„Unten herum waren bereits Gras und Unkraut eingewachsen.“ Hajo Giesecke aus Bassum hat noch immer sein erstes Bild von seinem alten Westfalia-Wohnwagen, Typ Camping 335-4, vor Augen. Es schreckte den Sammler, der lange Jahre das Stuhrer Bauamt leitete, und seine Frau Gabriele nicht ab. Sie nahmen das Fahrzeug, Baujahr 1960 und seit dem Jahr 1975 nicht mehr bewegt, mit. Das war im Jahr 2019. Dann folgte noch eine gut halbjährige Restaurierung.
Bewegend ist auch die Geschichte, wie der Camper in den Besitz von Hajo Giesecke kam. Giesecke, seit 1999 zweiter Vorsitzender im Camping-Oldie-Club (COC), besitzt aktuell vier Oldtimer-Wohnwagen. Der Westfalia Camping 335-4 aber "ist ein Besonderer“, blickt er zurück in das Jahr 2019. „Über den COC stieß ich auf diesen, zum Verkauf angebotenen Wohnwagen und machte mich mit meiner Frau gleich auf den Weg, um dieses Gefährt zu begutachten.“ Was die beiden am Fundort vorfanden, überstieg alle Erwartungen.
Gefährt mit vielen Erinnerungen
Vor Ort trafen die Gieseckes auf eine der beiden Töchter des Vorbesitzers. Gleich schilderte sie ihre Kindheitserinnerungen. Ihr Vater hat den aus reinem Stahl gefertigten Wohnwagen 1960 für 7773 D-Mark erworben – inklusive Vorzelt, das zur Sonderausstattung gehörte. „Nur weil er ein Taxiunternehmen hatte und somit im Besitz eines Mercedes-Benz war, konnte das nicht ganz leichte Gefährt überhaupt bewegt werden“, erinnerte sich die Tochter. 14 Jahre lang fuhr die Familie in jedem Sommer nach Italien. Die Töchter hatten dann im herannahenden Teenageralter andere Urlaubsideen als das Leben auf doch sehr beengtem Raum. „Somit fuhren auch die Eltern nicht mehr mit dem Wohnwagen in den Urlaub. Seit dem Tag ihrer letzten Reise, vor 44 Jahren, stand er nun in dieser Scheune“, sagt Giesecke.
Als die Gieseckes dann die „Tür zur Vergangenheit“ des nur 3,35 Meter langen und um die 700 Kilogramm schweren Gefährts öffneten, „lief das Leben dieser Familie wie ein Film vor unseren Augen ab. Er war zum Teil noch eingeräumt. Kaffee, Geschirrhandtücher, Sonnenschirm, Klappstühle und diverse Haushaltsartikel, sogar ein wohl damals noch neu angeschaffter Teppich standen ungebraucht und aufgerollt in der Ecke.“ Auch die original, nahe dem Zerfall befindlichen Stoffgardinen und die mürbe gewordenen Polsterstoffe gehörten zum Inventar aus dem Jahr 1960.
Behutsame Restaurierung
Vor dem Hintergrund, die Geschichten dieses Oldtimers zu kennen und aus Respekt der Vorbesitzerfamilie gegenüber, „war für meine Frau und mich völlig klar, dass dieser Wohnwagen mehr als behutsam restauriert werden sollte". So folgten in der Chronologie der Arbeitsschritte: ein dreimonatiges, tägliches Abschleifen der stählernen Außenhaut, um sie vom nagenden Rost zu befreien. Anschließende Neulackierung im Originalfarbton Hellelfenbein. Das Unterlegen der Original-Gardinen mit neuen Stoffen, das Unterfüttern der Original-Polsterstoffe, die wieder, wie in den Sechzigern, an die Sitzbank gepinnt wurden. Der Original-Kühlschrank von Westfalia konnte gerettet werden, Heizung und fließend Wasser wurden wieder zum Leben erweckt und die Original-Massivholzmöbel abgeschliffen und frisch geölt.
„Nach sechs Monaten fast täglicher Arbeit wollten wir im Juli 2020 einen nahe gelegenen Campingplatz ansteuern und eine Einweihung feiern." Dann kam Corona. "Somit haben wir das gute Stück symbolisch in unseren Garten gefahren und eine Nacht dort gecampt“, so Giesecke.
Lust am Campen in der Jugend entdeckt
Hajo Giesecke, dessen Eltern nie gecampt haben, entdeckte seine Lust am Campen in seiner Jugend mit Moped und Zelt. Dann kamen umgebaute VW-Bullis hinzu. Als seine Kinder geboren wurden, kaufte er den ersten Wohnwagen, um es seiner Familie etwas bequemer zu machen. Bei den weiteren Anschaffungen entdeckte Giesecke dann, „um den Reiz zu erhöhen“, seinen Hang zu immer älteren Modellen.

Steckbrief: Im Wohnwagen hat Hajo Giesecke relevante Daten ausgehängt. Man achte auf das kleine Foto unten links.
„Früher waren die Wohnwagen gut durchdacht. Die Inneneinrichtung auf engstem Raum zu gestalten, war die große Herausforderung. Alles war beweglich. Es mussten zudem leichte Fahrzeuge gebaut werden, da es überwiegend nur kleine Autos mit niedriger PS-Zahl gab“, geht Giesecke in die 1960er-Jahre zurück. „Es gab damals keine Massenhersteller. In den Sechzigern waren es eher kleine Firmen, Tüftler, Manufakturen, die vielfach selbst Camper waren. Lediglich um die 100 Firmen gab es derzeit, darunter Unternehmen, die nur drei Modelle gebaut haben und dann ihre Produktion wieder einstellen mussten“, gibt Giesecke einen Einblick.
Zu seinen weiteren Schätzchen gehören ein aus Vollpolyester gefertigter „Suleica“ (Superleichtcaravan), Typ 500, aus dem Jahr 1973. Und, wie sollte es anders sein: „In Neubruchhausen wartet noch ein ‚FaWoBoo‘ auf seine Instandsetzung. Das steht für Fahren-Wohnen-Boot, ein Klappwohnwagen aus dem Jahr 1962. Hiervon wurden nur 16 Stück gebaut und ganze neun sind davon noch im Privatbesitz“. Auch an diesem Gefährt werden Giesecke und seine Frau ein gutes halbes Jahr zu tun haben, „schöpferische Pausen nicht eingerechnet, die mitunter aber auch mal mehrere Monate dauern können“, macht Giesecke deutlich, dass es auch ein Leben neben der Nostalgie gibt. Einmal jährlich bewegen die beiden ihre Oldtimer auf diversen Campingplätzen in Deutschland. Dann ziehen sie neugierige Blicke auf sich. „Einsam ist man dann nicht mehr“, schmunzelt er.