Nach einem Streit hatte ein Mann am 9. Juni vergangenen Jahres in einer Unterkunft für Asylbewerber in Weyhe auf einen jüngeren Mitbewohner mit einem Messer eingestochen. Die Verletzungen, die der 23-Jährige erlitt, waren glücklicherweise nicht lebensgefährlich. Der seither in Untersuchungshaft befindliche, weitgehend geständige Täter ist am Montag zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt worden. Das Landgericht Verden erkannte auf versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung.
Das Schwurgericht blieb am sechsten und letzten Prozesstag deutlich unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. Die Anklagevertreterin hatte auf eine Haftstrafe in Höhe von fünfeinhalb Jahren plädiert. Dieses Strafmaß hielten die Richter allerdings für nicht angemessen. Sie gingen nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme und der Abwägung aller Umstände unterm Strich von einem minderschweren Fall aus. Die verhängte Strafe sei ausreichend, aber auch erforderlich, um auf den Angeklagten einzuwirken, hieß es in der Urteilsbegründung. Eine Bewährungsstrafe sei nicht in Betracht gekommen.
Zorn als Begründung
Der Angeklagte hatte am zweiten Verhandlungstag über eine vom Verteidiger verlesene Erklärung eingeräumt, dem 23-Jährigen mehrere Messerstiche in den Oberkörper versetzt zu haben. Er habe ihm eine Lektion erteilen, Angst einjagen und Schmerzen zufügen wollen. Als Grund wurde Zorn auf den Mitbewohner genannt, der mehrfach unaufgefordert in seinem Zimmer erschienen, „in Sachen gewühlt“ und auch welche „weggenommen“ habe. Nach einer zunächst verbalen Auseinandersetzung und Beschimpfungen sei es dann zu der Messerattacke gekommen. In Tötungsabsicht agiert zu haben, bestritt der reumütige 30-Jährige vehement.
Dass er nicht vorhatte, den jungen Mann zu töten, nahm ihm das Gericht auch ab. Allerdings habe er den Tod des Opfers zumindest billigend in Kauf genommen. Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte den 23-Jährigen zunächst „zur Rede gestellt“ und dabei einen Schraubenzieher in der Hand gehalten. Versuche anderer Anwesender, den aufgebrachten Mann zu beruhigen, blieben erfolglos. Ins Erdgeschoss gebracht, ergriff er vielmehr in der Gemeinschaftsküche ein Messer mit einer 17,5 Zentimeter langen Klinge, „stürmte damit wieder nach oben“ und fügte dem Opfer mehrere Stiche in den Rippen- und Brustbereich zu. Weil wieder beherzte Zeugen eingriffen und ihm das Messer „entrissen“, konnte der Angreifer schließlich gestoppt werden.
Ihm soll nach eigenem Bekunden schnell klar gewesen sein, dass er einen „schlimmen Fehler“ begangen habe. In der Einlassung war auch „unverantwortliches Handeln“ betont worden. Gleichwohl wolle er dafür die Verantwortung übernehmen, ließ der 30-Jährige wissen. Die Verletzungen des Opfers seien „recht gering“ gewesen, sagte der Vorsitzende Richter. Entscheidend für die Annahme eines minderschweren Falles des versuchten Totschlags war, dass „keine Vollendungsnähe“ festgestellt werden konnte. Dem Angeklagten wurden auch seine Entschuldigung bei dem 23-Jährigen und die Bemühungen um Schadenswiedergutmachung positiv angerechnet. Der Haftbefehl bleibt wegen Fluchtgefahr aufrechterhalten.