Von Freunden und Verwandten wurde Jan Dirk Wittrock für seinen Traum lange belächelt. "Irgendwann mache ich was mit Ausschank", erinnert er sich an Gespräche, die schon 25 Jahre lang zurückliegen. Doch seitdem blieb er seinem Beruf in der Schuhindustrie treu – bis jetzt. Im weiteren Sinne setzt er seine Ankündigung in die Tat um: Zum 15. September dieses Jahres übernimmt er den Weinhandel Viva am Weyher Marktplatz von Jörn Krehl.
Der Betreiberwechsel basiert im Grunde auf dem Weyher Buschfunk. Denn obwohl Krehl noch gar nicht aktiv nach einem Nachfolger suchte, hörte Wittrock von einem geplanten Rückzug des langjährigen Wein- und Spirituosenhändlers. "Das hat sich so ergeben", sagt Wittrock und schmunzelt. Mit seinen Ideen habe er trotzdem Anklang gefunden, in einem mehr als einjährigen Prozess sei die Übergabe Stück für Stück eingeleitet worden. Seinen Junior-Sommelier hat Wittrock bereits erworben.
Gründer zieht sich nach mehr als 28 Jahren zurück
Krehl selbst spricht von einem "Abschied auf Raten". Der 70-Jährige hat den Weinhandel vor mehr als 28 Jahren mühevoll aufgebaut. "Die Kunden müssen erst einmal Vertrauen gewinnen", weiß er um den schwierigen Start in diesem Segment. In den Anfangsjahren habe er deshalb einen Teil des Ladens mit Geschenkartikeln bestückt und die Flächen erst nach und nach um Champagner und Spirituosen ergänzt. Dem Geschäft werde er noch bis Jahresende als Angestellter erhalten bleiben und seinem Nachfolger mit seiner langjährigen Erfahrung durch das turbulente Weihnachtsgeschäft helfen.

Viva Weine in Kirchweyhe bekommt einen neuen Betreiber.
In Zeiten vor dem Viva hatte sich Krehl mit einem Kollegen in Blockdiek probiert. "Aber für zwei Kollegen hat sich das nicht gelohnt", sagt er. Als er dann erfuhr, dass in Kirchweyhe ein neuer Marktplatz entsteht, habe er die Chance ergriffen. Rund vier Jahre habe er dann benötigt, um sein Geschäft zu etablieren. Heute bilanziert Krehl zufrieden: "Ich habe aus meinem Hobby einen Beruf gemacht." Damit einher gingen zahlreiche Messebesuche, Verkostungen, Trips zu Weingütern in der gesamten Bundesrepublik, nach Frankreich, Spanien und Italien. So konnte er neben einer Auswahl aus dem Großhandel auch einige handverlesene Flaschen anbieten. Zu seinem Sortiment zählen inzwischen mehr als 200 Weine. Zudem etablierte der Unternehmer ein Firmenkundengeschäft.
Altes Fundament mit neuen Ideen
Leicht falle ihm der nahende Abschied nach fast drei Jahrzehnten am Marktplatz nicht. "Es tut ein bisschen weh, ich mache das immer noch gerne", sagt Krehl. Gleichzeitig sieht er den Mehrwert für den Standort: "Es freut mich, dass das Geschäft weiterlebt."
Das Fundament will Wittrock als Nachfolger erhalten, aber auch eigene Ideen in das künftige Viva einbringen. Das betrifft zum einen die Auswahl an Getränken. Ihm sei neben einem Kernsortiment wichtig, Rotation und neue Angebote zu haben; daher auch der aktuelle Teil-Ausverkauf. "Ich suche was, zu dem ich eine Story erzählen kann", sagt Wittrock. Gemeinsam mit Krehl habe der künftige Ladeninhaber deshalb schon mehrere Messen besucht, auch Importeure und Gutsbesitzer haben sie getroffen. "Wir werden draußen Sitzmöglichkeiten schaffen", nennt er ein weiteres Vorhaben.
Dazu soll es in absehbarer Zeit Snacks wie Flammkuchen geben. Außerdem will Wittrock das Veranstaltungsangebot mit Geschmacksproben für Wein, Rum, Whisky und gegebenenfalls Tequila anbieten. Nachdem Krehl bereits einen eigenen Gin etabliert hat, könne sich der neue Inhaber auch vorstellen, bei Rum und anderen Produkten verstärkt auf Eigenmarken zu setzen. "Neuer Besitzer, neue Handschrift, neues Gesicht", fasst Wittrock zusammen. Die Ruhe nach dem Weihnachtsgeschäft wolle er deshalb nutzen, den Laden nach seinen Vorstellungen umzubauen.
Weyher Unternehmerfamilie
Wittrock setzt mit der Übernahme indes eine langjährige Familientradition fort. Sein Urgroßvater hatte 1900 das Schuhgeschäft Wittrock in Kirchweyhe eröffnet, das bis zur Schließung 2014 von Wittrocks Eltern geführt wurde; dann fand sich kein Nachfolger. "Ich hatte eine wunderschöne Kindheit in Weyhe", erinnert er sich. Mit der Übernahme des Weingeschäfts wolle er auch dem Ort etwas zurückgeben.
Das Team mit einer Teilzeitkraft und mehreren Aushilfen im Viva werde Wittrock nach eigenen Angaben übernehmen. "Jeder soll Spaß haben", gibt der Unternehmer als Motto aus. Ihm sei außerdem wichtig, als Team zu handeln und neuen Ideen Platz zu geben. Seinem Beruf in der Schuhindustrie werde er weiterhin nachgehen. "Das Ledervirus wird man auch nicht mehr los", sagt er und schmunzelt. Mit seinem Chef habe er eine Lösung gefunden, um künftig auch seiner zweiten Leidenschaft nachzugehen. Den Generationenwechsel im Viva leitet er mit einer offenen Weinprobe am Sonnabend, 27. September, ein. Für den 8. November ist außerdem ein Whisky-Tasting im Kirchweyher Hof angesetzt.