Stuhr. Erich Sigloch erinnert sich noch genau an den Aufruf "Öffnet die Kirchtürme". Die Schleiereule war einige Jahre vorher zum Vogel des Jahres gekürt worden und der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) wollte den Vögeln mit dem Aufruf zu mehr Nistmöglichkeiten verhelfen. Die Stuhrer Naturschützer, zu denen auch Sigloch gehörte, folgten diesem Aufruf gerne und installierten ab 1981 in den Kirchen in Brinkum und Stuhr die ersten Nistkästen. Heute – 40 Jahre später – spricht Sigloch von einer "Erfolgsgeschichte": Nachdem die Brutmöglichkeiten anfangs nur zögerlich von den Schleiereulen genutzt wurden, zählen die Stuhrer Naturschützer mittlerweile jedes Jahr zahlreiche Jungvögel in den Nestern.
Nach Rücksprache mit den Kirchenvertretern seien die ersten beiden Nistkästen aufgehängt worden, erinnert sich Erich Sigloch. Der Varreler hat dieses Jahr seinen 80. Geburtstag gefeiert, er ist mittlerweile also sein halbes Leben lang im Schleiereulenschutz aktiv. 1983 sei eine weitere Nistgelegenheit hinzugekommen, außerdem richtete das Eulenteam des auch noch recht frischen Nabu-Ortsverbandes in der Brinkumer Kirche weitere Brutnischen her.
"Ein erster spärlicher Erfolg stelle sich 1984 im Stuhrer Kirchturm ein. Ein Eulenpaar hatte vier Junge zu versorgen", berichtet Sigloch. Doch drei Jungvögel überlebten nicht, Sigloch vermutet, dass Nahrungsmangel infolge tagelangen Regens der Grund war. Die vierte kleine Eule wurde daraufhin geborgen und der Familie Hiller in Heiligenrode zur weiteren Pflege übergeben. Der Vogel überlebte und wurde später ausgewildert.

Vier junge Eulen kamen 1984 im Stuhrer Kirchturm zur Welt, drei überlebten nicht. Die vierte kleine Eule wurde deshalb von Ingrid Hiller und ihrer Familie in Heiligenrode aufgezogen und später ausgewildert.
Von den zunächst mäßigen Brutergebnissen ließen sich die Ehrenamtlichen nicht entmutigen. "Wir hielten nach geeigneten Lebensräumen für Schleiereulen Ausschau", so Sigloch und nennt Bauernhöfe mit Schuppen und Scheunen sowie möglichst grünem Umland als Beispiele. Geeignet seien auch Pferdehöfe oder Höfe mit Viehhaltung. "Nach Rücksprache waren die Landwirte ausnahmslos mit dem Anbringen der großräumigen Nistkästen einverstanden", berichtet er. Gerade bei den Älteren sei die Schleiereule als "Kattuhl" (Katzeneule) als Mäusefänger durchaus willkommen gewesen.
Der Nabu veranstaltete weitere Nistkastenaktionen. "Eifrig wurden Nistkästen mit den Ausmaßen 1 mal 0,50 mal 0,50 Meter gebastelt. Bis heute wurden in der Gemeinde Stuhr über 90 Kästen in oft großer Höhe von fünf bis acht Metern in beschwerlicher Arbeit angebracht", erzählt Erich Sigloch. Auch in anderen Orten in der Umgebung wie Nordwohlde, Bramstedt, Lemwerder, Weyhe und Hasbergen wurde etwa ein Dutzend Nistkästen installiert. "Der große Erfolg blieb zunächst aus. Der harte Winter 1985/86 hatte wohl zu große Lücken in den Schleiereulenbestand Norddeutschlands geschlagen", so Sigloch. Nur an ein bis drei optimalen Nistplätzen stellte sich Nachwuchs ein.
Doch die Naturschützer gaben nicht auf und ab 1993 kam dann auch der große Durchbruch. "Das Jahr 1996 übertraf alle Erwartungen. Insgesamt zwölf Brutpaare mit einigen Zweitbruten zogen über 78 Jungvögel auf", freut sich Sigloch noch heute und erklärt, dass im fortgeschrittenen Stadium der Jungvögel 30 bis 40 Mäuse je Brut und Nacht verfüttert werden müssen. Das Ergebnis von 1996 wurde sogar noch mehrfach getoppt, besonders bei der Schleiereule steht der Bruterfolg laut Sigloch aber in engem Zusammenhang mit dem Vorkommen der Mäuse. "In mäusearmen Jahren brüten bis zu 80 Prozent der Paare nicht oder haben nur wenige Jungvögel", so der Experte. In Jahren, in denen sich speziell die Feldmäuse massenhaft vermehrt hatten, habe es bei einigen Schleiereulen durchaus zwei Bruten gegeben. Im Extremjahr 2019 gab es sogar ein Paar mit drei Bruten.
"Schleiereulen sind besonders kälteempfindlich. Zudem können bei einer Schneedecke über etwa sieben Zentimetern die Mäuse nicht mehr geortet und erreicht werden", erklärt Sigloch, warum in diesem Jahr viele Schleiereulen aber auch Mäusebussarde verendet aufgefunden wurden. Die Vögel sind an Nahrungsmangel gestorben. "Der letzte Winter hat auch den Stuhrer Schleiereulen also zugesetzt", berichtet er. Viele, sonst durchgängig belegte Nistkästen seien verwaist geblieben. Umso größer war die Freude, dass sich 2021 immerhin sieben Brutpaare eingefunden hatten.
"Die Schleiereulen-Nistkästen-Aktionen sind eine aufwendige, mühevolle Arbeit, die jedoch jedes Jahr aufs Neue durch spannende Ergebnisse belohnt wird", zieht Sigloch ein positives Fazit. Schützenswerte Tiere würden dadurch ein relativ sicheres Zuhause bekommen. Froh ist Erich Sigloch auch deshalb darüber, dass es neue Ehrenamtliche gibt, die im Eulenteam aktiv sind. Weitere Eulenfans seien aber willkommen, zur Kontaktaufnahme verweist er auf die Homepage des Nabu Stuhr unter www.nabu-stuhr.de.