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Feuerwehrbedarfsplanung Stuhr muss künftig kräftig investieren

Das Gutachten zur Feuerwehrbedarfsplanung für die Gemeinde Stuhr ist im Fachausschuss vorgestellt worden. Es attestiert der Gemeinde die Erfüllung ihrer Schutzziele, zeigt aber auch Bedarfe für die Zukunft auf.
07.10.2020, 18:22 Uhr
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Stuhr muss künftig kräftig investieren
Von Alexandra Penth

Stuhr. Die Feuerwehr in der Gemeinde Stuhr kommt ihren Pflichten gemäß des Brandschutzgesetzes nach, hat aber auch ein überproportional großes Gefahrenpotenzial zu bewältigen. Das hat Gutachter Manfred Fennen vom Brandschutzbüro Fennen beim Erstellen der Feuerwehrbedarfsplanung für die Gemeinde festgestellt. Wie berichtet, hatte der Rat im Juni 2019 ein solches Gutachten in Auftrag gegeben. Dieses enthält Aussagen zu den Anschaffungen der kommenden fünf bis zehn Jahre. Das Konzept ist am Dienstag im Ausschuss für Verkehr, Ordnung und Soziales vorgestellt worden.

Um Daten für das 220 Seiten umfassende Gutachten zu sammeln, hatte sich Manfred Fennen mit Ortsbrandmeistern und Gemeindebrandmeister getroffen und sich die einzelnen Zuständigkeitsbereiche angesehen. Die Bewertung erfolgte anhand der Gefährdungsbeurteilung regelmäßiger Einsätze sowie eines standardisierten Falles, nämlich eines kritischen Wohnungsbrandes. Das Szenario, sagte Fennen, ist bundesweit einheitlich bei der Erstellung der Feuerwehrbedarfsplanung.

Die Gefährdungsbeurteilung machte Fennen an den Kategorien Brand, Technische Hilfeleistung, Einsätze mit nuklearen, biologischen und chemischen Stoffen sowie Wasserunfälle fest. Die Ortsfeuerwehren Groß Mackenstedt und Stuhr haben aufgrund baulicher Strukturen bei Bränden die höchste Bewertungsstufe zu bewältigen. Bei der Technischen Hilfeleistung sind es Groß Mackenstedt und Brinkum, „das hängt mit der Autobahn zusammen“. Als Brandschutzexperte Fennen vor Ort Daten sammelte, hatte es einen schweren LKW-Unfall auf der A 1 gegeben. Der Verkehr war auf die Bundesstraße ausgewichen. Fennen beunruhigte das: „Im Zuge der Sperrung der Autobahn hat sich ein enormes Gefahrenpotenzial auf die Bundesstraße verlagert.“ Im Bereich der Einsätze rund um chemische Stoffe erreichen alle Ortswehren die hohe Stufe 3, nur Stuhr liegt knapp darunter. Das liegt laut Fennen daran, dass es viel Industrie in der Gemeinde gibt, und auch hier spielen Unfälle auf der Autobahn hinein. Der Experte merkte kritisch zu dem Unfall, der sich während seiner Untersuchung ereignet hatte, an: „Wäre es auch noch zu einem Unfall auf der Bundesstraße gekommen und hätte die Stuhrer Feuerwehr auf Nachbargemeinden zurückgegriffen, wäre das ein Verstoß gegen das Brandschutzgesetz gewesen.“ Wasserunfälle bergen laut Gutachten dagegen ein geringeres Gefahrenpotenzial in Stuhr.

Die zweite, dem Gutachten zugrunde gelegte Säule ist ein fiktiver Wohnungsbrand im zweiten Obergeschoss mit verrauchtem Treppenhaus. Die Feuerwehr muss einen zweiten Rettungsweg sicherstellen, die Menschen retten und den Brand bekämpfen. „Der Einsatz kann so in jedem ländlichen Bereich stattfinden“, so Fennen. Laut Szenario kann sich ein Mensch theoretisch 13 Minuten in einem brennenden Haus befinden, bevor er ohnmächtig wird. Vier Minuten später ist rechnerisch die Reanimationsgrenze erreicht. Auf Stuhr gemünzt besagt das Schutzziel, im bebauten Gemeindegebiet innerhalb von zehn Minuten nach Notrufannahme mit einer Mindeststärke von neun Einsatzkräften beziehungsweise innerhalb von 15 Minuten nach Notrufannahme mit einer Mindeststärke von 18 Kräften „mit einer auf das kritische Brand- und Hilfeleistungsereignis ausgerichteten technischen Ausstattung“ vor Ort zu sein. Fennen dazu: „Ihre Feuerwehr ist heute so aufgestellt, dass das Schutzziel innerhalb der Gemeinde erreicht wird.“

Er kommt in seinem Gutachten zu dem Schluss, dass alle Feuerwehrhäuser künftig saniert oder erweitert werden müssen, auch, weil Fahrzeuge tendenziell immer größer werden. In Brinkum sollten zudem mittelfristig Sanitär- und Umkleidebereiche für beide Geschlechter angepasst werden. Das Haus in Fahrenhorst muss laut Fennen erweitert und auch dort müssten getrennte Duschen geschaffen werden. In Groß Mackenstedt steht derweil eine Erweiterung und Sanierung an, in Heiligenrode wird ebenfalls ein Neubau und eine Sanierung fällig, auch die Wache in Alt-Stuhr müsse erweitert werden. Die Beratung könne im Dezember 2020 in den ersten Feuerwehrhäusern beginnen und im Januar 2021 beendet werden, heißt es in der Sitzungsvorlage der Verwaltung. Dort steht auch, dass der Feuerwehrbedarfsplan teilweise jährlich von Gemeindebrandmeister und Verwaltung überarbeitet werden solle, regulär alle fünf Jahre. Zudem sollen die Ersatzbeschaffungsintervalle der Fahrzeuge von aktuell 25 auf 20 Jahre verkürzt werden.

Zusätzlich werden die Ortsfeuerwehren Brinkum und Groß Mackenstedt laut Gutachten je ein Tanklöschfahrzeug (TLF) 4000 (Löschwasserbehälter von 4000 Litern und fest eingebaute Schaummittelbehälter) benötigen. Die Auslieferung ist für 2022 vorgesehen. Grund sind laut Fennen die vielen Autobahneinsätze, bei denen es keinen Zugang zu Hydranten gibt. Perspektivisch sollen Stuhr 2023 und Seckenhausen 2025 folgen. Weil Seckenhausen zusätzliche Belüftungsaufgaben übernimmt, wird dort ein LUF 60 fällig, ein Gerät für Industriebrände. Außerdem: „Wir werden nicht drum herum kommen, in Stuhr eine zweite Drehleiter zu stationieren.“

Bis auf Brinkum (63 statt mindestens 72), Groß Mackenstedt (59 statt mindestens 72) und Stuhr (70 statt mindestens 72) liegen die Ortsfeuerwehren personell über dem Mindestmaß. Manfred Fennen: „Das ist nicht selbstverständlich. Wir haben in Niedersachsen Feuerwehren, die können tagsüber nicht mehr ausrücken.“ Da die Stuhrer Feuerwehrleute Einsätze „weit über dem Durchschnitt“ fahren, könne über Entlastungen nachgedacht werden.

Der Ausschuss hatte die Vorstellung einstimmig zur Kenntnis genommen. Aus den Fraktionen war der Wunsch zu vernehmen, die Feuerwehr in die weitere Planung einbeziehen zu wollen. Bernhard Helmerichs (Grüne) regte an, die zwei Häuser Groß Mackenstedt und Heiligenrode, sofern sie sowieso saniert oder neu gebaut werden müssen, eventuell zusammenzulegen. Zudem schlug er vor, ein jährliches Feuerwehrfest zu veranstalten. Heiner Lampe (CDU) sah es als richtige Entscheidung, das Gutachten in Auftrag gegeben zu haben. Das Stuhrer Bedarfsbeschaffungskonzept sei „in die Jahre gekommen“. Er betonte, dass die Politik dafür sorgen müsse, dass die Feuerwehr ihren Pflichten nachkommen kann. Ein Zusammenlegen der Feuerwehrhäuser lehnte Lampe wegen gewachsener Strukturen („Das ist auch Dorf, das ist Leben“) ab. Auch Jürgen Timm (FDP) sah das so. Ein solcher Vorschlag sei vor 40 Jahren bereits gescheitert. Auf die Frage eines Bürgers, ob es nicht Alternativen zu den TLF 4000 gebe, was Fennen mit Verweis auf rechtliche Normen verneinte, sagte Timm: „Wir streiten nicht über 1000 Liter Wasser“. Welche Kosten auf die Gemeinde zukommen, konnte Fachbereichsleiter Hartmut Martens noch nicht sagen, da bisher nur das Konzept vorliegt.

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