Christa und Erwin Haverkamp sind Aussteiger. Also, zumindest so halb. Aber Anfang der 1990er-Jahre im kleinen, beschaulichen Hurrel nicht in den Expansionsmodus zu verfallen, sondern stattdessen eine Käserei zu eröffnen, muss auf das restliche Dorf schon ziemlich verrückt gewirkt haben. War es aber gar nicht. Denn heute ist das Ehepaar mit seiner Haverkamp‘s Hofkäserei sehr erfolgreich und ein begehrter Stand auf den Wochenmärkten.
Seit 320 Jahren gibt es den Hof der Haverkamps schon. Christa und Erwin führen ihn gemeinsam mit ihrem Sohn Erik in der 14. Generation. „Früher war das ein klassischer Mischbetrieb mit Kühen, Sauen und Hühnern. Das war noch in meiner Kindheit so“, erinnert sich Erwin Haverkamp. Doch die Zeiten änderten sich. Man sollte sich spezialisieren, damit nicht so viel Verschiedenes auf dem Hof steht. „Also haben wir uns auf Rinderhaltung spezialisiert. Aber als das gut lief, brachen die Preise ein. Die Milch wurde schlecht bezahlt und man konnte nicht mehr davon leben“, erzählt der Landwirtschaftsmeister.
Was also tun? Als die Höfe um sie herum immer größer wurden, um rentabler zu werden, wollten die Haverkamps da nicht mitgehen. Dafür wäre viel Land und Geld nötig gewesen. „Aber hier gibt es 15 Vollerwerbsbetriebe, die alle Kühe haben. Es gab nur die Möglichkeit etwas anders zu machen, eine Nische zu finden“, fügt Erwin Haverkamp hinzu. Auf einer Bauern- und Unternehmerschulung traf das Ehepaar jemanden, der bereits Käse selbst machte. Da war die Sache für die Haverkamps klar: „Wir beschlossen, Schafe zu kaufen und Schafskäse selbst zu machen. Kühe haben wir ja schon immer gemolken, da konnte es ja nicht so schwer sein, Schafe zu melken, nur weil die kleiner sind.“
Lernen zum Geldverdienen
Da gab es nur noch eine Frage: Wie macht man eigentlich Käse? Erst einmal kauften sich die Eheleute ein Buch über das Käsen. Doch es drängte sich der Verdacht auf, dass das nicht ausreichen könnte. Also reisten sie für einen Workshop in die Rhön – Ferien auf dem Bauernhof, sozusagen. Nur mit knallhartem Hintergrund. „Wir waren da die Aussteiger unter den Aussteigern“, sagt Erwin Haverkamp. „Wir waren eben die einzigen ausgebildeten Landwirte. Die anderen hatten alle vorher etwas anderes gemacht und wollten nun zu sich selbst finden und den beruhigenden Prozess der Molkebildung erleben. Wir wollten schlicht etwas lernen, um Geld zu verdienen.“
Und das taten sie. Nachdem sie 1991 die ersten Schafe gekauft hatten, bekamen diese im Frühjahr darauf ihre Lämmer. Erwin Haverkamp baute eilig einen Melkstand, und los ging es mit der Käserei. 40 Kühe, zwölf Ziegen und 70 Schafe geben heute die Milch dafür. Die Schafe gehören zu einer besonderen Rasse, die vom Aussterben bedroht ist: dem ostfriesischen Milchschaf. Es ist für seine rein weiße, lange Wolle und hohe Milchleistung bekannt. Zuchtschafe verkauft das Ehepaar über den Schafzuchtverband in alle Welt.
Auf dem Hurreler Hof sorgen sie gemeinsam mit den Kühen und Ziegen für ein Sortiment von 40 bis 50 verschiedenen Artikeln. Von der Milch über Joghurt und Quark bis zu Frischkäse und Schnittkäse, ja, sogar Pecorino reicht die Auswahl. Auch Exotisches fehlt nicht – wie zum Beispiel Rotweinkäse, Käse mit Pfefferrinde, Hokkaido-Frischkäse und Käse mit Kurkuma, Basilikum, Bockshornklee oder Senfkörnern. „Wir haben eine Winter- und eine Sommerkollektion“, sagt Erwin Haverkamp und erklärt: „Im Winter ist eher Schnittkäse mit Senf oder Koriander angesagt, im Sommer wollen die Kunden frischen Schafs- und Ziegenkäse. Den gibt es im Winter nicht, weil bei den Schafen und Ziegen im August die Melkzeit endet. Aber die Kunden finden gut, wenn es etwas auch mal nicht gibt, das macht es besonders.“
Überhaupt hat sich der Kundenstamm und dessen Einstellung im Laufe der Jahre verändert, haben die Haverkamps beobachtet. Heute ist es – zumindest in einer bestimmten Bevölkerungsgruppe – Trend geworden, lokal, saisonal und am besten naturbelassene Produkte einzukaufen. Die Menschen sind beim Essen experimentierfreudiger geworden. 1991 war das noch nicht so einfach. „Da kannten die Leute Schafskäse allenfalls als Feta. Unsere damaligen Kunden haben unsere Produkte hauptsächlich aus gesundheitlichen Gründen gekauft“, erzählt Haverkamp. Inzwischen hat die Hofkäserei so viele Kunden, dass die Haverkamps fünf Mitarbeiterinnen brauchen, um mit der Produktion hinterher zu kommen. Denn mit ihren zwei Ständen stehen sie auf fünf Wochenmärkten. Und ihre Kunden wissen: Schafskäse ist so viel mehr als Feta.
Wie entsteht der Käse?
Die frische Milch läuft direkt vom Melkstand in die Kessel in der Käserei. Dort wird sie pasteurisiert, also erwärmt. Anschließend wird sie gesäuert und mit Enzymen eingelabt. Dadurch wird sie dick. Erst dann können die Messer in die Kessel gehängt werden, die sich darin im Kreis drehen und die immer dickere Milch schneiden, bis die Molke austritt und eine stückige Masse entsteht. Diese wird noch einmal heiß gewaschen, dann kommt sie in Formen. Nachdem noch einmal die letzte Molke aus den Formen gepresst wurde und die Masse abgekühlt ist, wird der Käse ins Salzbad gelegt. Dann sind Geduld und Fleiß gefragt: Denn nachdem sie mit Wachs bestrichen wurden, müssen die Laiber nun regelmäßig gewendet und abgewischt sowie neu eingestrichen werden. Ansonsten brauchen sie Ruhe zum Reifen. Je nach Größe braucht ein Laib Schnittkäse drei bis sechs Wochen bis zur vollständigen Reife.
Weitere Informationen
Haverkamp's Hofkäserei ist mit den Ständen auf folgenden Wochenmärkten zu finden:
donnerstags von 10 bis 16 Uhr an der Slevogtstraße in Bremen,
freitags von 11 bis 18 Uhr auf dem Rathausplatz in Oldenburg,
freitags von 14 bis 18 Uhr auf dem Bahnhofsvorplatz in Hude,
sonnabends von 7.30 bis 13 Uhr auf dem Rathausplatz in Delmenhorst,
sonnabends von 8 bis 13 Uhr in Hundsmühlen.