Landkreis Osterholz. 14 junge Erwachsene aus dem Landkreis Osterholz haben es geschafft und im zweiten beziehungsweise dritten Anlauf ihren Hauptschulabschluss nachgeholt. Der Kursus der Jugendwerkstatt (Juwe) wurde 2022 zum fünften Mal angeboten und endete in diesem Sommer mit drei schriftlichen und zwei mündlichen Prüfungen im Lernhaus am Campus.
14 der insgesamt 17 Prüflinge erhielten gleich anschließend eine Bestätigung, dass sie bestanden haben, um Bewerbungen schreiben zu können. Aber nach dem gemeinsamen "Après-Prüfungs-Fest" dauerte es noch mal etliche Wochen, bis die Landesschulbehörde die Originaldokumente ausgestellt und an Kursleiter Dominik Schmengler übersandt hatte. Während ein neuer einjähriger Kursus bereits begonnen hat, kam es nun in der Bildungsstätte Bredbeck zur Zeugnisfeier für sechs junge Frauen und acht junge Männer der "#HSA23"-Lerngruppe.
Stellvertretend für alle Teilnehmer – einer mied den großen Bahnhof, eine lebt inzwischen in Süddeutschland – bedankten sich Mohammed Amiri und Sandra Sylueman bei den Begleitern und Betreuern der Volkshochschule, der Juwe und der Bildungsstätte sowie beim Lernhaus, den Eltern und den Mitschülern. Es sei phasenweise sehr anstrengend gewesen, bekannte Amiri und bezog das auf das Lernen und auch auf das Miteinander. "Es gab auch Zickereien und Chaoten", sagte er, aber an die gemeinsame Zeit und das Ergebnis werde man sich noch lange erinnern. Sylueman, die nun von einer Ausbildung zur medizinischen Fachangestellten träumt, bekräftigte, der Erfolg sei auch durch die "Ausdauer und Geduld, Hartnäckigkeit und Strenge" der Pädagogen zustande gekommen.
Für einige der dritte Anlauf
Schmengler und die Vertreter der Kooperationspartner gaben die Komplimente zurück. Das Pensum bis zur staatlichen Abschlussprüfung habe immerhin aus 33 Wochenstunden mit Unterricht und Sozialtrainings bestanden. Projekte, Praktika sowie vier mehrtägige Bredbeck-Seminare zu Persönlichkeitsentwicklung und Lebenswegplanung gehörten ebenso zum Kursprogramm wie die Schulfächer Deutsch, Mathematik, Erdkunde, Geschichte, Politik und Biologie. Die Herkunft der Absolventen sei bunt gemischt: Vier kommen aus Deutschland und fünf aus Syrien, zwei aus dem Irak und je einer aus Afghanistan, Bulgarien und Libyen.
Einige waren in früheren Jahren schon einmal dabei – seinerzeit noch vergebens. So oder so sei es eine Leistung, sich noch einmal zu motivieren, meinte Schmengler. Er verwies auf vielfältige Herausforderungen im privaten Umfeld, die manchen Teilnehmer auch Umwege gehen ließen; dabei hätten mehrere auch das Zeug zu Akademikern. Schmengler unterstrich die individuelle und gesellschaftliche Bedeutung von Angeboten des zweiten Bildungswegs. Der aktuelle Kursus sei mit 20 Teilnehmern ausgebucht, und es gebe weitere Nachfrage.
Zwischen 16 und 26 Jahre alt
Bei der Zeugnisübergabe richtete der Kurs-Koordinator an jeden einzelnen Teilnehmer persönliche Worte der Wertschätzung, mal ermahnend, mal aufmunternd. Der jüngste Absolvent, ein damals 16-jähriger Iraker, war erst wenige Monate vor seiner Anmeldung ohne Deutschkenntnisse in den Landkreis gekommen. Die älteste Teilnehmerin ist 26 und Mutter von zwei Mädchen, heute fünf und sieben Jahre alt. Sie bereitet sich jetzt im Home-Learning auf den Realschulabschluss vor, den sie nächstes Jahr an einem Institut in Hannover machen will. Zwei weitere wollen es ihr an der Erwachsenenschule Bremen gleich tun; drei Abgänger besuchen die Produktionsklasse an den BBS oder streben in anderen Maßnahmen eine Ausbildung an, schilderte Deutschlehrerin Ute Segger-Steinwede: "Einige suchen aber auch noch einen Job."

Gruppenfoto mit den Absolventen und Vertretern der Kooperationspartner.
Gastredner Axel Miesner (CDU) sagte, ihm sei um die Zukunft der Absolventen nicht bange. "Ihr habt euch einen Ruck gegeben, euch stehen die Türen offen", sagte er. Oliver Lottke (SPD) sprach von "leuchtenden Beispielen" und einer "Mammutleistung". Auch der Landkreis sei zu loben, der trotz der Förderpause des Landes durchgehalten habe; aktuell fließen wieder Landesmittel für das Projekt. "Das ist gut investiertes Geld", so Lottke. Sozialdezernentin Heike Schumacher und Florian Lührsen vom Jugendamt des Landkreises zollten ihrerseits den Teilnehmern Respekt. "Es war nicht einfach", urteilte Lührsen und unterstrich die Bedeutung der "drei großen A": Wer anwesend und aufmerksam sei und die Aufgabe erledige, könne die Chance nutzen.
Von Hürden und Lektionen
VHS-Sprecherin Gabriele Heckmann-Haar bekräftigte, die Zeugnisse seien der Beweis, dass die Abgänger die wichtigste Lektion gelernt hätten: "zu verstehen, dass sich lebenslanges Lernen lohnt". Bredbeck-Pädagoge Alexander Starostin erklärte, wer heute berufstätig sei, vergesse nur zu leicht, wie aufregend und beängstigend die Phase des Übergangs mit ihren Weg-Kreuzungen, Biegungen und Gabelungen sei. "Dazu dann fremde Sprache, komplexe Strukturen und andere Sitten: Allein kommt man da kaum aus den Ohnmachtsgefühlen heraus." Umso wichtiger sei es, einander zu helfen und zu motivieren, denn der Kursus sei "kein Spaziergang, sondern ein Marathon" gewesen, der Ausdauer erfordere. "Habt keine Angst vor dem Neuanfang", sagte Starostin. "Der erste, schwierigste Schritt ist geschafft."