Kaum hatte die Vertreterin der Staatsanwaltschaft die knapp gehaltene Anklageschrift verlesen, legte der Mann auch schon ein Geständnis ab. Der 29-Jährige muss sich seit diesem Dienstag vor dem Landgericht Verden wegen besonders schweren Raubes verantworten. Nach dem Schützenfest in Twistringen soll er einen Wirt am frühen Morgen des 23. Juli vorigen Jahres mit einem Messer angegriffen, ihm elf Stich- und Schnittverletzungen zugefügt und dann mit den Tageseinnahmen von rund 45.000 Euro per Rad entkommen sein. Dem 46-jährigen Opfer, dessen Handy nicht funktionierte, war es noch gelungen, mit dem Auto zu einer nahe gelegenen Tankstelle zu fahren und um Hilfe zu bitten.
Es hatte etliche Zeit gedauert, bis die Kriminalpolizei dem mutmaßlichen Räuber nach intensiver Recherche auf die Spur gekommen war. Am 10. September hatte die Polizeiinspektion Diepholz schließlich einen „Ermittlungserfolg“ vermeldet. Beim Prozessauftakt verging nun nur wenig Zeit, bis der aus der Untersuchungshaft vorgeführte Mann die Vorwürfe einräumte, wobei sein Verteidiger die Einleitung der Einlassung übernahm: „Er gibt die Tat zu, wie sie im Anklagesatz steht“, erklärte der Bremer Rechtsanwalt. Er betonte, dass sein Mandat erhebliche Probleme habe, die ihn zu dem Raub bewegt haben dürften: übermäßiger Kokain- und Alkoholkonsum und drückende Spielschulden.
Drogen- und Alkoholkonsum vor der Tat
Der Angeklagte selbst äußerte sich dann bereitwillig und auf Nachfragen auch ausgiebig zu seiner damaligen und offenbar schon länger zerfahrenen Lebenssituation. An das Tatgeschehen will sich der 29-jährige Twistringer nicht so richtig erinnern können, wie er mehrfach betonte. Vor dem ausgedehnten Schützenfestbesuch habe er schon reichlich Drogen genommen, im Festzelt abends dann mit Bekannten viel Alkohol konsumiert. Von drei, vier Gläsern Bier, zwei Cocktails und 15 bis 20 „Kurzen“ war die Rede. Entsinnen konnte er sich aber immerhin noch daran, gesehen zu haben, dass an den beiden Tagen davor, Geld hinter dem Tresen in „Koffer“ gepackt wurde. Er erinnerte sich auch daran, ein kleines „Outdoormesser“ mit etwa vier Zentimeter langer Klinge dabei gehabt zu haben. Eine weitere Erinnerung war auch, dass er wohl „unkontrolliert“ auf den Wirt eingestochen habe.
Dieser konnte sich noch gut an das gegen 4.30 Uhr erlebte Geschehen erinnern. Als erster Zeuge berichtete der 46-Jährige vor der 3. Großen Strafkammer, dass er nach Abschluss aller Arbeiten zu seinem Auto gegangen sei, um den Wohnwagen abzukoppeln. Dabei habe er schon eine Person gesehen, die „auffällig geguckt“ und zweimal mit dem Rad vorbeigefahren sei. Er habe auch ein Messer wahrgenommen und sei dann auf den Mann zugegangen.
Wirt schildert Geschehnisse
„Ich habe ihn in ein Gespräch verwickelt“, schilderte der Zeuge. „Er sagte, er hat mich schon drei Tage ausspioniert und will nun unbedingt Geld haben. Ich habe gesagt, dass ich kein Geld habe." Darauf habe der Angreifer ein Stück vom Bauzaun nach dem Wirt geworfen. Es sei ein Gerangel entstanden, bei dem er dem Angreifer sein T-Shirt vom Leib gerissen habe. Und dann habe er plötzlich gespürt, wie seine Hand warm wurde und Blut an seinem Arm herunter gelaufen sei. Von da an wisse er nichts mehr, bis er an der Tankstelle angekommen sei. Der Akku seines Handys sei leer gewesen, daher habe er nicht telefonieren können.
Mitarbeiter der rund um die Uhr geöffneten Tankstelle hatten umgehend Rettungsdienst und Polizei alarmiert. Der 46-Jährige kam ins Krankenhaus, musste sich auch einer Operation unterziehen. Seine rechte Hand sei immer noch „gehandicapt“, teilte der Zeuge mit. Auf die Frage der Vorsitzenden Richterin, wie er das Ganze denn psychisch verkraftet habe, antwortete der Mann: „Komischerweise ganz gut, ich kann’s mir auch nicht erklären“. Der Angeklagte leistete Abbitte: „Ich möchte mich aufrichtig bei Ihnen entschuldigen. Es tut mir leid." Laut des Anwalts bemühen sich der Angeklagte und seine Familie, den Schaden wieder gut zu machen.
Das erbeutete Geld hat der 29-Jährige nach eigenen Angaben innerhalb von zehn Tagen ausgegeben. Ein Großteil ging angeblich für die Begleichung von Spielschulden drauf, entstanden bei vielen privaten Pokerrunden. Das Gericht hat vorerst drei Fortsetzungstermine anberaumt. Eine psychiatrische Sachverständige begleitet den Prozess.