Zehn Jahre Planung, endlose Diskussionen und Bedenken: Was war das für ein Kraftakt, als die Raiffeisen-Warengenossenschaft Hunte-Weser (RWG) vor knapp zehn Jahren von der Raiffeisenstraße an die Westtangente gezogen ist. Inzwischen haben sich die Wogen längst geglättet. „Wir sind mit dem Standort sehr zufrieden. Das war für die Region insgesamt eine gute Lösung“, blickte RWG-Geschäftsführer Hugo Lohmann am Dienstag anlässlich eines Besuchs der FDP-Gemeinderatsfraktion zurück. Gleichzeitig kündigte er eine Erweiterung des Standortes an: So will die RWG ihren Markt um ein 950 Quadratmeter großes Gartencenter erweitern.
„Das Genehmigungsverfahren läuft deutlich besser als beim ersten Umzug“, freute sich Lohmann. Obwohl sich die Verkaufsfläche mit dem neuen Gewächshaus mehr als verdoppele, sei kein neuer Bebauungsplan notwendig gewesen. Gegenwärtig investiert die RWG noch 2,8 Millionen Euro in einen neuen Einzelhandelsmarkt in Altenesch. Sobald dieses Projekt abgeschlossen ist, soll es es in Ganderkesee losgehen. Lohmann spricht diesbezüglich von Herbst 2021. „Wir behalten die Sortimente bei, werden uns aber deutlich breiter aufstellen“, kündigte der Geschäftsführer an. In diesem Zuge werde auch der Schotterparkplatz befestigt und neu gestaltet.
Die Corona-Krise hat die Genossenschaft unterdessen weniger gebeutelt als andere Branchen. „Wir sind bislang ganz gut dadurch gekommen. Insbesondere der Gartenbereich ist im Frühjahr gut gelaufen“, bilanzierte Lohmann. Immer wichtiger werde die Motoristik, also der Verkauf von Rasenmähern, Motorsägen oder Mährobotern. Während des Lockdowns habe man in mehreren Schichten gearbeitet. „Aber das haben wir nicht lange durchgehalten.“
Handwerkliche Fachkräfte fehlen
Zwei Sorgen treiben Lohmann ganz besonders um: Zum einen ist dies der Fachkräftemangel im Handwerk, der immer mehr zu einem „begrenzenden Faktor“ werde. So sucht das Unternehmen etwa Elektrotechniker, die sich auch mit Melkrobotern auskennen, oder Fachleute für das Wassermanagement. So sei eine Ausbildungsquote, die stabil zwischen acht und zehn Prozent liegt, ein wichtiger Faktor, um neue Mitarbeiter zu gewinnen.
Zum anderen macht dem Geschäftsführer die allgemeine Erlössituation in der Landwirtschaft zu schaffen: „Die vergangenen Jahre waren zwar ertraglich gut und wir können solide Bilanzkennzahlen vorweisen. Aber wenn die Tierzahlen sinken, wird sich der Wettbewerb im Mischfutterbereich deutlich verschärfen“, blickt Lohmann schwierigeren Zeiten entgegen. Und mit einem Umsatzanteil von 45 Prozent sei dieser Geschäftszweig für das Unternehmen, das unter anderem direkt am Kraftfutterwerk Oldenburg beteiligt ist, besonders wichtig. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Christian Dürr befürchtet in diesem Zusammenhang eine Verlagerung der Landwirtschaft ins Ausland: „Dann würden nicht nur die Wertschöpfung, sondern auch die Tierschutzstandards verloren gehen“, sagte er. Zuversichtlich sei er dagegen, den Strukturwandel in den Griff zu kriegen. Lohmann gab allerdings zu bedenken, dass es in den ganzen Jahren nicht gelungen sei, landwirtschaftliche Familienbetriebe zu stärken.
Zufrieden sind die RWG-Verantwortlichen dagegen mit der 2014 eröffneten Diesel-Tankstelle: „Heute ärgern wir uns sogar, dass wir uns damals nicht für die große Lösung entschieden haben“, gestand Lohmann. Doch angesichts einer unsicheren Zukunft von Verbrennungsmotoren gegenüber der Elektromobilität sei eine Aufrüstung zum gegenwärtigen Zeitpunkt kein Thema mehr.
Insgesamt erwirtschaftet die RWG jährlich einen Umsatz von rund 80 Millionen Euro – 70 Millionen davon im Bereich Agrar und zehn Millionen im Einzelhandel. Noch zähle die Genossenschaft rund 600 landwirtschaftliche Betriebe zu ihren Kunden. Aber die Zahl sei rückläufig. „Alle zehn Jahre geht etwa ein Drittel verloren“, schilderte Lohmann die Entwicklung. Bemerkenswert ist deshalb, dass die Zahl der Mitarbeiter trotzdem stetig steigt. Im Augenblick stehen bei der RWG 180 Beschäftigte in Lohn und Brot. Zum Vergleich: 2012 waren es 150 Mitarbeiter – bei 950 landwirtschaftlichen Betrieben.