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Versuchter Totschlag Landgericht Verden schickt Bassumerin in die Psychiatrie

Eine 57-Jährige hat mit ihrem Rollstuhl einen Radfahrer in Bassum gefährlich zu Fall gebracht. Dafür schickte das Landgericht Verden die Frau in psychiatrische Behandlung.
24.06.2025, 13:37 Uhr
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Von Angelika Siepmann

Ihre Hoffnung, weiterhin allein oder aber in der Obhut ihrer jüngeren Schwester wohnen zu können, erfüllte sich nicht. Die 57-jährige Frau aus Bassum, die Anfang Dezember in ihrem elektrischen Krankenfahrstuhl gezielt gegen einen Radfahrer steuerte und ihn gefährlich zu Fall brachte, muss sich vorerst mit dem Dasein in einer Psychiatrie arrangieren. Das Sicherungsverfahren am Landgericht Verden endete am Montag mit der Anordnung ihrer Unterbringung.

Die 10. Große Strafkammer erkannte nach sieben Verhandlungstagen auf versuchten Totschlag, begangen im Zustand erheblich verminderter, wahrscheinlich sogar aufgehobener Schuldfähigkeit. Das Gericht folgte damit dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Es ging mit Verweis auf die Diagnose und Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen davon aus, dass die mehrfach beeinträchtigte Beschuldigte unbehandelt erneut Straftaten verüben könnte und für die Allgemeinheit eine Gefahr darstelle.

Laut Verteidigerin kein versuchtes Tötungsdelikt

Aus Sicht der Verdener Pflichtverteidigerin lag kein versuchtes Tötungsdelikt vor. Ihre Mandantin habe in dem „für sie viel zu schnellen und nicht einschätzbaren E-Mobil“ gefährliche Körperverletzung verübt. Die Voraussetzungen für die Unterbringung seien nicht erfüllt. Sollte diese dennoch angeordnet werden, komme „notfalls“ eine Aussetzung zur Bewährung in Betracht.

Nach den Feststellungen der Kammer ist die Beschuldigte am 3. Dezember 2024 in der Syker Straße nach einem „spontanen Tatentschluss“ auf einem gemeinsamen Geh- und Radweg gegen den auf gleicher Höhe befindlichen Radler gefahren. In der Urteilsbegründung war auch von einem „Schubs“ die Rede. Der Radfahrer sei auf die Straße und gegen ein herannahendes Auto gestürzt, „nicht davor“. Er habe leichte Verletzungen erlitten, Prellungen und Schürfwunden, und sei letztlich mit dem Schrecken davongekommen. „Aber einem erheblichen“, so die Vorsitzende Richterin. Bei seiner Zeugenaussage habe der Mann noch deutlich unter dem Eindruck des Geschehens gestanden.

Des Diebstahls bezichtigt

Der 47-Jährige war kein Zufallsopfer. Er lebte mit seiner Familie seit Jahren im selben Mehrfamilienhaus wie die Beschuldigte und war von ihr wiederholt, auch noch jetzt vor Gericht, des Diebstahls bezichtigt worden. Immer wieder habe der Mann sie „beklaut“. Man habe nicht klären können, ob es tatsächlich Diebstähle gegeben habe, sagte die Vorsitzende und fügte überraschend hinzu: „Für ganz ausgeschlossen halten wir das allerdings nicht.“ Doch selbst wenn es so gewesen sei, rechtfertige dies nicht die „Reaktion“ der Frau. Es sei „unglaublich gefährlich“ gewesen, was sie getan habe. Und alle seien froh, „dass es nicht anders ausgegangen ist“.

Eine Videoaufzeichnung hatte unter anderem ergeben, dass der Radfahrer keine Möglichkeit mehr hatte, auszuweichen. Man sei überzeugt, dass es der Frau nicht darauf angekommen sei, dass der Nachbar getötet werde, aber ebenso überzeugt, dass sie es in Kauf genommen habe, dass er sterben könnte. Sie sei in der Lage gewesen, dies zu verstehen und zu erkennen. Nach dem Sturz des Mannes habe sie von herbeigeeilten Passanten davon abgehalten werden müssen, „weiter auf ihn loszugehen“. Ein Rücktritt vom versuchten Totschlag sei nicht zu erkennen gewesen.

Das Opfer hatte in der Vernehmung auch angegeben, die Frau habe in der Nacht zuvor vor seiner Wohnungstür „Ich stech‘ dich ab!“ gerufen. Die Beschuldigte wiederum hatte bald nach der Tat „in Euphorie“ bei ihrer ehemaligen Betreuerin angerufen und freudig mitgeteilt, sie habe dem Mann „einen Denkzettel verpasst“. Nach Angaben des Sachverständigen hat sie ihm gegenüber „den Vorfall nicht bestritten“ und das Ganze als „sehr uncool“ bezeichnet.

Immer wieder Konflikte

Bei der 57-Jährigen bestehen nach einem 1995 vermutlich mittels Medikamenten und Alkohol begangenen Suizidversuch eine hirnorganische Schädigung und eine dadurch bedingte Persönlichkeitsstörung. Nach Wachkoma und jahrelangem Reha-Aufenthalt hatte sie 2004 die erste eigene Wohnung in Twistringen bezogen und war 2011 nach Bassum umgesiedelt. Die gelernte Tischlerin arbeitete dem Vernehmen nach zeitweise bei der Lebenshilfe. Konflikte mit Mitbewohnern und anderen, auch sie betreuenden Menschen hat es immer wieder gegeben. Impulsdurchbrüche und Affekthandlungen prägten das Krankheitsbild der Frau, die leicht wütend werde, dann pöbele und schreie, erklärte die Richterin. „Kostproben“ waren mitunter auch während der Verhandlung zu vernehmen gewesen.

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Momentan sehe die Kammer keine Handhabe, die Unterbringung zur Bewährung auszusetzen. „Dies kann aber Ihr Ziel sein“, wandte sich die Vorsitzende direkt an die Beschuldigte. Es zu erreichen, sei ihr auch wünschen.

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