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Vortrag in Leeste "Problem wird abgetan": Wie Klimawandel-Leugner erreicht werden können

Manuel Lentz diskutiert effektive Kommunikationsstrategien, um Klimawandel-Leugner zu erreichen. Vor seinem Vortrag in Leeste stellt er sich den Fragen des WESER-KURIER.
03.02.2025, 18:04 Uhr
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Von Eike Wienbarg

Herr Lentz, auf der einen Seite warnen Experten massiv und in teils drastischen Worten vor dem Klimawandel, auf der anderen Seite gibt es immer noch Menschen, die von Panikmache sprechen und den menschengemachten Klimawandel leugnen. Dienen diese extremen Bilder der Diskussion?

Manuel Lentz: Wenn es extreme Bilder sind, die faktisch da sind, dann kann man auch extreme Bilder zeigen. Nur man sollte schauen, wen man ansprechen will. Bei jemandem, den man überzeugen will, der sehr, sehr skeptisch ist, bringt es eher das Gegenteil, zu sagen: Hey, hier kommt die Klima-Vollkatastrophe und wir fahren alles gegen die Wand. Man muss sich fragen, wen man in dieser Situation erreichen will und muss, und daraufhin die Kommunikation anpassen. Das passiert oft nicht. Es wird nur rausgeballert, dass alles so schlimm ist, was kommt. Aber damit die Leute nicht in ihrer Angst erstarren, sondern motiviert sind, das anzugehen, brauchen sie ein Gefühl von Kontrolle und Verständnis. Extreme Bilder kann ich gut kommunizieren, wenn ich von Anfang an zwei Sachen mitgebe: das Gefühl von Selbstwirksamkeit und das Gefühl von Ergebniserwartung. Menschen engagieren sich eher für Verhaltensänderungen, wenn sie nicht nur glauben, dass sie das Verhalten ausüben können, sondern auch davon überzeugt sind, dass ihre Handlung tatsächlich etwas bewirken wird. Wenn ich aber selbst kein richtiges Bild von dem habe, was ich jetzt persönlich auch in der Lage bin zu machen und ich nicht direkt sehe, dass das einen positiven Einfluss haben kann – dann verschließe ich mich. Dann werde ich defensiv und sage mir unbewusst, dass sich die Wahrheit nicht gut anfühlt. Viele Menschen verschließen sich dann erst recht, reden es sich schön oder leugnen es eben.

Wie kann es sein, dass es bei so einem Thema so extreme Meinungsunterschiede gibt?

Ich will die Dynamik zwischen den beiden Polen aufzeigen: Eine Krise, die so extrem ist und trotzdem noch etwas abstrakt, führt bei vielen zu defensivem Verhalten. Das Problem wird lieber abgetan, als dass sich damit beschäftigt wird. Darauf folgt dann das zweite Problem: Meine Meinung polarisiert sich, wenn es immer jemanden gibt, der mich vom Gegenteil überzeugen will oder mir sagt, dass es doch doof ist, was ich glaube. Sozusagen: Ich bin jetzt an dem Punkt, an dem es für mich einfacher und angenehmer ist, mich an den Zweifeln einer Klimakrise festzuhalten. Jedoch mögen Menschen es überhaupt nicht, gesagt zu bekommen, was sie denken sollen, und dass das, was sie denken, falsch ist. Das führt zu defensiver Haltung. Also rechtfertigen sich Menschen mehr und mehr. Und diese Rechtfertigung sowie das Gefühl, angegriffen zu werden, polarisieren die Meinung bis ins Extreme.

Wie kann seriös über die Folgen des menschengemachten Klimawandels gesprochen werden?

Generell gilt es, das Kind beim Namen zu nennen, während man den Menschen immer das Gefühl von Kontrolle und machbarer Verantwortung mitgibt. Ebenso es ihnen einfach zu machen, das zu glauben, was ich aufzeige. Was ich sehe, was viele Klima-Influencer und leider auch Experten machen, ist, einfach nur die Informationen darzulegen. Das hilft leider nicht mehr. Menschen, die schon an die Folgen des menschengemachten Klimawandels glauben, werden sich noch mehr bestätigt sehen. Menschen, die dem skeptisch gegenüberstehen, entfernen sich meist aber dann noch weiter.

Der Mensch bekommt das Gefühl, dass es normal ist, die Klimakrise für nicht so schlimm zu halten.
Manuel Lentz

Wie können Medien über den Klimawandel adäquat berichten, ohne in Alarmismus zu verfallen?

Was viele Experten auch bemängeln, ist das False Balancing (zu Deutsch: falsche Ausgewogenheit). Es gibt Skeptikern die Grundlage, das zu glauben, was sie glauben. Es bestärkt sie noch, weil durch das Wiedererscheinen der skeptischen Meinungen – auch wenn diese selten sind – eine soziale Norm entwickelt wird. Der Mensch bekommt das Gefühl, dass es normal ist, die Klimakrise für nicht so schlimm zu halten.

Wie und mit welchen Argumenten können Klimawandel-Leugner überzeugt werden und ist dies überhaupt möglich?

Es gibt natürlich solche psychologisch fundierten Tipps, auf die ich auch in meinem Vortrag eingehe: übergeordnete Gruppenfaktoren finden; individuelle Werte stärken, die einem zeigen, dass man sich schon umweltbewusst verhält; Wiederherstellungs-Framings benutzen à la: Wenn wir die Klimakrise jetzt angehen, wird es wieder so gut, wie es damals war. Aber generell ist es die Art und Weise, wie man es macht. Klimawandel-Leugner sind so sehr schon in ihren eigenen Meinungen, dass es mit Argumenten nicht mehr von Anfang an klappen wird. Man entwaffnet sie, indem man ihnen erst mal zuhört, und nicht versucht sie in einen Gotcha-Moment (zu Deutsch: ertappt) reinlaufen zu lassen – denn wenn sie ertappt werden, geben sie nicht zu, dass sie falschlagen. Sie werden eher dieses schlechte Gefühl auf die andere Person projizieren. Höre ich zu, zeige ich Verständnis für ihre Skepsis – zum Beispiel, weil ich verstehe, dass sie es aus ihrer Position so sehen würden – dann bilde ich die ersten positiven Kontaktpunkte.

Welche Rolle spielen die Sozialen Medien in der Bestärkung von Menschen in ihren Meinungen?

Sie polarisieren unsere Meinungen und geben uns viele Gründe, an der Meinung weiter festzuhalten. Durch das Visuelle, durch die Art und Weise, wie gesprochen und kommuniziert wird, werden Emotionen ausgelöst. Dem kann man sich nicht verwehren – Emotionen sind sehr ansteckend und führen besonders in Sozialen Medien dazu, dass man schnell das annimmt, was der andere sagt. Besonders, wenn ich dem vorher eher neutral entgegengehe. Das passiert in Sozialen Medien dauerhaft und immer wieder. Die Content Creator, die so kommunizieren und weniger auf konstruktiven Inhalt, sondern mehr auf Emotionen fokussiert sind, werden von den Plattformen begünstigt, da es zu mehr Engagement und höheren Klickzahlen führt. Und diese Emotionen, sei es Wut oder Angst oder ähnliches, lässt einem die eigene Meinung polarisieren.

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Welche Rollen können die Lokalpolitik und die Kommunen in der Kommunikation des Klimawandels spielen?

Was die Regierung kommuniziert, ist erst mal abstrakt. Daher können die Lokalpolitik und die Kommunen die ersten Faktoren auf der individuellen und gesellschaftlichen Reise zum Verständnis des menschengemachten Klimawandels und dessen Konsequenzen sein. Sie können die Finger des verlängerten Arms der Regierung sein. Und es sind auch Politik und Medien, die eine große Verantwortung in dieser Situation haben – mehr als die der einzelnen Person. Auf lokaler Ebene kann eben die Politik dafür sorgen, dass Menschen mehr Bewusstsein für das Thema bekommen und es akzeptieren können. Mit effektiver psychologischer Strategie in der Kommunikation kann man nicht nur die Skepsis und den Ärger der Anwohner reduzieren, sondern auch direkt das Bewusstsein für das Thema verstärken.

Welche Botschaft möchten Sie bei Ihrem Vortrag in Weyhe vermitteln?

Dass es psychologisch gesehen sehr normal ist, wie Menschen sich zurzeit in der Klimakrise verhalten und dass diese Einsicht der Normalität, des Verständnisses des Menschen helfen kann, viel besser zu kommunizieren. Wenn wir das nehmen, was uns die Psychologie zuhauf schon an Lösungen zur Kommunikation in der Klimakrise gibt, dann könnten wir in kurzer Zeit so viel mehr erreichen.

Das Interview führte Eike Wienbarg.

Zur Person

Manuel Lentz

ist 1990 geboren, schloss in den Niederlanden zwei Masterstudiengänge in angewandter Sozialpsychologie sowie Konsumpsychologie ab. Mit einem Fokus auf Social Influence und Behavior Change berät er seit 2018 als selbstständiger Stratege Organisationen und Parteien bei der Entwicklung wirkungsvoller Kommunikationsstrategien, unter anderem im Kontext der Klimakrise. Derzeit lebt er in Berlin.

Zur Sache

Vortrag in Leeste

Die Arbeitsgruppe (AG) Klimaschutz der Gemeinde Weyhe kommt am Mittwoch, 5. Februar, ab 18.30 Uhr zu ihrer Sitzung in der Kulturscheune, der Bibliothek am Henry-Wetjen-Platz 4a in Leeste, zusammen. Auf der Tagesordnung steht unter anderem ein Vortrag des Sozial- und Konsumpsychologen Manuel Lentz zum Thema „Effektive Kommunikation in der Klimakrise“. Weitere Infos gibt es unter www.weyhe.de.

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