Stuhr. Im vergangenen Jahr hatte der Rat der Gemeinde Stuhr beschlossen, eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 Stundenkilometer in den geschlossenen Ortschaften anzustreben (wir berichteten). Auf Kreis- und Gemeindestraßen außerhalb geschlossener Ortschaften, die nur über unzureichende oder keine Radwege verfügen, sollte dies ebenfalls geprüft werden. In einem ersten Schritt war die Verwaltung mit der Ausarbeitung eines Konzeptes zur Geschwindigkeitsreduzierung beauftragt worden. Dann sollte sukzessive die Prüfung aller Ortsteile anhand des Konzeptes folgen. Am Dienstag hat die Verwaltung den Mitgliedern des Ausschusses für Verkehr, Ordnung und Sicherheit nun den aktuellen Sachstand für die Ortsteile Moordeich und Stuhr vorgestellt.
Der Fachdienst Verkehr und Feuerwehr hatte sich mit den Gemeindestraßen in beiden Ortsteilen befasst, für die noch nicht 30 Kilometer pro Stunde angeordnet wurden und sich nicht in einer Tempo-30-Zone befinden. Zudem seien für die Ortsteile die gutachterlichen Empfehlungen zum Radverkehrskonzept bewertet und teils einbezogen worden.
Wie Petra Dierks aus dem Fachdienst vorstellte, hat die Verwaltung innerorts in Moordeich 14 Straßen ausfindig gemacht, bei denen eine Reduzierung auf Tempo 30 infrage kommt. Ausnahmen bilden An der Bahn, wo aktuell Tempo 50 gilt und es sich um ein Gewerbegebiet handelt, und die Werkstraße. Ausgeklammert sind derzeit noch die Moordeicher und Stuhrer Landstraße, da sich die Gemeinde diesbezüglich derzeit im Austausch mit dem Verkehrsministerium in Hannover und der Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr befindet, wo die Zuständigkeiten liegen.
Halbierte Tempovorgabe
Außerorts haben die Prüfungen für Moordeich ergeben, dass auf der Straße Barkener Weg, wo derzeit 100 Stundenkilometer erlaubt sind, künftig Tempo 50 gelten soll. Auf dem Varreler Feld sollen statt 70 künftig 50 Stundenkilometer zugelassen sein. Derzeit können auf der Straße Zur Wisch 100 Kilometer pro Stunde gefahren werden, dort soll Tempo 30 gelten. "Ausnahmen befinden sich in Gewerbegebieten", sagte Dierks. Dort gelte überall Tempo 50, so auch auf der Gutenbergstraße, Johannes-Kepler-Straße, Kladdinger Straße, Ladestraße, Max-Planck-Straße, Nikolaus-Otto-Straße, Werner-von-Siemens-Straße und Zeppelinstraße.
Im Ortsteil Stuhr hat die Verwaltung innerorts fünf Straßen für Tempo 30 im Blick. Für eine Temporeduzierung außerorts sind Am Braunwasser (aktuell 100 Stundenkilometer, künftig 50), Heidestraße (aktuell 100, künftig Tempo 50), Kladdinger Straße (aktuell 70, künftig 50), Kronsbrook (künftig das ganze Jahr über Tempo 30), Moorhusen (aktuell 100, künftig 30), Obernheider Straße (aktuell 50 beziehungsweise 100, künftig durchgängig 50), Schulweg (aktuell 100, künftig 50), Stubbeweg (aktuell 100, künftig 30) und Stuhrreihe (aktuell 50, künftig 30) identifiziert worden. Zur räumlichen Trennung und Verbesserung des Sicherheitsempfindens sollen zwischen Kladdinger Straße 12 und Heulandsweg im Zuge des Radverkehrskonzeptes spätestens 2024 Schutzplanken montiert werden. Laut Petra Dierks fehlt noch die Carl-Zeiss-Straße, die zu einem späteren Zeitpunkt geprüft werden soll. Auf der Stuhrer Landstraße sei Tempo 30 in Vorbereitung. An der Blockener Straße gibt es eine Anordnung zur Temporeduzierung, diese ist aber noch nicht umgesetzt.
Für Jonas Thomsen (FDP) gibt es in Stuhr viele Beispiele für Straßen, auf denen Tempo 100 "nicht mehr zeitgemäß" ist. So etwa der Barkener Weg. Heiner Lampe (CDU) äußerte im Namen seiner Fraktion hingegen: "Uns ist das too much hier." Einige der genannten Straßen seien als "Pseudostraßen" anzusehen. "Der Beschlussvorschlag hat nichts zu sagen über andere Maßnahmen." Das Ziel dahinter sei für Lampe vielmehr, "alles auf Tempo 30 zu reduzieren". Er verkündete, dass seine Fraktion dem Vorschlag nicht zustimmen werde, da er "zu stark gegen Autofahrer" gehe. Wilhelm Meerkamp, der für die Stuhrer Ortsgruppe des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) an der Sitzung teilnahm, warnte davor, den Beschluss "hochzustilisieren zu einem Kulturkampf". Der Rat habe immerhin zugestimmt, dem Thema Sicherheit im Straßenverkehr eine hohe Bedeutung beizumessen. Meerkamp nannte dabei die Mission Zero, deren Ziel es ist, die Zahl der Unfalltoten auf null zu reduzieren. "In dem Zuge muss man auch über Temporeduzierung reden", sagte Meerkamp. Radfahrer und Fußgänger seien besonders gefährdet.
Nicht nur Radfahrer und Fußgänger freuten sich in der Regel über Tempo 30, sondern auch die Anwohner, sagte Jonas Thomsen. "Was würden wir uns die Finger danach lecken, wenn wir bei uns an der Warwer Straße Tempo 30 hinbekommen würden." Ihre Fraktion werde den Vorschlag "wohlwollend zur Kenntnis nehmen", sagte Susanne Cohrs (SPD). Bernhard Helmerichs (Grüne) erklärte in Bezug auf die Bedenken der CDU, dass die "Gemeinde als Souverän besser Bescheid weiß, was in unserer Gemeinde möglich und machbar ist". Daraufhin meldete sich Uwe Schweers (CDU) zu Wort, der eigentlich den Ausschussvorsitz übernahm, diesen aber vorübergehend an Fraktionskollegin Frauke Koersen abgab. "Wir setzen vieles um, keiner kontrolliert es", kritisierte er. So seien viele E-Rollerfahrer auf Fußwegen unterwegs, die für Radverkehr zugelassen sind. "Ein Roller hat auf dem Fußweg nichts zu suchen", sagte Schweers. Wolfgang Depken (Grüne) erinnerte daran, dass die Zuständigkeit für den fließenden Verkehr bei der Polizei liegt.
Gewerbegebiete nicht betroffen
Sie verstehe, dass dort, wo viel Radverkehr ist, Tempo 30 gilt, sagte Frauke Koersen. Andererseits: "Der Verkehr muss auch fließen." Im Ortskern sei eine Reduzierung sinnvoll, jedoch nicht auf den Hauptrouten zu den Gewerbegebieten. Das sei auch so vorgesehen, sagte Erste Gemeinderätin Bettina Scharrelmann. In den Ortskernen, wo es keine gesonderten Radwege gibt, "macht Tempo 30 Sinn". An der Blockener Straße im Ortskern Stuhr trauen sich oft nur wenige Radfahrer auf die Straße, fahren aber auf dem Fußweg schneller als die zugelassene Schrittgeschwindigkeit. "Wir wollen nicht überall Tempo 30, nur da, wo es sinnvoll ist", betonte Scharrelmann. Dass der Verkehr bei Temporeduzierung schlechter abfließt, sei nicht richtig, sagte Wilhelm Meerkamp. Auch auf den Autobahnen werde bei Staubildung vorübergehend zu jenem Mittel gegriffen.