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Ein Drittel unter 26 Jahre Linke Diepholz erlebt Boom: Neue Mitglieder und Strukturwandel

Die Linke in Diepholz wächst rasant: Junge, engagierte Mitglieder treten der Partei bei und bringen neue Ideen ein.
26.05.2025, 16:32 Uhr
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Von Niklas Golitschek

Jung, engagiert, links: Der Kreisverband Diepholz der Partei Die Linke erlebt einen starken Mitgliederzuwachs. Seit dem Bruch der Ampelkoalition im vergangenen November zählte die Partei mehr als 90 Eintritte und verdreifachte ihre Zahl von unter 40 Genossen auf nun 136 Mitglieder, sagt Sprecher Peter Faßbinder im Gespräch mit dem WESER-KURIER. Rund ein Drittel, etwa 40 Mitglieder, seien erst im Jahr 2000 oder später geboren. Auf diese überraschenden Entwicklungen will die Partei bald reagieren und sich umstrukturieren.

Linken-Ikone zieht junge Mitglieder an

Zu den neuen Mitgliedern zählen Anna-Lena Marks, 26, und Nikita Ludwig, 19. „Ich habe das Gefühl gehabt, ich muss was machen“, sagt Ludwig. Er spricht von einem Rechtsruck in der Gesellschaft, auch in seinem sozialen Umfeld hätten zunehmend Freunde rechte Haltungen übernommen. Themen wie Ausländerhass, ausbleibende Gleichstellung oder Altersarmut bewegten ihn. Zudem störte er sich an den jüngsten Migrationsdebatten infolge mehrerer Anschläge, womit nur Symptome bekämpft worden seien. „Das ist der falsche Ansatz“, findet er. Hinzu komme die schwierige nationale und globale Lage. „Ich bin verunsichert, wie es weitergeht“, sagt der 19-Jährige, der aktuell eine Ausbildung zum Fachinformatiker macht. Deshalb wolle er die Zukunft mitgestalten.

Wieso er in der Linken seine politische Heimat sieht? „Ich war lange mittig“, sagt Ludwig, in einem Rechts-Links-Schema habe er sich nicht eingeordnet. In den vergangenen Monaten sei jedoch die CDU nach rechts abgeschweift und die SPD gefolgt, so sein Eindruck. Auch bei den Grünen habe er hier keine klare Abgrenzung erkannt. Dann habe er die leidenschaftliche Bundestagsrede der Linken-Fraktionsvorsitzenden Heidi Reichinnek bei der Debatte zum später abgelehnten Zustrombegrenzungsgesetz gesehen. „Die Rede hat ordentlich Schub gebracht“, stellt Kreisverbandssprecher Faßbinder fest.

Gegen den Rechtsruck, für soziale Gerechtigkeit

Ähnliche Beweggründe führt auch Anna-Lena Marks an. „Ich habe das Gefühl, die ganze Gesellschaft rückt immer weiter nach rechts“, sagt die 26-Jährige. Das zeige im Vergleich mit den Anschlägen die vergleichsweise leise Debatte um Polizeigewalt, nachdem Lorenz A. in Oldenburg von Einsatzkräften erschossen wurde. „Keiner sagt was darüber“, so ihr Eindruck. Die Linke könne vielleicht nicht die Welt verbessern, aber zumindest Deutschland ein bisschen: „Das sehe ich bei keiner anderen Partei.“

Angesichts der neuen Altersstruktur will der amtierende Kreisvorstand einen Generationenwechsel einleiten. „Sie sollen ihre Gedanken, Vorstellungen und Ziele einbringen“, sagt Kreissprecherin Maria Babic. Damit möglichst viele der neuen Mitglieder wahlberechtigt sind, hat der Verband seine Mitgliederversammlung verschoben. Bei organisatorischen Themen wollen die Parteiroutiniers auch weiterhin unterstützen. „Man merkt: Die Jugend kann mit einem anderen Elan vorwärtsgehen“, sagt Babic. Auch Faßbinder freut sich über die neue Dynamik. „Wir waren letztes Jahr noch ein Rentnerverein“, sagt er. An das Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW) habe der Kreisverband indes keine Mitglieder verloren, allerdings durch ihre kontroverse Rolle bei der Linken zuvor. Mit Wagenknechts Austritt zeigten nun ehemalige Mitglieder wieder Interesse an der Partei.

Neue Aufteilung im Kreisverband

Auf die steigende Mitgliederzahl reagiert Die Linke zudem mit der Einteilung des Landkreises in vier Regionen. Stuhr und Weyhe bilden einen Verbund; Syke, Bassum und Twistringen einen weiteren. Zum einen sollen so Wegstrecken für die Treffen reduziert werden, zum anderen lokale Themen mehr Raum erhalten und möglichst viele Stimmen Gehör finden. Vom Auftakt der eigenen Regionsgruppe zeigen sich Babic und Faßbinder begeistert. „Wir haben das organisiert, konnten uns aber nach 15 Minuten zurücklehnen“, freut sich Faßbinder über die Dynamik.

Nikita Ludwig möchte sich zum Beispiel für einen besseren öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) einsetzen. Den Arbeitsplatz in Barnstorf oder die Berufsschule in Osnabrück würde er durch den Stundentakt und die vielen Verspätungen beziehungsweise Ausfälle nicht zuverlässig erreichen – ein Auto sei daher aktuell alternativlos. Als Zweifachmutter beschäftigen Anna-Lena Marks die Arbeitsbedingungen von Erzieherinnen und der Fachkräftemangel, der immer wieder zur Notbetreuung führt. Mindest- und Mütterrente seien wiederum Themen, denen sich die Älteren Parteimitglieder widmen können, sagt Babic. Aspekte wie die Wiedereinsetzung der Vermögenssteuer, bezahlbares Wohnen oder eine Reform des Gesundheitssystems ließen sich von allen angehen. „Es ist genug Geld da, aber das ist bei einigen Wenigen“, fasst sie den Kurs ihrer Partei zusammen. Den sollen im Kreisverband künftig die jungen Mitglieder vorgeben.

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