axel Habermann, Geschäftsführer des Betriebs, bei einer Begehung mit dem Syker Kurier im vergangenen Monat (wir berichteten). Wulf geht davon aus, dass die Firma der Pflicht nachkommen würde. Eine Nichtmeldung würde übrigens laut des Wissenschaftlers mit einer Geldbuße bis zu 250.000 Euro geahndet werden kann.
Archäologische Entdeckungen bei Forschung
Auf der freigegebenen Fläche wurde seit Oktober 2020 von der Vilser Firma Archäologische Dienstleistungen Blanck geforscht. Dabei seien über 40 Brandbestattungen zutage gekommen. „Die weisen darauf hin, dass sich die Belegung des Gräberfeldes vermutlich bis in die Zeit um Christus Geburt erstreckte“, skizziert Wulf. Zudem sei der Randbereich einer bronzezeitlichen Siedlung nachgewiesen worden. Besonders erwähnenswert sei hierbei „der vollständige Grundriss eines dreischiffigen Hauses der älteren Bronzezeit von 13 Meter Länge und 7,2 Meter Breite“.

Bei den Untersuchungen vor der Freigabe für den Sandabbau wurde unter anderem ein Hausgrundriss aus der älteren Bronzezeit gefunden.
Was passiert nun mit den Entdeckungen? „Die Grabungsfunde werden zunächst von der Grabungsfirma Archäologische Dienstleistungen Blanck gereinigt, soweit nötig konserviert und magazingerecht verpackt“, antwortet der Archäologe. Anschließend werden sie zusammen mit der Grabungsdokumentation zur wissenschaftlichen Auswertung an das Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege übergeben. Am Ende gehen sie in das Landesmuseum Hannover.