Landkreis Diepholz. "Die Suche nach Arbeitskräften wird auch 2024 Thema bleiben", sagt Christoph Tietje, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit im Bezirk Nienburg-Verden, und spricht bewusst nicht von Fachkräften, sondern überhaupt von Arbeitskräften, die fehlen. Sie stehen im Zentrum der derzeitigen Bemühungen der Agentur für Arbeit im Landkreis Diepholz. Unter dem Stichwort "Jobturbo" wollen Tietje und Harald Glüsing, Geschäftsführer des Jobcenters im Landkreis, letztendlich "Menschen mit Fluchthintergrund und Betriebe zusammenbringen". So formulierte es Tietje bei seinem Rückblick auf das vergangene Jahr und dem Ausblick auf das neue Jahr.
Während im Bereich des Arbeitslosengeldes I "viel Bewegung drin" war laut Tietje und viele Menschen nur kurze Zeit arbeitslos gewesen seien, sei die Arbeitslosigkeit im Bereich des SGB II, also dort, wo es Bürgergeld gibt, angestiegen. Das liege vor allem an der Fluchtbewegung. Nun habe die Bundesregierung im Herbst die Devise vom "Jobturbo" ausgegeben. Mit dieser Initiative will sie Geflüchtete schneller in Arbeit bringen. Die Menschen sollen enger betreut und gezielter vermittelt werden. Denn man frage sich: "Können die nicht doch arbeiten, auch wenn sie die deutsche Sprache noch nicht können?", so Tietje. Derzeit seien – nach der Fluchtwelle aus Syrien und anderen arabischen Staaten – jetzt die Ukrainer die größte Gruppe der arbeitslosen Geflüchteten im Landkreis Diepholz.
Probleme bei der Anerkennung von Abschlüssen
Doch in Deutschland einzureisen und dann gleich Arbeit zu finden, sei eben sehr schwer: "Die ersten Ukrainer kamen schon 2022, und seit Ende vergangenen Jahres haben einige von ihnen die nötigen Spracherwerbskurse abgeschlossen", erläutert Glüsing. Das dauere meistens neun Monate, oft noch länger. Nach normaler Herangehensweise würde man jetzt "langsam die Ersten abschöpfen", so etwa 50 Personen im Monat, und versuchen, sie in Arbeit zu bringen. Dann ergebe sich jedoch das nächste Problem: Die beruflichen Qualifikationen, die diese Menschen mitbrächten, würden hier nicht anerkannt. Oder aber sie wollten gar nicht mehr in dem Beruf arbeiten, den sie in der Ukraine ausgeübt hätten. "Während in anderen Ländern wie den Niederlanden nach dem Motto 'Work first' gehandelt wird und Flüchtlinge gleich arbeiten dürfen, auch ohne die Sprache und die Tätigkeiten zu beherrschen, gilt in Deutschland eben das Prinzip, sich zuerst qualifizieren zu müssen", sagt Glüsing. Außerdem hätte Deutschland eben auch "ein ausgefeiltes Arbeitssicherungssystem: Wenn ich jemandem erkläre, wie gefährlich eine Säge ist und derjenige mich nicht versteht, kann ich ihn nicht für mich arbeiten lassen".
Doch eine klassische duale Berufsausbildung zu beginnen und zu erwarten, diese in der gleichen Zeit absolvieren zu können wie ein Muttersprachler, sei eben auch nicht möglich. Zumal "gerade die jungen Leute, die hierher kommen, auch nicht unbedingt ins Handwerk streben", hat Glüsing festgestellt: "Die können zwar häufig Englisch und könnten sich auch verständlich machen. Aber sie wollen hier am liebsten studieren." Deshalb würden sie den hierzulande beklagten Fachkräftemangel im Handwerk eben auch nicht beseitigen.
Festgestellt haben Glüsing und Tietje auch, dass "die Termintreue nachgelassen hat": zeitgleich mit dem neuen Bürgergeld und der damit einhergehenden Verringerung der Sanktionen, wenn jemand nicht zu Vorstellungs- und Beratungsgesprächen erscheint.
Dem soll nun entgegengewirkt werden: "Wir haben Mitte Dezember die Schreiben verschickt", sagt Glüsing. In den Anschreiben an die Geflüchteten seien "die Erwartungen der Bundesregierung mitgeteilt worden". Und das in der jeweiligen Muttersprache und zusätzlich in leichter Sprache. Demnächst würden die ersten Termine gemacht und sich zeigen, wie es weitergeht.
Auch bei den Firmen müsse dann sicherlich "noch Überzeugungsarbeit geleistet werden, diese Menschen auch einzustellen", sagt Tietje. Der Chef der Arbeitsagentur blickt dennoch zuversichtlich nach vorn: "Wir gehen davon aus, dass die Beschäftigung weiter leicht zunehmen wird. Aber wir rechnen auch mit leicht ansteigenden Zahlen der Arbeitslosen. Alles wird sehr stark davon abhängen, ob wir Menschen mit Fluchthintergrund in Arbeit bringen können."