Stuhr-Groß Mackenstedt. Wer das Märchen von den Bremer Stadtmusikanten kennt, der weiß, dass es Esel, Hund, Katze und Hahn gar nicht bis nach Bremen geschafft haben. Nachdem sie die Gauner vertrieben hatten, gefiel es ihnen im Räuberhaus so gut, dass sie einfach dort geblieben sind. Nun gibt es etliche Spekulationen darüber, ob die Brüder Grimm einen tatsächlich existierenden Ort als Vorbild für das Räuberhaus hatten. Für Uwe und Birgit Reiter ist diese Diskussion längst beendet – sie haben sich auf ihrem Märchencamping-Platz im Stuhrer Ortsteil Groß Mackenstedt längst ihr eigenes Räuberhaus geschaffen. Passenderweise handelt es sich dabei um den Imbiss des Platzes und ebenfalls passenderweise erinnert auf dem Gelände noch viel mehr an die Stadtmusikanten und andere Märchen.
"Wir haben hier die Nachfahren der Stadtmusikanten", sagt Uwe Reiter, während er in Begleitung seiner Esel von der Rezeption aus über Drosselbarts Marktplatz zu einer Runde über den Campingplatz startet. Einer der vier Esel hat währenddessen den Frühstückstisch von Jannie und Henk Kroesen entdeckt. Das Ehepaar aus Coevorden in den Niederlanden ist über Freunde auf das Märchencamping Stuhr aufmerksam geworden. "Wir sind fünf Tage hier und es gefällt uns super", erzählt Henk Kroesen.

Auch Ponys gibt es beim Märchencamping. Erst vor Kurzem haben sie Nachwuchs bekommen. Normalerweise bieten die Reiters auch Veranstaltungen mit den Tieren an, wie Reiten für Kinder und ein Ponypicknick.
Der Besuch des Esels stört das Paar dabei ebenso wenig wie auch Ben und Bep Raven, die mit ihrem Wohnmobil auf einem Platz in der Nähe stehen. Für die beiden Niederländer aus Zaandam bei Amsterdam ist der tierische Besuch auch längst nichts Ungewöhnliches mehr, sie verbringen seit 35 Jahren ihren Urlaub auf dem Platz – gehörten also auch schon zu den Stammcampern, als Birgit und Uwe Reiter den Platz 2013 übernahmen. "Wir kommen meist an Pfingsten mit Familie und Freunden und dann noch einmal für eine Woche", erzählen sie. In diesem Jahr verbringen sie sogar ihren 55. Hochzeitstag auf dem Platz. "Wir erholen uns hier", sagt Bep Raven und ihr Mann ergänzt in Richtung der Betreiber, dass man auch einfach die "lieben Leute" schätzt.
Viel Liebe, Arbeit und Geld haben die Reiters auch in den Campingplatz investiert. Einen großen Sanierungsstau habe es gegeben, als sie den Platz kauften. Viel hätten sie schon erledigt, viel sei noch zu tun, so das Ehepaar. "Wir brauchen noch etwa fünf Jahre, bis wir den Renovierungsstau aufgeholt haben", schätzen Uwe und Birgit Reiter. Den Campingplatz selbst gibt es seit 1970. In der Nähe war im Zuge des Autobahnbaus der Steller See entstanden, zwei Landwirte hatten dann die Idee, dort einen Campingplatz zu eröffnen. Irgendwann sei es zum Streit gekommen und der Platz wurde getrennt. So kam es, dass das heutige Märchencamping keinen direkten Zugang zum See hat. Stattdessen wurde ein Schwimmbecken gebaut. Das ist 25 mal 12 Meter groß und existiert immer noch. Daneben befindet sich ein kleines Becken für Kinder und mittlerweile auch eine Fasssauna.

Das große Schwimmbecken und das kleine Kinderbecken werden von den Gästen gerne genutzt.
Der Platz in Groß Mackenstedt ist bereits das zweite Märchencamping, das die Reiters betreiben. Um ihren ersten Platz im hessischen Naumburg kümmerten sie sich noch als Pächter, sie wollten aber gerne einen Platz auch komplett ihr Eigen nennen. Das Thema Märchencamping haben sie dabei in Naumburg und in Groß Mackenstedt ganz bewusst gewählt. "Wir wollen mit einfachen Worten sagen, dass Kinder willkommen sind", erklärt Uwe Reiter.
Die kleinen Gäste – aber auch die großen – dürften sich auf dem Platz fast wie in einem Streichelzoo fühlen. Neben den Eseln streifen auch die Katze und einige Hühner auf dem Platz frei umher. Außerdem gibt es Ponys sowie Gehege mit Präriehunden und Baumstreifenhörnchen sowie mit verschiedenen Sittichen. Für viele Kinder sei die Begegnung mit den Tieren ein besonderes Erlebnis, hat Uwe Reiter beobachtet. "Sie kennen das sonst nur aus dem Fernsehen", sagt er. Natürlich würden sie den Gästen bei der Ankunft erklären, was sie erwartet.

Uwe und Birgit Reiter haben den Campingplatz 2013 übernommen.
170 Plätze für Dauercamper befinden sich auf dem Gelände an der Straße Zum Steller See 83, dazu kommen 80 Plätze für Kurzzeitcamper, darunter auch einige Mobilheime. "Viele Dauercamper kommen aus dem Umland, aus Bremen, Delmenhorst oder auch aus Papenburg", berichten die Reiters. Viele Plätze seien als Doppelplätze vergeben, was ganz im Sinne der Besitzer ist. "Es führt auch schnell zu Spannungen, wenn man zu eng aufeinander hockt", so ihre Erfahrung. Touristen würden meist für einige Tage einen Zwischenstopp beim Märchencamping einlegen, Gäste aus den Niederlanden, aus Norwegen, Schweden, Dänemark und Frankreich seien darunter. "Wir hatten hier aber auch schon mehrmals eine Gruppe aus Südkorea, die 30 bis 40 Iglu-Zelte aufgestellt hat", erinnern sie sich.
Vor der Corona-Pandemie sei die Auslastung des Platzes "ständig steigend" gewesen. Doch auch nach der langen Zwangspause wollen die Reiters nicht klagen. "Wir sind mit einem blauen Augen davon gekommen", sagt Uwe Reiter und seine Frau fügt hinzu, dass sie wohl dennoch zufrieden sein können. Pläne haben die Reiters ohnehin genug. Zum einen gebe es auf dem Campingplatz immer viel Arbeit und zum anderen denken die Eheleute auch schon weiter in die Zukunft. Birgit Reiter ist 59, ihr Mann 57. Als Nachfolger ist bereits Birgits Sohn gefunden, schon jetzt ist er mit auf dem Platz tätig. "Langfristige Entscheidungen treffen wir zusammen", sagt Birgit Reiter. Ein schleichender Übergang sei geplant.
Die Reiters selbst werden dann aber nicht immer vor Ort sein, denn sie reisen selbst gerne und haben mit Namibia ein Land gefunden, in dem sie nicht nur ihren Lebensabend verbringen möchten, sondern auch ein weiteres Projekt verwirklichen möchten: Es soll wieder ein Campingplatz angelehnt ans Thema Märchen entstehen.