Zuzahlungen von jenseits der 2000 Euro monatlich für einen Heimplatz dürften kreisweit bald keine Seltenheit mehr sein. Erhebliche finanzielle Belastungen kommen auf Pflegebedürftige in Heimen zu, weil gleich drei Faktoren den Heimaufenthalt verteuern: steigende Lebensmittelpreise, explodierende Energiekosten und die zum 1. September vorgeschriebene Entlohnung von Pflegepersonal mindestens auf Tarifniveau. Durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) dürfen die Landesverbände der Pflegekassen ab 1. September Versorgungsverträge nur noch mit Pflegeeinrichtungen schließen, die mindestens in Tarifhöhe bezahlen. All das müssen Heimbetreiber in ihren Pflegesatzverhandlungen mit dem Landkreis Oldenburg sowie den Pflegekassen berücksichtigen.
„Das hat schon für die ersten Ohnmachtsanfälle bei den Bewohnern und deren Angehörigen gesorgt“, sagt Jutta Jacobsen, Sprecherin für den Wohnpark an der Hunte in Wildeshausen und den Wohnpark am Fuchsberg in Ganderkesee, wo 115 und 140 Senioren untergebracht sind.
Kosten an Bewohner weiterreichen
Im Augenblick müssten die Bewohner für ein Einzelzimmer mit Bad 2250 Euro im Monat zahlen. Ab 1. September könnten die Kosten auf etwa 2400 bis 2500 Euro ansteigen. „Es ist für uns ganz schlimm, den Leuten in die Augen zu gucken und denen das zu sagen“, sagt Jacobsen. Die Barmer Pflegeversicherung habe bereits angekündigt, dass sie „keinen Cent mehr“ bezahlen werde. Also bleibe den Pflegeheimen keine andere Wahl, die explodierenden Kosten an die Bewohner weiterzureichen. Wer nicht über ausreichend Kapital verfüge, könne Hilfe zur Pflege als Sozialleistung beantragen. Doch auch hier warten bürokratische Hürden: „Wir haben hier Leute, die haben sich noch nie mit dem Thema auseinandergesetzt. Viele sind am Anfang vollkommen überfordert.“
Nicht besser steht es für die 30 Bewohner im Ahlhorner Seniorenhaus Fritz-Höckner. „Ich gehe davon aus, dass viele Leute zum Sozialamt gehen müssen“, sagt Martin Drewes aus der Verwaltung. Auch im ambulanten Pflegedienst wird es Preiserhöhungen für die Kunden geben. Bereits von Dezember auf Januar habe man die Preise um 20 Prozent erhöhen müssen, sagt Michael Jaskulewicz, Geschäftsführer der Ambulante Pflege Landdienste GmbH mit Sitz in Dötlingen. Von August auf September steigen die Preise noch einmal um sieben Prozent.
Als Haupt-Kostentreiber hat Jaskulewicz die gestiegenen Personalkosten ausgemacht. Und weil sich die Kassen nicht mit weiteren Zuschüssen beteiligen würden, bleibe alles am Kunden hängen. Dieser müsse im Endeffekt 50 bis 300 Prozent mehr zahlen als zuvor und würde daher weniger Leistungen in Anspruch nehmen, um Geld zu sparen. „Aus meiner Sicht leidet da ganz klar die Versorgungsqualität“, so Michael Jaskulewicz.
Die Aussichten für Pflegebedürftige in Heimen sind düster: Darauf, dass angesichts stark steigender Eigenanteile bald deutlich mehr Betroffene in die Sozialhilfe abrutschen, bereitet sich schon die Kreisverwaltung vor. „Wir rechnen mit einem Anstieg der Sozialhilfeanträge durch Heimbewohner oder deren Betreuer“, heißt es dazu von Landkreissprecher Oliver Galeotti.
Unterstützung soll vom Bund kommen
Unterstützung könnten die Seniorinnen und Senioren bekommen über ein in Aussicht gestelltes Konzept von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. „Derzeit wird im Bundesgesundheitsministerium mit Hochdruck an unterschiedlichen Vorschlägen zur besseren Finanzierung der Pflege gearbeitet“, hieß es kürzlich von einer Sprecherin.
Darauf setzt auch Jutta Jacobsen: „Wir sind von Haus aus sehr positiv. Wir hoffen, dass Herr Lauterbach da ordentlich Gas gibt.“ Pessimistischer ist Michael Jaskulewicz von den Landdiensten. Auch Martin Drewes aus Ahlhorn zeigt sich eher skeptisch: „Das läuft alles in meinen Augen sehr unprofessionell.“