Landkreis Diepholz. Die Spargelernte hat begonnen. In diesem Jahr sprießt das wertvolle Gemüse im Spargelspitzenland Niedersachsen etwas später aus dem Boden, weil die Temperaturen noch lange kühl blieben. Kristian Wichmann vom Spargelhof in Bassum sieht das gelassen. "Es geht halt alles ein bisschen später los. Das hat Vor- und Nachteile. Jetzt sind alle schon heiß auf Spargel," sagt er. Seine Spargel- und Erdbeerhäuschen, die bis nach Bremen und Hannover stehen, öffnen allesamt an diesem Wochenende. Einige sind bereits geöffnet. Die Logistik dafür steuert Wichmann aus Bassum, alles läuft digital.
Jeder Einkauf im Tablet
700 Personen hat Kristian Wichmann für den Verkauf und Vertrieb im Einsatz, in der Haupterntezeit arbeiten bis zu 400 Erntehelfer auf seinen Feldern. Das bedeutet für den Geschäftsführer jede Menge Koordination. Sein Büro entwickelt sich in dieser Zeit zur Schaltzentrale für die über 1000 Mitarbeiter und die unzähligen Kilo Spargel und Früchte. Allein sieben Mitarbeiter hat er nur für die hofeigene Software angestellt. Sein Unternehmen ist hoch digitalisiert. Alle Verkaufshäuschen sind mit Tablets ausgestattet, sodass er auf zwei großen Bildschirmen in seinem Büro in Bassum genau sehen kann, wann an welchem Stand eine Schale Erdbeeren oder ein Kilo Spargel über die Ladentheke gehen. So könne er, wenn einem Verkaufsstand eine Sorte ausgeht, direkt seine Fahrer beauftragen und von einem anderen Stand prompt nachliefern lassen.
Auch die Bewerbungen der Verkäufer und Erntehelfer laufen auf dem Wichmannhof digital. "Die Mitarbeiter bewerben sich über die Homepage auf einem Formular auf deutsch, rumänisch oder polnisch und ich kann ihnen in ihrer Sprache automatisiert antworten", erklärt Kristian Wichmann. Neben seinen rund 40 Festangestellten auf dem Hof arbeiten bereits die ersten Erntehelfer auf den Feldern.
Wenn ab Anfang Mai auch die Erdbeeren und später die Kirschen geerntet werden, sind bis zu 400 Saisonarbeiter aus Rumänien und Polen im Einsatz. Einer von ihnen ist Attila Honyabi aus Mureș in Rumänien. Der 27-Jährige kommt bereits zum vierten Mal für fünf, sechs Monate zum Arbeiten zum Wichmannhof. Das restliche Jahr lebt er in Mureș bei seinen Eltern. "Die Bedingungen in Rumänien sind schlecht. Für die Arbeit gibt es ganz wenig Geld", erzählt er. Deshalb arbeite er in seinem Heimatland nicht. Das Geld aus Deutschland reiche, um zu Hause über die Runden zu kommen. Seitdem er 18 Jahre alt ist und die Schule beendet hat, komme er hierher. Weil er in der Zeit deutsch gelernt und sich Wissen über die Abläufe und die Feinheiten beim Spargelanbau und bei der Obsternte angeeignet habe, ist er nicht mehr nur als reiner Erntehelfer auf dem Feld tätig. Er übersetzt für die rumänischen Kollegen und übernimmt zum Teil schon organisatorische Aufgaben.
Mindestlohn und Spargelpreise
Laut Mindestlohnregelung müssen auch die Landwirte ihre Erntehelfer mit mindestens 8,84 Euro pro Stunde entlohnen. "Wir werden pro Stunde bezahlt und müssen nicht im Akkord arbeiten", erzählt Attila Honyabi. Auch die Arbeitserfassung läuft bei Wichmann digital. Die Mitarbeiter loggen sich mit einem Chip ein- und aus. Kristian Wichmann sieht das Thema Mindestlohn realistisch. "Die Arbeiter selbst freuen sich natürlich darüber und es ist alles in Ordnung so. Wir ändern es eh nicht. Und warum soll es für den einen Menschen weniger geben als für den anderen", sagt er. Allerdings ist aus seiner Sicht mit der Thematik auch ein negativer Aspekt verbunden. Für Rumänen beispielsweise sei der Anreiz gering, in ihrem Land zu arbeiten und sich dort etwas aufzubauen, wenn die Löhne hierzulande so hoch seien.
Die Spargelpreise steigen mit der Lohnerhöhung entsprechend, weiß der Bassumer. Beim Spargel halte sich aber die Konkurrenz von Produkten aus anderen Ländern, die Discounter zu günstigen Preisen anbieten, in Grenzen. Der Vorteil, den Länder wie Spanien mit niedrigeren Löhnen und besseren klimatischen Bedingungen hätten, mache sich für den Bassumer Hof noch eher bei den Früchten als beim Spargel bemerkbar. "Wir haben in unserer Branche das Glück, dass die Leute schon hiesige Sachen essen wollen", sagt Wichmann.
Auf den 50 Hektar für weißen und zehn Hektar für grünen Spargel von Kristian Wichmann, schlummern viele der Stangen noch in der Erde. Die hohen Preise entstehen vor allem durch die arbeitsintensive Ernte des Edelgemüses. Mit der Spargelspinne, die die Folie hochzieht, fahren die Erntehelfer über das Feld. Die Spinne läuft elektrisch. Den Spargel aus dem Hügelbeet zu holen, ist – bei aller digitalen Entwicklung – immer noch reine Handarbeit. Nur alle paar Meter schauen die weißen Spitzen aus dem Boden. Einzeln werden sie mit den Fingern ausgebuddelt und, damit die umliegenden Stangen nicht kaputt gehen, vorsichtig abgestochen und aus der Erde gezogen. Dann kommen sie in grüne Kisten. Diese werden gescannt und das Ergebnis landet – wieder digital – auf dem Computer im Büro.
Wenn am Wochenende der Spargelverkauf in die Vollen geht, müssten Verbraucher laut der Agrarmarkt-Informationsgesellschaft in Bonn noch mit relativ hohen Preisen rechnen. Eine belastbare bundesweite Statistik über die Verbraucherpreise gebe es zwar noch nicht, der Verband Süddeutscher Spargel- und Erdbeerproduzenten habe einen Durchschnittspreis bei der Direktvermarktung von 16,50 Euro gemeldet. Je nach Qualität könne der Preis nach oben oder unten abweichen. In den Spargelhäuschen von Wichmann liegt der Preis bei rund 11,90 Euro für ein Kilo Spargel erster Wahl, im Supermarkt bei rund zehn Euro.