Landkreis Osterholz. Seit zweieinhalb Jahren leitet Ute Westrup das Bauordnungsamt im Osterholzer Kreishaus. Mehrmals hat sie sich seither gewundert, weshalb eigentlich nicht mehr Bauzeichner und Architekten von den Servicegarantien des Landkreises Gebrauch machen. Befriedigend erklären kann sich Westrup die Sache bis heute nicht.
Die Verwaltung verspricht den Bauherren und ihren Planern, dass über die Genehmigung neuer Einfamilienhäuser (mit Garagen und Nebenanlagen) innerhalb von 30 Tagen entschieden wird, sofern sich die Projekte in B-Plan-Gebieten oder zusammenhängend bebauten Ortsteilen befinden. Bei Neubau oder Nutzungsänderung von gewerblich genutzten Immobilien will der Kreis binnen 50 Tagen den Bescheid ausstellen. Einzige Voraussetzung: Die Antragsunterlagen müssen vollständig sein; dann läuft die Garantiefrist.
Seit einiger Zeit aber ist Westrup zufolge nur jeder vierte oder fünfte Genehmigungsantrag auf Anhieb komplett, der eigentlich von dem Serviceversprechen profitieren könnte. Eine so niedrige Quote sei unverständlich: 26 Prozent seien es im Vorjahr bei den Einfamilienhäusern gewesen, 19 Prozent bei den Gewerbeimmobilien. „Wir müssen oft mindestens einmal nachfragen, manchmal auch mehrfach“, so die Amtsleiterin jetzt im Bauausschuss des Kreistags. Über die Folgen schreibt sie in der Sitzungsvorlage: „Aufgrund fehlender Mitwirkung seitens der Entwurfsverfasser beziehungsweise der Bauherren konnten 31 Bauanträge (2017: 34 Bauanträge) nicht von der Servicegarantie profitieren.“
Die Rekordwerte bei Einführung der Garantien 2008/09 von jeweils rund 50 Prozent seien seither nie wieder erreicht worden. Das sei umso verwunderlicher, als vielfach erfahrene Profis die Antragsunterlagen anfertigen. Westrups Verdacht: „Eventuell steckt Absicht dahinter.“ Soll heißen: Die Zeichner wissen es womöglich besser, sind aber überlastet und suggerieren damit den Häuslebauern, es sei der böse Landkreis, der ein Projekt mit Nachforderungen verzögere. Laut Statistik waren nach der ersten Nachforderung 82 Prozent der Wohnhaus-Anträge und 60 Prozent der gewerblichen Anträge vollständig.
Behörde drückt aufs Tempo
Dabei sei die Behörde besser als ihr Ruf. Die zugesagten 30- und die 50-Tage-Fristen habe die Kreisverwaltung in sämtlichen Fällen eingehalten, die unter die Servicegarantie fielen. Das seien 102 Wohnhaus-Bauvorhaben und 20 Gewerbebauten gewesen. Oft war das Bauamt laut eigener Statistik sogar bedeutend schneller. In 57 Prozent der Fälle (Gewerbe: 29 Prozent) ging der Bescheid innerhalb von zehn Tagen raus. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit sinkt seit zwei Jahren; sie lag zuletzt bei 13 Tagen (Gewerbe: 28 Tagen). Mehr als 20 Tage waren nur in 17 Prozent der Fälle (Gewerbe: 45 Prozent) nötig. Westrup: „Der Arbeitsstau ist inzwischen abgebaut.“
Für die Verwaltung handelt es sich bei dem Tempo, das da angeschlagen wird, auch um einen Standortfaktor: Man wolle Gewerbetreibenden damit ein weiteres Argument liefern, sich innerhalb er Kreisgrenzen anzusiedeln oder zu vergrößern. Der Landkreis werde die hohe Zahl der unvollständig eingegangenen Bauanträge im Blick behalten, lässt die Kreisbaudirektorin wissen. Westrup ist selbst gelernte Architektin und Bauingenieurin und betont, an veränderte Rechtsgrundlagen könne es nicht liegen: „Die Bestimmungen des Baugesetzbuchs sind konstant.“
Vertrackter sind die Verfahren bei landwirtschaftlichen Bauvorhaben – und entsprechend länger sind auch die Bearbeitungszeiten. Durch die neue Düngeverordnung und die Beteiligung der Landwirtschaftskammer seien viele Unterlagen vorzulegen, sodass sich „recht hohe Laufzeiten“ ergeben hätten, wie Westrup einräumte. Die Netto-Bearbeitungszeit lag laut Bauamts-Statistik im Jahr 2016 bei 86 Tagen, im Jahr 2017 dann bei 210 Tagen und im vergangenen Jahr bei 134 Tagen.
Einen wichtigen Service-Baustein bildet unterdessen seit rund zehn Jahren das internetbasierte Auskunftssystem „Bauakte online“. Es werde trotz eines Rückgangs der Nutzerzahlen weiter stark genutzt, teilte Westrup den Abgeordneten mit. Bauherren und ihre Planer können sich nach vorheriger Registrierung unter http://bau-online.landkreis-osterholz.de/BauPortal/index.php über den jeweiligen Bearbeitungsstand ihrer Vorhaben informieren – auch darüber, ob sie noch Unterlagen nachreichen müssen. Im vergangenen Jahr griffen 659 verschiedene Nutzer auf das Angebot zu, allmonatlich wurden im Schnitt 986 Logins gezählt, mit denen im gesamten Jahr 21 654 Einzelseiten abgerufen wurden.Der Linken-Abgeordnete Reinhard Seekamp ließ sich auf Anfrage bestätigen, dass eine sogenannte Bauvoranfrage das Genehmigungsverfahren beschleunigen könne. Genau beziffern könne die Verwaltung den Tempovorteil nicht, so Westrup. Es spare natürlich ein wenig Zeit, wenn die Verwaltung für ein Vorhaben die grundsätzliche Konformität mit dem Planungsrecht bereits geprüft habe.
Grenzen werden ausgetestet
Wilfried Pallasch (Bürgerfraktion) erkundigte sich nach Baumöglichkeiten in Gebieten ohne eigenen B-Plan. Dort habe die Genehmigungsbehörde einen Ermessensspielraum, der seines Erachtens bisweilen zu eng ausgelegt werde. Ute Westrup widersprach: Größe und Höhe sowie Lage und Anordnung des Baukörpers sollten zwar dem örtlichen Erscheinungsbild folgen. Maßgeblich sei, ob sich ein Neubau in die unmittelbar angrenzende Häuserzeile einfüge, nicht mehr und nicht weniger.
Baudezernent Dominik Vinbruck ergänzte, außerhalb von B-Plan-Gebieten würden die Grenzen nach seinen Beobachtungen mithilfe der Rechtsprechung „immer mehr ausgetestet“. Das habe wohl mit dem Interesse von Investoren zu tun, „Fläche zu maximieren“. Dabei spiele für die Genehmigungsbehörde im Kreishaus auch das gemeindliche Einvernehmen eine wichtige Rolle. Der Landkreis werde seinerseits in den von Pallasch angesprochenen Fällen weiter darauf achten, „ob ein Vorhaben eine Entwicklung markiert oder ob es einen Sprung auslöst“.