Stuhr. Die Straßenbahnverlängerung der Linie 8 kann kommen: Dafür hat sich am Mittwochabend mit großer Mehrheit der Rat der Gemeinde Stuhr ausgesprochen. Nur die beiden Politiker der Besser-Fraktion stimmten erwartungsgemäß gegen das Großprojekt, das nun nach über 20 Jahren Planung tatsächlich in die Umsetzung gehen kann – vorbehaltlich der Zustimmung des Weyher Gemeinderats. Ebenfalls erwartungsgemäß hatten sich zu der Sitzung im Stuhrer Rathaus einige Gegner der Linie 8 eingefunden, ihre Argumente und die gestiegenen Kosten konnten die Ratsmitglieder aber nicht mehr umstimmen.
Bereits 2002 hatte sich der Stuhrer Rat grundlegend für die Verlängerung der Linie 8 ausgesprochen. Seit 2013 liegt der Planfeststellungsbeschluss vor. Durch diverse Gerichtsverfahren konnte jedoch nicht mit dem Bau begonnen werden. Änderungen am ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss gab es letztendlich durch die Klagen nicht. Seit Januar 2022 liege nun für den gesamten Bereich der Verlängerung vom Roland-Center in Huchting über Moordeich, Alt-Stuhr und Brinkum bis nach Leeste Baurecht vor, teilte Andreas Bobka vom Finanzcontrolling zu Beginn der Ratssitzung mit.

Die Verlängerung der Linie 8 wird auf der Trasse der Bremen Thedinghauser Eisenbahn (BTE) bis nach Leeste fahren, die dafür ausgebaut werden soll. Geplant sind mehrere Haltestellen.
Neu war nun ein entsprechend aktualisierter Finanzierungs- und Umsetzungsbeschluss, denn die letzte Kostenberechnung stammte aus dem Jahr 2011. Damals war ein Eigenanteil der Gemeinde Stuhr von 5,13 Millionen Euro netto berechnet worden, die Neuberechnung hat laut Bobka nun einen Stuhrer Eigenanteil von 6,14 Millionen Euro ergeben.
Insgesamt ist das Projekt jedoch deutlich teurer geworden. Wie berichtet, hat die technisch-wirtschaftliche Prüfung der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) mit dem Kostenstand vom ersten Quartal 2022 für die Verlängerung der Linie 8 vom Abzweig Heinrich-Plett-Allee bis zur Wendeschleife im Bereich der Straße Am Weißen Moor in Leeste Kosten in Höhe von rund 64,6 Millionen Euro netto ergeben. Die Finanzierung des Streckenabschnitts der Linie 8 in Bremen (Abschnitt IV) auf den Anlagen der Bremen-Thedinghauser-Eisenbahn GmbH (BTE) erfolgt durch Bremen unter Einbeziehung von Fördermitteln. Insgesamt kommt die neue Kalkulation auf Gesamtkosten von 80,9 Millionen Euro. 2011 war man noch von 33,09 Millionen Euro ausgegangen.
Hohe Förderung
"Die Förderkulisse hat sich aber auch geändert", berichtete Bobka, warum dennoch der Eigenanteil der beteiligten Kommunen nicht in dem Maße steigt. Da es sich um eine Reaktivierung einer Eisenbahnstrecke für den Personenverkehr handelt, könne der Bund nun zuwendungsfähige Kosten voraussichtlich mit bis zu 90 Prozent fördern, bei vorherigen Umsetzungs- und Finanzierungsbeschlüssen waren es noch 60 Prozent. Hinzu könnten fünf Prozent aus dem ÖPNV-Förderprogramm des Landes kommen.
Aus dem Publikum meldete sich die Weyher FDP-Politikerin Antje Sengstake. "Wir reden über ein Massenverkehrsmittel, Massen sehe ich in Stuhr und Weyhe aber nicht", sagte sie und wollte wissen, ob Folgekosten berechnet worden seien. "Das Ganze ist umfassend berechnet worden", entgegnete Bürgermeister Stephan Korte und verwies auf die jüngste Standardisierte Bewertung, die einen Wert von 1,5 ergeben hätte. Das bedeutet, dass die Wirtschaftlichkeit nachgewiesen wurde. Ein anderer Bürger kritisierte die Straßenbahnverlängerung als "völlig überdimensioniert". "Ja, es wird Stoßzeiten geben", so Korte dazu. Der Bürger rechnete zudem vor, dass sich durch Straßenquerungen der Linie 8 zeitliche Sperrungen von 15 Prozent ergeben würden. Dem konnte die Verwaltung nicht widersprechen.
Antje Sengstake wollte wissen, was passiert, wenn die Förderung nicht bezahlt wird. "Die Anträge können erst gestellt werden, wenn die Beschlüsse vorliegen", so Korte. Es gebe aber natürlich eine enge Abstimmung, sodass man relativ sicher sein könnte, dass die Gelder auch fließen. Sollte dies "wider alle Realitäten" nicht eintreten, fehle die Geschäftsgrundlage für das Projekt. "Sie können beruhigt sein, unser Anteil wird sich im Rahmen der bereits gefassten Beschlüsse bewegen", versprach der Bürgermeister.
Für die CDU-Fraktion zeigte sich ihr Vorsitzender Finn Kortkamp froh, "diesen Beschluss noch einmal fassen zu können", wenn auch nach seinem Geschmack "viel zu spät". "Ich würde gerne schon mit der Straßenbahn fahren", sagte Kortkamp. Von vielen Stellen sei der Gemeinde bescheinigt worden, wie wichtig und richtig das Projekt sei. "Wenn also hier manchmal der Eindruck erweckt wird, hier gibt es einen wild gewordenen Gemeinderat, der aus Jux und Dollerei entscheidet, dann ist dem mitnichten so", betonte der CDU-Politiker und verwies auf die Fördermittel. Auch berichtete er von vielen Begegnungen mit Bürgern während der Wahlkämpfe 2016 und 2021, die wissen wollten, wann die Straßenbahn endlich fährt. Es sei daher eine "völlig verzerrte Wahrnehmung" der Gegner der Linie 8, dass es in der Bevölkerung massive Widerstände gegen das Projekt gibt.
Viel Zustimmung
Susanne Cohrs, Fraktionsvorsitzende der SPD, nannte den anstehenden Beschluss einen "Meilenstein". "Jetzt wendet sich das Blatt, es hat sich ausgeklagt", sagte sie in Richtung der Gegner. Nun nehme die Linie 8 endlich Fahrt auf und trage damit auch zum Klimaschutz bei. "Und man steht nicht im Stau", so Cohrs. "Wir sind noch nie so nah dran gewesen an der Straßenbahn wie heute", sagte auch Alexander Carapinha Hesse, Chef der FDP-Fraktion. Natürlich hätten die zehn Jahre Verzug durch die Klagen zu Kostensteigerungen beigetragen. Aber das sei ein demokratischer Prozess, der seinen Preis habe. Man könne jedoch auch nicht ignorieren, dass Stuhr kein verschlafenes Dorf mehr ist. Keinen Zweifel an ihrer Zustimmung ließ auch Britta Buttelmann (Grüne). "Ich stehe hier mit großer Begeisterung für die Linie 8", sagte sie. Die Straßenbahn ermögliche individuelle Mobilität, soziale Gerechtigkeit sowie eine barrierefreie Infrastruktur und fördere wirtschaftliche Entwicklung.

Der Stuhrer Gemeinderat hat sich am Mittwochabend bei zwei Gegenstimmen erneut für die Verlängerung der Linie 8 ausgesprochen.
Gegner der Verlängerung war schon immer die Besser-Fraktion, die dies erneut deutlich machte. Die Trasse verlaufe quer zu den Hauptverkehrsachsen, sagte Joachim Döpkens. "Eine vernünftige Bürgerbeteiligung zur Linie 8 hat es nie gegeben", beklagte er außerdem. Außerdem fehle ein "vernünftiges ÖPNV-Konzept". Und der Fraktionsvorsitzende Gerd-Wilhelm Bode kritisierte, dass die Straßenbahn nicht direkt am neuen Brinkumer Marktplatz hält. "Mit der Linie 8 werden keine Probleme gelöst, die fangen erst an", mahnte er. Zu 100 Prozent überzeugt zeigte sich auch Michael Schnieder (AfD) nicht: "Perfekt ist es nicht, aber ein Schritt in die richtige Richtung." Der Individualverkehr würde an seine Grenzen stoßen.
Am Ende stimmten nur Bode und Döpkens gegen den Umsetzungs- und Finanzierungsbeschluss, alle anderen Mitglieder hoben für die Straßenbahnverlängerung ihre Hand.