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Ökumenische Aktion Gegen rechte Gesinnung: Kirchengemeinden in Weyhe zeigen Flagge

Vor der Bundestagswahl schließen sich die Weyher Kirchengemeinden zwei ökumenischen Aktionen an, die zum Urnengang aufrufen, sich aber ganz klar gegen rechte Gesinnung und AfD aussprechen.
26.01.2025, 14:55 Uhr
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Gegen rechte Gesinnung: Kirchengemeinden in Weyhe zeigen Flagge
Von Alexandra Penth

Die beiden evangelischen Kirchengemeinden Kirchweyhe und Leeste sowie die katholische Kirchengemeinde Heilige Familie in Kirchweyhe machen ernst. Sie wollen sich anlässlich der bevorstehenden Bundestagswahl deutlich gegen rechte Gesinnung positionieren. Dabei schließen sie sich der Aktion „Unser Kreuz hat keine Haken“ an, die von der katholischen Domgemeinde St. Petrus in Osnabrück organisiert wird und an der sich viele weitere Kirchengemeinden beteiligen wollen.

So werden auch alle drei Weyher Kirchtürme ab Montag, 27. Januar, entsprechende Banner schmücken. Das Datum wurde bewusst auf den Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus gelegt, mit den Bannern wollen die Kirchengemeinden aber auch Flagge in Bezug auf die bevorstehende Wahl und das Erstarken rechtsextremer Tendenzen zeigen. "Es geht um das Kreuz als christliches Symbol. Das lassen wir uns nicht von Rassisten und Rechtsextremen vereinnahmen", erklärt der Leester Pastor Stephan Knapmeyer die Bedeutung der Aktion. Die christlichen Werte, die hinter dem Kreuz als Symbol stehen, richten sich gegen Ausgrenzung von Minderheiten, Hass und Hetze. Stattdessen fordere die Lehre Jesu eine Solidarisierung mit marginalisierten Gruppen.

Betonung der christlichen Werte

Alle Weyher Kirchengemeinden beteiligen sich darüber hinaus auch an der bundesweiten Kampagne "Für alle. Mit Herz und Verstand" von katholischer und evangelischer Kirche. Denn die christlichen Grundwerte Menschenwürde, Nächstenliebe und Zusammenhalt sind wichtiger denn je und bilden schließlich auch die Grundlage des Grundgesetzes der Bundesrepublik, betont die Kirchweyher Pastorin Almut Wenck. "Wir rufen unsere Gemeindemitglieder dazu auf, am 23. Februar nicht die AfD zu wählen", sagt ihr Kollege Gerald Meier. Deren Parteiprogramm sei unvereinbar mit den christlichen Werten. "Wir gehen von einem anderen Menschenbild aus", sagt der Theologe. Die AfD strebe vielmehr eine "Kulturwende" an, in der Egoismus, Ausgrenzung und Stigmatisierung an der Tagesordnung seien. "Uns geht es um Nächstenliebe. Und das ist nicht verhandelbar", sagt Meier. Natürlich komme da die Frage auf: Darf Kirche politisch sein? Meier sagt, sie kann gar nicht anders: "Entweder, wir schweigen zu einem Thema, was ja auch politische Auswirkungen hat. Oder wir äußern uns, was auf gesellschaftspolitischer Ebene ebenfalls Folgen hat." Jutta Sievers, Gemeindereferentin der Kirchengemeinde Heilige Familie, ergänzt: "Das ist unsere Aufgabe, das Evangelium auf die heutige Situation zu übertragen. Das sind keine alten Geschichten. Sie werden immer aktualisiert und in unsere Zeit reingesprochen."

Gleichzeitig rufen die Weyher Theologinnen und Theologen auch dazu auf, am 23. Februar zur Wahl zu gehen und das Kreuz bei einer Partei zu machen, die demokratische Werte vertritt. "Wir glauben, dass Gott die Menschen mit derselben Würde ausgestattet hat und keiner mehr wert als andere ist", betont Knapmeyer. Die AfD wolle Unterschiede betonen, Gesellschaftsgruppen spalten. "Man muss für die Demokratie insgesamt einstehen", sagt Jutta Sievers. Was verloren gehe, sei ein respektvoller Dialog, bei dem einander nicht ins Wort gefallen wird.

Deutliche Positionierung

So deutlich positioniert wie gegenwärtig hatten sich katholische und evangelische Kirchengemeinden bisher nicht. "Es war ja auch noch nicht notwendig", sagt Gerald Meier. Das Grundgesetz sei bislang nicht grundsätzlich infrage gestellt worden. Außerdem sollten nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholt und der richtige Zeitpunkt verpasst werden. In der Zeit des Nationalsozialismus haben sich die Kirchen mitunter "nicht mit Ruhm bekleckert", sagt Knapmeyer. Sicher gab es auch Widerstand auf Kirchenseite, aber "nicht alle sind aufgestanden für die jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger". Was laut Meier bei der Bundestagswahl im Februar auch nicht außer Acht gelassen werden sollte: Mit Andreas Iloff steht im Landkreis Diepholz nicht gerade ein "moderater" Vertreter, sondern ein dem Verfassungsschutz seit Langem bekannter Rechtsradikaler zur Wahl. "Er ist eine der zentralen Figuren in der niedersächsischen AfD."

Für umso wichtiger erachten es die Weyher Theologinnen und Theologen, den Emotionen ob der politischen Situation in Deutschland, der Uneinigkeit der vorigen Regierungsparteien und dem weltweiten Geschehen "mit Verstand zu begegnen", sagt Meier. Diese sollten nicht noch angefeuert werden, wie es etwa die AfD versuche. Einfache Lösungen bei komplexen Zusammenhängen zu liefern, sei für manchen vielleicht bequem, "ist aber viel zu kurzsichtig", sagt Meier. Sein Kollege Stephan Knapmeyer sieht es daher auch als seelsorgerische Tätigkeit, Extremismus zu entschärfen, diesem die christlichen Lehren entgegenzusetzen und Perspektiven aufzuzeigen.

Bei all den Krisen weltweit werde Kirche umso wichtiger. "Ich nehme stark wahr, dass die Leute bestärkt werden müssen", sagt etwa Nicole Jacob aus dem Leester Kirchenvorstand. Es seien unter den Kirchengemeindemitgliedern auch viele Ängste angesichts eines großen Rechtsruckes zu vernehmen. "In den Kirchen müssen Räume geschaffen werden, wo man spürt: Man ist nicht allein", sagt daher Jutta Sievers. Ohnehin scheint sich ein Teil der Gesellschaft sehr in das Private und den eigenen Dunstkreis zurückzuziehen. "Das Beste, was wir tun können, ist, auf andere zuzugehen und nicht bei sich selbst stehenzubleiben", sagt Almut Wenck.

Gerald Meier, der auch beim Runden Tisch gegen Rechts in Weyhe engagiert ist, sagt über die Haltung der Großkirchen: "Ich bin stolz, Teil einer Kirche zu sein, die sich so deutlich äußert."

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