Die namenlose Mica-Schürferin, die dem Betrachter in der aktuellen Ausstellung des Kinderhilfswerks Terre des hommes (tdh) im Ganderkeseer Rathaus entgegenblickt, sieht wütend aus. Es ist eine geradezu beängstigend gelungene Illustration des Mottos "Ausbeutung beenden". Und ähnlich, wie es abschreckende Fotos auf Zigarettenpackungen gibt, könnte man sich dieses Bild theoretisch auch auf Produkten vorstellen, für deren Herstellung Kinder unter ausbeuterischen Bedingungen arbeiten mussten.
Die Liste dieser Produkte ist lang und reicht von Autolack und Batterien über diverse Kosmetikprodukte, Kaffeemaschinen und Mobiltelefonen bis zu Zahnpasta und Zucker, wie Barbara Wessels, Kerstin Elbing, Lore Giesen-Wiche sowie Regina und Daniel Hewer von der lokalen Terre-des-hommes-Arbeitsgruppe wissen. Deshalb bildet der Mica-Abbau im Norden Indiens auch so etwas wie einen Schwerpunkt der aktuellen Ausstellung. "Etwa 20.000 Kinder gehen dort nicht zur Schule, weil sie dort im Bergbau bis zu zwölf Stunden am Tag das glitzernde Mineral schürfen", erklärt Kerstin Elbing. Zwar gebe es durchaus vielversprechende Hilfsprogramme der Regierung, doch die kämen schlicht nicht bei der Bevölkerung an. "Man muss die Behörden dazu bringen, dass sie ihren Job machen", beschreibt Elbing die Lage.
"Der größte Teil der Kinderarbeit wird unbezahlt in familiären Betrieben geleistet", weiß Regina Hewer – etwa zu 70 Prozent in der Landwirtschaft, zu 20 Prozent im Dienstleistungsgewerbe und zu zehn Prozent in der Industrie oder im Bergbau. Doch die Ausstellung will nicht nur darauf aufmerksam machen, in welchen Bereichen Kinder arbeiten und wie gefährlich das mitunter ist, sondern auch Lösungswege aufzeigen – etwa durch den Einsatz gezielter Bildungsprojekte.
Auch die bisherigen Entwürfe des geplanten Lieferkettengesetzes verfolgt die Arbeitsgruppe gegenwärtig sehr interessiert: Vor allem dem Beginn der Lieferketten müsse noch viel mehr Aufmerksamkeit zuteilwerden, fordert Barbara Wessels mit Blick auf das Problem Kinderarbeit und appelliert in diesem Zusammenhang an die Verbraucher, lieber fair gehandelte Produkte zu kaufen.
Hewer gibt den Weihnachtsmann
Unterdessen freut sich die kleine, aber höchst engagierte Arbeitsgruppe darüber, nach zweijähriger Corona-Durststrecke in diesem Jahr endlich wieder durchstarten zu können. "Weil uns die Pandemie ausgebremst hat, ist auch unser Spendenaufkommen in den Jahren 2020 und 2021 stark eingebrochen", berichtet Wessels. Dass der Geldfluss im vergangenen Jahr immerhin wieder zwei Drittel des Vor-Corona-Niveaus erreicht hat, verdankt die Gruppe unter anderem dem unermüdlichen Einsatz von Daniel Hewer, der im Dienste der Kinderhilfe in der Adventszeit unermüdlich als Weihnachtsmann die Familien besucht hat. "Allein an Heiligabend war er mit seinem großen Goldenen Buch von 9.30 Uhr am Morgen bis 20.30 Uhr am Abend im Einsatz", erzählt Gattin Regina. Die Nachfrage sei inzwischen so groß, dass Hewers bereits einen Nachbarn als zweiten Weihnachtsmann eingespannt hätten, um alle Termine zu schaffen. Und die ersten Anfragen für 2023 lägen bereits wieder vor.
Um sich mit voller Kraft für die Kinderrechte einzusetzen, freut sich die kleine Gruppe über rund 30 Unterstützer, die etwa Kuchen backen, Socken stricken und die Aktivitäten in anderer Form unterstützen. So verkauft die Gruppe beim Schredderfest an diesem Sonntag Strickwaren, zum Frühlingserwachen Anfang April ist wieder der große Bücherbasar in vollem Umfang in den Räumen der Regio-VHS geplant. Nur für die Tatsache, dass die Gruppe auf den Verkaufserlös der Bücher auch noch Mehrwertsteuer abführen muss, fehlt Kassenwartin Hewer dann noch das Verständnis.
Voller Vorfreude blicken die fünf tdh-Aktiven auch auf den Sommer, wenn sich wieder Besuch eines Projektpartners vor Ort angekündigt hat. "Wir wissen nur noch nicht, ob aus Asien, Afrika oder aus Lateinamerika", sagt Barbara Wessels.