Twistringen/Verden. Das eigentliche Überfallopfer, die Angestellte einer Twistringer Spielothek, hatte von den beiden Angeklagten bereits am ersten Verhandlungstag jeweils 5000 Euro Schmerzensgeld bekommen. Um den sogenannten Täter-Opfer-Ausgleich zu komplettieren, erhielt kurz vor Ende des Verdener Landgerichtsprozesses noch der Hallenbetreiber die Zusicherung einer Zahlung von insgesamt 8000 Euro; 1000 Euro gab es schon mal vorab. Wahrscheinlich hat das Duo gehofft, dass die zu erwartende Strafmilderung deutlicher ausfallen würde. Nach der Urteilsverkündung guckten die Männer aus Nordrhein-Westfallen am Mittwoch reichlich bedröppelt drein. Beide wurden wegen besonders schweren Raubes verurteilt, mittäterlich begangen am 8. September 2020 in der mit einer Gaststätte verbundenen Spielothek an der Bremer Straße.
Gegen den 32-Jährigen, der die gemeinschaftlich geplante Tat allein ausgeführt und die Mitarbeiterin mit einem Messer in Angst und Schrecken versetzt hatte, verhängte die 2. Große Strafkammer eine Gesamtfreiheitsstrafe von viereinhalb Jahren. Der mitangeklagte Cousin (32), der auch als Fahrer fungiert hatte, vernahm das Strafmaß von drei Jahren und drei Monaten. Da tröstete es die Angeklagten kaum, dass wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung jeweils ein Monat Haft als schon verbüßt gelten.
In diesem Punkt hatte sich die Vertreterin der Staatsanwaltschaft ein bisschen großzügiger gezeigt und dafür plädiert, zwei Monate als vollstreckt zu betrachten. Ansonsten entsprach das Gericht unter Vorsitz von Andreas Ortmann beinahe genau ihren Anträgen. Bei dem 32-Jährigen wurde eine anderthalbjährige Bewährungsstrafe einbezogen, die er sich im August 2022 beim Amtsgericht Herford eingehandelt hatte – wegen versuchten gemeinschaftlichen Bandendiebstahls. Dass diese zu berücksichtigen sein würde, war auch dem Verteidiger des Angeklagten klar. Der Anwalt meinte jedoch, dass unterm Strich allenfalls vier Jahre stehen sollten. Seine Bielefelder Kollegin hatte für den 27-Jährigen um eine Haftstrafe im noch bewährungsfähigen Bereich nachgesucht, also maximal zwei Jahre.
Entsprechend enttäuscht, wenn nicht gar entsetzt wirkte besonders der jüngere Angeklagte, nachdem die Kammer auch ihm signalisiert hatte, dass er hinter Gitter müsse. Zur Überzeugung des Gerichts hat der ehemalige Betreiber einer Shisha-Bar in Twistringen gemeinsam mit seinem Cousin, dem die Tatausführung zugedacht war, sowie einem weiteren Mann das Ganze ausgeheckt, eingefädelt und zeitnah das ausgesuchte Tatobjekt ausbaldowert. Dem Dritten im Bunde droht noch einiges Ungemach. Zwar hatte die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingestellt, der als Zeuge vernommene Mann ist nach den Erkenntnissen der Beweisaufnahme aber in das gesamte Geschehen involviert gewesen. Auch er hat seinen Anteil an der Beute in Höhe von knapp 2500 Euro bekommen. Er kann damit rechnen, dass die Sache für ihn noch nicht ausgestanden ist.
Nach den Feststellungen hat der heute 32-Jährige sich an die Umsetzung des Tatplans gemacht, nachdem seine Komplizen ihm ein entsprechendes Startzeichen gegeben hatten. Grün maskiert und mit einem Rucksack auf dem Rücken hat er der 34-jährigen Angestellten demnach ein Messer vorgehalten, sie zu Boden gebracht, mit Kabelbindern an den Händen gefesselt und in das Herren-WC bugsiert – Licht aus und von außen abgeschlossen. Mit einem mitgebrachten Brecheisen hat er sich dann über mindestens drei Spielautomaten hergemacht, sie zertrümmert und ausgeplündert. Die ängstlich im Zwangsversteck ausharrende Frau hörte nach etwa einer halben Stunde, dass der Täter sich entfernte. Es gelang ihr, sich eine Handfessel abstreifen, die Tür des Toilettenraums einzutreten und die Polizei zu verständigen. Die Angeklagten waren einen Monat später gefasst worden.