Stuhr. Wie können die Biotope im Nordkreis Diepholz besser vernetzt werden? Mit dieser Frage beschäftigt sich derzeit ein neues Projekt der Win-Region, zu der die Gemeinden Stuhr und Weyhe sowie die Städte Syke, Bassum und Twistringen gehören. Gemeinsam wollen die Kommunen ein sogenanntes Biotopverbundkonzept entwickeln. So sollen die Biotope besser verknüpft und somit ein Beitrag zum Umwelt- und Artenschutz geleistet werden. Die ersten Schritte dieser Planungen waren am Donnerstag Thema im Stuhrer Ausschuss für Gemeindeentwicklung und Umwelt.
Den Ausschussmitgliedern stellten Stuhrs Umweltbeauftragter Marc Plitzko und Elisabeth Ferus vom Planungsbüro NWP aus Oldenburg einen ersten Stand vor. Plitzko betonte gleich zu Beginn, dass es sich bei der Konzeption nicht um ein "verbindliches Planungsinstrument" handle, sondern um "ein naturschutzfachliches Gutachten". Dieses sei freiwillig und habe keine bindende Wirkung. Ziel des Konzepts sei es, die bereits vorhandenen Biotope zu vernetzen. Alle Überlegungen stehen dabei auch vor dem Hintergrund des Arten- und insbesondere des Insektensterbens, ergänzte Ferus. "Die Naturschutzmaßnahmen sollen räumlich koordiniert werden", sagte sie.
Doch wie soll das geschehen? In einem ersten Schritt erfassten die Planer alle relevanten Biotope in der Win-Region. Dabei griffen sie auf Daten aus dem Landes- und dem regionalen Raumordnungsprogramm des Landkreises, das niedersächsische Landschaftsprogramm sowie auf Informationen der Kommunen zurück. Auch lokale Naturschutz-, Fischerei-, Gewässer- und Landwirtschaftsverbände seien angefragt worden. "Leider gab es nur eine recht eingeschränkte Resonanz", so Ferus.
Aus den Daten wurden die Kernflächen für das Konzept herausgearbeitet. Dabei handele es sich um Biotopflächen von hoher Bedeutung. "Das Hauptaugenmerk liegt auf den Vernetzungskorridoren", berichtete Ferus. Diese Bereiche zwischen den einzelnen Biotopen sollen für eine Verbindung sorgen und den Lebensraum von Tieren erweitern. Dort werden die größten Potenziale für die Aufwertung gesehen. Die Korridore verstehen sich dabei als "Suchräume", in denen Projekte vorgesehen werden können. Sie sollen also nicht vollständig in Anspruch genommen werden, so Ferus. Zentrales Kriterium sei dort die Flächenverfügbarkeit. Die Räume sollen nicht zu eng, aber auch nicht zu weit gefasst werden und können auch Siedlungsräume umfassen. Das sei gerade für den dichtbebauten Norden und Stuhr wichtig, so Ferus. Für den "Bremer Speckgürtel" müssten auch Projekte mit Privathaushalten im Auge behalten werden. "Jeder Interessierte kann im eigenen Garten einen Beitrag leisten", sagte sie.
Als schützenswerte Lebensraumtypen werden in dem Konzept Gewässer, Offenland und naturnahe Wälder genannt. In Stuhr kommen all diese Lebensräume vor. Mit dem Dünsener Bach, dem Klosterbach und der Ochtum sowie dem Hombach finden sich Gewässerräume. Offenland gibt es vor allem in der Steller Heide, den Siekwiesen, den Kladdinger Wiesen und im Brinkumer Kronsbruch. Zu den Waldflächen zählen Teile der Steller Heide, Bereiche am Klosterbach und im Süden der Gemeinde. Dabei sei auch zu sehen, dass sich die Typen überlagern können, so Ferus. Die möglichen Korridore als Verbindung von Bereichen seien gerade für den Norden etwas breiter ausgewiesen. Als Beispiel nannte die Planerin die mögliche, aber schwierige Verbindung der Kladdinger Wiesen zum Kronsbruch und noch weiter zur Leester Marsch.
Im nächsten Schritt des Konzepts sollen nun konkrete Projekte ausgearbeitet werden. Dabei soll auch die Öffentlichkeit eingebunden werden. Offene Fragen gebe es aber zum Beispiel bei gemeinsamen kommunalen Leitlinien und der Frage, welches Budget genutzt werden soll.
Für Frank Schröder (CDU) bedeutete das Konzept "viel Arbeit". Er hob hervor, dass vor allem auch die Landwirte in die Vorhaben miteinbezogen werden müssen. Das habe auch schon bei der Wiedervernässung der Schlatts funktioniert. Sein Fraktionskollege Lars Nordbruch wurde deutlicher: "Als Landwirt bin ich komplett gegen das Konzept." Er befürchtete neue Begehrlichkeiten auf die bereits jetzt knappe Nutzfläche. Von einer Einbindung der Landwirte habe er noch nichts gemerkt. Für eben jene Einbindung sprachen sich auch Jan-Alfred Meyer-Diekena (FDP), Jörg Böttcher (Vorsitzender Nabu Stuhr) und Bernhard Helmerichs (Grüne) aus. "Das Artensterben ist in der Gemeinde angekommen. Wichtig sind die Leute vor Ort", sagte Helmerichs, der auch Biotop-Beauftragter des Nabu ist. Die Projekte müssten natürlich immer mit den Landwirten vor Ort, nicht nur mit dem Flächeneigentümer, sondern auch mit den Anliegern abgestimmt werden, betonte Ferus.
Auch über eine Bündelung der Vorhaben mit den Ausgleichsflächen für Bauvorhaben der Gemeinde sprachen die Mitglieder. Sozialdemokrat Volker Barthel sprach sich dafür aus und lobte auch das gesamte Konzept. "Das wird jetzt schon immer mitgedacht", erklärte Plitzko. Eine direkte Koppelung sei zwar möglich, rechtlich und fachlich jedoch schwierig.
Jörg Böttcher berichtete, dass sich der Nabu bei der Datenerfassung beteiligt hat. "Das Konzept ist ein wichtiges Instrument und sollte bei Planungen mitgedacht werden", sagte er. Probleme sehe er vor allem im Norden, wo die großen Straßen A1, B6, B51 und B322 zusammentreffen. Bei einem möglichen Ausbau der Straßen müsse vermehrt auf die Durchlässigkeit für Arten geachtet werden. Das könne sich schwierig herausstellen, weil zumeist Land und Bund für die Straßen zuständig sind, entgegnete Ferus.
Besser-Ratsherr Joachim Döpkens, der auch Vorsitzender der Interessengemeinschaft Hochwasserschutz Stuhr ist, fand das Konzept "sehr interessant" und erkundigte sich, ob auch die Vorhaben zum Hochwasserschutz am Klosterbach miteinbezogen werden. "Die Maßnahmen passen gut zusammen", erklärte Ferus dazu.