Stuhr-Seckenhausen. Diesmal war Cora Buhlert auf die Nachricht besser vorbereitet. Sie wusste, wie die E-Mail aussehen muss, die nur an die Nominierten des Hugo Awards verschickt wird. Die Seckenhauserin hatte bereits im vergangenen Jahr Chancen auf die höchste Auszeichnung im Genre der Science Fiction (wir berichteten). Nun ist sie in der Kategorie "Fanautor" erneut unter den besten Sechs und hat damit Aussichten auf eine der begehrten Trophäen in Raketenform.
Buhlert ist für ihren Blog nominiert, einer virtuellen Plattform, auf der sie unter anderem Bücher aus dem Genre bespricht oder eigene Kurzgeschichten verfasst. Die 48-Jährige hat in Bremen Anglistik studiert und schreibt den Großteil ihrer Texte daher auf Englisch. Sie ist in der internationalen Science-Fiction-Szene gut vernetzt, kennt daher auch ihre Mit-Nominierten. "Ich würde mich für die anderen fünf genauso freuen", sagt sie.
Den Sieg hatte Buhlert im vergangenen Jahr nur knapp verpasst. Wie sie später erfuhr, landete sie auf Platz zwei, "relativ knapp hinter dem Erstplatzierten", sagt sie. 21 Stimmen Unterschied aus mehr als 700 waren es am Ende. Austragungsort der Preisverleihung, die am Ende des internationalen Szenetreffens Worldcon steht, hätte im vergangenen Jahr Neuseeland sein sollen. Aufgrund der Pandemie aber war die Veranstaltung ins Internet verlagert worden. Cora Buhlert saß im Abendkleid an ihrem Computer, hierzulande war es mitten in der Nacht. Moderator war der Schöpfer des Game-Of-Thrones-Universums, George R. R. Martin. Der Mann, der für das Entwickeln zahlreicher Handlungsstränge in seinen Geschichten bekannt ist, habe viel erzählt. Fast vier Stunden musste Buhlert warten, bis ihre Kategorie aufgerufen worden war, halb drei in der Früh war es da gerade.
Weil die Zahl der Impfungen weltweit zunimmt, sollen Worldcon und Preisverleihung diesmal wieder mit Publikum in Washington, D.C., in den USA stattfinden. Ursprünglich wäre das im August gewesen, sicherheitshalber soll es nun Ende Dezember so weit sein. Weil die Preise erst kurz vor Weihnachten vergeben werden und Buhlert die Festtage nicht mit einem Jetlag verbringen will, wird sie aber wohl erneut die Möglichkeit nutzen, von zu Hause aus der Veranstaltung zu folgen.
Für welche Texte genau ihre Fans die Autorin nominiert haben, weiß sie nicht. Mit einer ihrer Star-Trek-Rezensionen könnte sie überzeugt haben oder mit einem Beitrag aus dem internationalen Blog Galactic Journey. Dort sind die Uhren 55 Jahre in der Zeit zurückgedreht, Buhlert ist sozusagen als Berichterstatterin für Deutschland und Kontinentaleuropa tätig. So hatte sie sich jüngst mit den Rolling Stones befasst, die beinahe die Waldbühne in Berlin zerlegt hatten. "Man muss sich klar machen, was 1966 war, ohne das Wissen danach", erklärt Buhlert die Herausforderung beim Schreiben für den Zeitreise-Blog Galactic Journey. Die Seckenhauserin geht aber noch weiter in der Zeit zurück und rezensiert alte Science-Fiction-Geschichten. Dabei begegnen ihr auch Schilderungen von Technik, die damals noch Zukunftsmusik war. Auch inzwischen längst überholte Vorstellungen, etwa von der Beschaffenheit des Planeten Mars, kommen dort vor. Inhaltlich gesehen ist vieles in dem Genre nicht wirklich realistisch, doch das sei zweitrangig, wenn die Geschichte drum herum gut erzählt ist, sagt Buhlert.
Zu den bisherigen Preisträgern des Hugo Awards gehört unter anderem die Schöpferin des Zauberers Harry Potter, Joanne K. Rowling. Cora Buhlert ist erst die zweite Deutsche, die für den Preis nominiert worden ist. Für sie ist es eine besondere Ehre, dabei zu sein. 2019 war sie stellvertretend für ein nominiertes Magazin zur Preisverleihung nach Dublin gereist. 2022, wenn die Worldcon in Chicago stattfindet, will sie erneut direkt vor Ort sein. "Es ist ein bisschen wie die Oscars, nur mit noch bizarreren und wilderen Kleidern und T-Shirts", sagt sie.
Trophäe aus Kalifornien erhalten
Vorab konnte sich die 48-Jährige aber bereits über ihre erste Trophäe freuen. Der Space-Cowboy-Award kam eines Morgens mit der Post. Der "Space Cowboy Award for Support and Excellence in the Field of Science Fiction", so sein vollständiger Name, ist eine Ehrung für die Autorentätigkeit und sonstige Arbeit im Bereich der Science Fiction. Ein Buchladen-Besitzer aus Kalifornien und der Kreis der vorherigen Gewinner bestimmen die Preisträger. "Das sind meistens Leute aus der kalifornischen Science-Fiction-Szene; ich bin die erste nicht-amerikanische Gewinnerin", sagt Buhlert. Die Stuhrerin kennt den Besitzer des Buchladens und einige der früheren Gewinner über den Blog Galactic Journey. Der Buchladen unterhält auch einen Podcast für Science-Fiction-Kurzgeschichten namens Simultaneous Times, der zwei Geschichten von Buhlert produziert hat.
Für die Autorin war der Preis eine besondere Überraschung. Bisher hatte sie einmal die "Geschichte des Jahres" einer Zeitschrift geschrieben sowie einen Wettbewerb für kreatives Schreiben an der Uni gewonnen. Vielleicht kann sie sich zu Weihnachten ja über eine zweite Trophäe freuen, diesmal in Form einer viereinhalb Kilogramm schweren Metallrakete.