Was war gestern für ein Tag? Ja, richtig: Montag. Aber sonst? Nichts Außergewöhnliches? Doch: Es war der internationale Tag gegen Gewalt an Frauen. Ein Tag, den Bassums Gleichstellungsbeauftragte Christine Gaumann niemals ohne Aktion verstreichen lässt. So war es auch gestern. Vor dem Bassumer Rathaus hisste Gaumann gemeinsam mit Bürgermeister Christian Porsch eine Flagge mit der Aufschrift "Nein gegen Gewalt gegen Frauen!"
Die Zahlen
Nein, es sind keine Zahlen aus der Stadt Bassum, auch keine aus dem Landkreis Diepholz. Christine Gaumann hatte am internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen bundesweite Daten aus dem Jahr 2023 dabei, unterteilt in fünf Rubriken.
Erstens: Sexualstraftaten. 52.330 Mädchen und Frauen waren betroffen, mehr als die Hälfte unter 18 Jahre alt, ein Plus von 6,2 Prozent. Die Täter sind zu mehr als 85 Prozent männlich.
Zweitens: häusliche Gewalt. Hier gibt es 180.715 Opfer, 70,5 Prozent davon sind Frauen. Das bedeutet ein Plus von 5,6 Prozent. Dabei herrscht immer eine persönliche Beziehung zwischen Opfer und Täter.
Drittens: digitale Gewalt. Hier nahm die Zahl der Opfer im Vergleich zum Vorjahr um 25 Prozent, seit 2019 gar um 100 Prozent zu. Die Opfer von Nötigung, Bedrohung und Stalking sind zu 87 Prozent weiblich, 36 Prozent sind minderjährig. 17.193 Frauen und Mädchen waren insgesamt betroffen.
Viertens: Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung. Hier wurden bundesweit 591 Frauen und Mädchen zum Opfer, ein Plus von 6,9 Prozent. 31,5 Prozent der Betroffenen waren unter 21 Jahre alt.
Fünftens: Femizide, also Tötungsdelikte an Frauen, weil sie Frauen sind. 938 Mädchen und Frauen waren 2023 Opfer von versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten, das sind 32 Prozent aller Tötungsdelikte. Der weibliche Anteil in dieser Rubrik liegt bei 80 Prozent. Die Statistiker zählten 360 vollendete Taten.
Die Ursachen
Selbst im modernen Nordwesteuropa herrschen laut Christine Gaumann "nach wie vor patriarchal verankerte Strukturen". Zunehmende Emanzipation werde von Männern zum Teil als Bedrohung ihrer Position bei tradierten Rollenbildern aufgefasst. Eine Konsequenz ist die Ideologie der Ablehnung von Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit der Geschlechter. Auch diese Ablehnung könne zu Gewalt führen. Ein weiteres Problem für die Opfer von Gewalt, in diesem Fall von psychischer Gewalt: Digitale Möglichkeiten nehmen zu. So ist beispielsweise Cyberstalking ein Motiv bei Sexualstraftaten: Dabei geht es um Machtausübung, Abwertung, Demütigung, Erniedrigung und einiges mehr.
Die Hilfen
Innenministerin Nancy Faeser (SPD) fordert "härteres Vorgehen bei Tätern", Frauenministerin Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen) "niedrigschwellige Schutzmöglichkeiten und Beratung". In Bassum gibt es Beratungsmöglichkeiten vor Ort, beispielsweise bei der Gleichstellungsbeauftragten Christine Gaumann, die telefonisch für solche Fälle unter 0 42 41 / 84 61 zu erreichen ist. Sie sorgt auch für Aufklärung und Sensibilisierung. An Präventionsarbeit wird in der Lindenstadt folgendes angeboten: Selbstbehauptung für Kinder und Jugendliche (Mädchen und Jungen) sowie Frauen. Darüber hinaus werden zum Thema digitale Gewalt in den Schulen Vorträge und Projekt in den Unterricht eingebaut. Im Landkreis Diepholz gibt es mittlerweile ein Netzwerk gegen häusliche Gewalt, Täterhilfe und die alljährliche Brötchentüten-Aktion.
Auf Bundesebene ist die Forderung nach einem Gewalthilfegesetz laut geworden. Die Politik will einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung für von Gewalt bedrohte Frauen durchsetzen, darüber hinaus die Infrastruktur von Beratung und Schutzeinrichtungen verbessern. So fehlen bundesweit 14.000 Frauenhausplätze. Hilfetelefone für Frauen sind rund um die Uhr besetzt, in 18 Sprachen kann dort geholfen werden.
Im Berlin wurde zum internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen eine Petition mit dem Titel „Gewaltschutz für alle – jetzt“ übergeben. Rund 78.000 Menschen hatten dieses Papier unterschrieben. Michael Kretschmer, der Vizepräsident des Bundeskriminalamtes, versprach, die Zahlen zu beobachten, Tathintergründe zu erkennen und aufzuklären sowie Dunkelfeldforschung zu betreiben. Kretschmer spricht von "null Toleranz für Gewalt und Hass gegenüber Frauen".
Christine Gaumann ist es wichtig, Präsenz zu zeigen. "Wir verurteilen so etwas", sagt die Gleichstellungsbeauftragte.