Der Energieversorger EWE wird zum 1. April die Preise für Strom und Gas erhöhen. Das hat EWE-Vertriebsvorstand Michael Heidkamp am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Oldenburg mitgeteilt. Als einer der Gründe wurde die aktuelle Entwicklung am Strom- und Gasmarkt angeführt. Zudem habe EWE als Grundversorger durch das abrupte Lieferende verschiedener Strom- und Gas-Discounter zuletzt 70.000 neue Kunden hinzu bekommen, für die man zu aktuell sehr viel höheren Preiskonditionen auf dem Markt zusätzliche Kapazitäten einkaufen musste.
Ab April zahlen EWE-Kunden im Basistarif dann für Strom einen Preis von brutto 30,48 Cent pro Kilowattstunde. Der jährliche Grundpreis bleibt unverändert. Für Erdgas beträgt der Bruttopreis pro Kilowattstunde 10,06 Cent. Der Grundpreis bleibt auch hier unverändert. Im Vorjahresvergleich zahlt ein Durchschnittshaushalt mit den ab April dieses Jahres gültigen Preisen im Jahr für Strom 9,5 Prozent und für Gas 41 Prozent mehr. Das Unternehmen weist darauf hin, dass Kunden mit Verträgen über eine bestimmte Laufzeit nicht von diesen Preiserhöhungen betroffen seien. Betroffen davon ist laut EWE-Angaben ein knappes Drittel der gut 900.000 Strom- und gut 500.000 EWE-Gaskunden, das sich in der Grund- und Ersatzversorgung befindet. Sie beziehen den sogenannten EWE-Comfort-Tarif. Die restlichen zwei Drittel der Kunden befänden sich in Laufzeitverträgen mit einer Preisgarantie. Die in diesen Verträgen garantierten Preise werde der Energieversorger einhalten.
Preise bei Bremer SWB bleiben vorerst wie bisher
Der Bremer Energieversorger SWB, eine Tochter der EWE, lässt die Preise dagegen vorerst unangetastet. Sprecherin Angela Dittmer sagte dem WESER-KURIER: "Wir werden den Markt die kommenden Wochen beobachten und vielleicht dann reagieren." Da es bei der SWB erfahrungsgemäß eher die Ausnahme ist, die Tarife mitten im Monat zu ändern, könnte es auf eine Preisänderung zum 1. Mai hinauslaufen.
Wie im vergangenen Dezember angekündigt, hatte die SWB zum 1. Februar die Gaspreise leicht erhöht und die Strompreise leicht gesenkt. Im Basistarif zahlen die Verbraucher derzeit beim Gas für eine Kilowattstunde 7,57 Cent bei einem monatlichen Grundpreis von 8,06 Euro. Für eine Kilowattstunde Strom im Basistarif verlangt die SWB momentan 26,66 Cent bei einem monatlichen Grundpreis von 9,27 Euro. Die Auswahl an verschiedenen Tarifmodellen ist derzeit allerdings eingeschränkt. Als Alternative zum Basispreis gibt es nur einen Tarif für Ökostrom oder Ökogas. Preisvarianten wie SWB Garant für jene Kunden, die pro Jahr mehr als 20.000 Kilowattstunden Gas verbrauchen, werden momentan nicht angeboten.
Die EWE will den Markt weiterhin beobachten und im laufenden Jahr auf die aktuelle Situation reagieren. Oliver Bolay, Geschäftsführer der EWE Vertrieb, sagte: "Normalerweise passen wir die Basistarife vielleicht einmal pro Jahr an." Die Marktsituation könne aber dazu führen, dass dies nun mehrmals im Jahr passiere. Im besten Falle könnten Preise auch gesenkt werden.
"Noch nie in 20 Jahren so eine Situation erlebt"
EWE-Vorstand Heidkamp sagte: "Eine solche Situation habe ich in 20 Jahren Energiewirtschaft noch nie erlebt." Er erläuterte nochmals die Marktentwicklung und die Unterschiede bei der Einkaufsstrategie der EWE gegenüber den Discount-Anbietern. So habe die EWE für das Lieferjahr 2022 mit dem Einkauf der Energie 27 Monate vorher begonnen: "Wir kaufen dann über die Börse in Tages-, Wochen- oder Monatsscheiben ein und sind damit resistent gegen kurzfristige volatile Preisschwankungen." Drei Monate vor Lieferbeginn habe man alle Liefermengen für das prognostizierte Kundenvolumen beschafft. Für 2022 wäre das also Anfang Oktober. Danach kalkuliert das Unternehmen die Preise für den Endkunden. Durch diese Beschaffungsstrategie gehöre die EWE in den Vergleichsportalen eben nicht zu den günstigsten.
Andere Anbieter würden da eine andere Strategie fahren. "Wenn es zwei Tage im Jahr gibt, an denen Strom und Gas besonders günstig ist, setzen diese darauf, genau zu diesen Zeiten möglichst viel Menge einzukaufen, um diesen dann Kunden anbieten zu können, der unter dem allgemeinen Marktniveau liegt", erläutert der EWE-Vorstand weiter. Damit seien die Anbieter auch auf solch günstigen Zeitpunkte angewiesen. Das Ausbleiben dieser Zeitpunkte habe bei steigenden Marktpreisen dazu geführt, dass einige Discount-Anbieter ihren Kunden kündigten. "Man muss sehen, ob das überhaupt rechtmäßig ist, den Kunden aus bestehenden Verträgen zu kündigen", sagt Heidkamp.
Discount-Anbietern fehle die Liquidität
Zur Insolvenz sei es auch gekommen, weil die Discount-Anbieter nicht genügend Liquidität hatten, um Energie nachzukaufen. "Wir haben nun die Auswirkungen dafür zu tragen", beschreibt Heidkamp die Situation, auf einen Schlag 70.000 zusätzliche Strom- und Gaskunden bekommen zu haben. Um rechtlich einwandfrei zu verfahren, führe das eben dazu, die Preise für alle EWE-Kunden im Basistarif erhöhen zu müssen.
Laut Heidkamp haben die EWE und die Konzerntochter SWB die gleiche Beschaffungsstrategie mit dem gleichen zeitlichen Vorlauf. Allerdings verfügt die SWB über eigene Kraftwerke, "deshalb muss man da etwas anders drauf schauen", sagt Heidkamp. "Die Mengen sind aber nicht gekoppelt, weil die SWB rechtliche eine eigene Einheit ist." Außerdem gebe es in einem städtischen Bereich wie dem der SWB andere Verbräuche als im Gebiet der EWE.