Exakt 141 Jahre ist es her, dass 1882 das letzte Weidevieh aus dem Hasbruch verbannt worden ist. Seit Freitag wird der Wald im Rahmen des Projekts "Waldweide im Hasbruch" wieder als sogenannter "Hutewald" genutzt. Um diesen Anlass zu würdigen, hatte sich die gesamte Hasbruch-Prominenz von Forstamtsleiter Uwe Mestemacher bis zum ehemaligen Revierförster Heino Thielking inklusive hochrangiger Gäste aus Politik und Verwaltung an der Jagdhütte versammelt.
Am Freitag war nämlich der Tag, an dem Jessika Michalzik und Wolfgang Denker, Betreiber des Hofs Vielstedt, neun schottische Hochlandrinder (davon fünf Jährlinge) auf die vorbereitete Weide getrieben haben. Dort haben sie nun ausgiebig Platz: Die Fläche im südlichen Teil des Hasbruchs (also dem in der Nähe von Falkenburg gelegenen Teil des Waldes) umfasst 36 Hektar, das entspricht etwa 51 Fußballfeldern. Zwei Drittel davon sind Wald, ein Drittel ist Grünland.
Welchen Nutzen haben Waldweiden?
Ziel des Ganzen ist nicht nur, eine forstwirtschaftliche Tradition wieder aufleben zu lassen, sondern auch die Biodiversität im Hasbruch zu fördern. "Weidetiere schaffen durch Wälzen, Suhle, Tritt und Verbiss eine Auflichtung der Wälder mit kleinflächigen mosaikartigen Strukturen und Dynamiken", erklärt Dorothea Gawlyta, die das Projekt in der Kreisverwaltung betreut. Diese Abwechslung von schattigen und lichten, feuchten und trockenen Stellen schaffe Lebensräume für zahlreiche licht- und wärmebedürftige Arten im Wald. Die seien nämlich seit der Aufgabe der Waldweidenutzung im 19. Jahrhundert immer seltener geworden und mittlerweile sogar in ihren Beständen stark gefährdet.
Warum hat man die Nutzung als Hutewald aufgegeben?

Uwe Mestemacher, Leiter des Forstamtes Neuenburg, führte die zahlreichen prominenten Gäste in das Thema Waldweidenutzung ein.
"Im Mittelalter wurde der Hasbruch intensiv als Weide genutzt", führte Mestermacher aus. So sei der Wald etwa von Pferden, Rindern, Schafen und Gänsen bevölkert gewesen. Irgendwann habe es der Mensch allerdings übertrieben, und durch die Übernutzung drohte der Wald zu verschwinden. Also ließ man 1882 auch die letzte Waldweide ablösen und forstete die Flächen mit Eichen und Hainbuchen auf, die auch heute noch das Gesicht des Hasbruchs prägen.
Was würde ohne Waldbeweidung passieren?
Experten wie Andreas Mölder und Dario Wolbeck von der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt nennen die Waldbeweidung "agroforstliche Waldnutzung". Sie untersuchen gerade die Verbreitung von Hutewäldern in vier Bundesländern. Mölder sprach in seinem Fachvortrag auch vom "Waldkulturerbe". "Wenn man diese lichten Strukturen nicht schaffen würde, würde sich der Eichen- und Hainbuchenwald früher oder später in einen Buchenwald verwandeln", betonte Wolbeck. Auch die Eigentumsverhältnisse von Grund und Boden hätten dazu beigetragen, dass es zwischen Wald und offenem Land häufig klare Kanten gegeben habe. Für die Biodiversität seien dagegen aufgelockerte Strukturen vorteilhafter. "Glücklicherweise ist die Waldbeweidung in Niedersachsen nicht verboten: Andere Bundesländer sehen das restriktiver", meinte der Experte.
Hat die Waldbeweidung von damals Spuren hinterlassen?
Aber auch heute noch gibt es Bäume im Wald, die älter als 200 Jahre sind und bestimmt noch Weidetiere gesehen haben, erklärte Wolbeck und wies auf eine große Eiche gleich vis à vis der Jagdhütte. Die Struktur des Baumes lasse nicht nur erkennen, dass er früher viel Platz gehabt und relativ allein gestanden habe, sondern an seiner Rinde seien auch noch Schälschäden erkennbar, die möglicherweise von Tieren stammen könnten, die sich einst an dem Baum geschuppt haben.
Wie hat sich das Projekt entwickelt?
Mestemacher erinnerte daran, dass das Projekt, das letztlich unter der Regie des Landkreises Oldenburg realisiert worden ist, einen langen Vorlauf hatte. Erste Überlegungen zu einer Waldbeweidung habe es bereits 1994 gegeben, in den vergangenen zehn Jahren sei das Vorhaben dann konkreter geworden. Inzwischen ist das Waldweideprojekt eingebettet in das Verbundprojekt "Vielfalt in Geest und Moor". Kooperationspartner sind die Naturschutzstiftung des Landkreises Oldenburg, die Niedersächsischen Landesforsten sowie die Umweltstiftung Weser-Ems. Gefördert wird es aus mehreren Töpfen des Bundes und des Landes Niedersachsen.
Gibt es ein Nutzen für die Öffentlichkeit?
"Der Hasbruch gehört zu den wenigen Wäldern, die seit der Eiszeit immer Wald gewesen sind", hob Mestemacher hervor. Deshalb seien hier auch noch immobile Arten wie der Eremit, der Feuersalamander oder die Einbeere zu finden. Über die Realisierung des Projekts freut sich der Leiter des Forstamtes Neuenburg sehr: "Man hat nicht so oft die Chance, den Wandel über Jahre beobachten zu können." Nicht zuletzt habe die Waldbeweidung auch eine gute Erholungsfunktion und steigere die Attraktivität des Waldes für Besucher.
Können die Tiere ausbüxen?
Damit die Rinder in ihrem abgegrenzten Raum bleiben, haben Revierförster Jens Meier und sein Team die Fläche mit einem Elektrozaun eingegrenzt, der jedoch für andere Waldbewohner, etwa Damwild, keine Hürde darstellt. Allen Waldbesuchern ist jedoch dringend geraten, die Beschilderung zu beachten und den Zaun, der mitunter doch sehr nah am Wegesrand steht, nicht zu berühren. Insbesondere sollten Eltern ihre Kinder darauf hinweisen. "Da sind 9000 Volt drauf", sagt Meier.