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Filialleiterin einer Bäckerei berichtet „Die Hand aufhalten geht nicht mehr“

Corona hat alles verändert: Bäckerei-Filialleiterin Susanne Hanuschek gewährt Einblicke in ihren Arbeitsalltag.
25.03.2020, 19:20 Uhr
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Von Michael Schön

Frau Hanuschek, Backwaren-Verkauf unter Corona-Bedingungen – was ist die gravierendste Veränderung in ihrem Arbeitsalltag?

Susanne Hanuschek: Da sind ganz viele Veränderungen. Den Handschuh für die Backwaren hatten wir schon – jetzt haben wir noch einen extra fürs Geld. Das Café ist geschlossen, was vor allem ältere Menschen als schlimm empfunden haben. Es dürfen jetzt auch keine Dritten – der Hausmeister oder der Fahrer – mehr hinter den Tresen. Dem Techniker, der unsere Kaffeemaschine reparieren sollte, haben wir deshalb auch schon abgesagt.

Weniger Kunden, mehr Stress – lässt es sich auf diese simple Formel bringen?

Weniger Kunden eigentlich nicht. Eher im Gegenteil. Viele Kunden haben mehr Brote gekauft, um sie nämlich einzufrieren. Erst heute war es etwas ruhiger.

Was ist die größte oder lästigste Erschwernis?

Dass ich nicht weiß, was ich an Ware bestellen soll, viel oder wenig. Und dass sich manchmal die Aufforderung nicht vermeiden lässt, einen Schritt zurückzutreten. Früher habe ich nur verkauft, heute muss ich dazu noch viel organisieren und dirigieren. Letzte Woche habe ich den Dienstplan dreimal geändert, denn wir haben auch Mütter mit Kindern, die sich an den wechselnden Arbeitszeiten ihrer Männer ausrichten müssen.

Was tun die Mitarbeiterinnen über die bekannten Hygiene-Empfehlungen hinaus, um sich zu schützen?

Wir haben ja einen langen Tresen mit viel Platz dahinter und bleiben immer so weit weg, wie es geht. Wer an der Reihe ist, wird herbeigewunken. Wir haben Schilder aufgestellt, mit der Bitte, möglichst mit der EC-Karte zu bezahlen und bei Barzahlung das Geld auf den Teller zu legen, sodass erst gar kein unmittelbar Kontakt zustande kommt. Hand aufhalten geht nicht mehr. Und natürlich Hände waschen, Hände waschen, Hände waschen. Meine Hände sind schon blau und lila. Der Vorrat an Desinfektionsmitteln wird aber reichen. Am Sonntag haben wir trotz der Kälte dafür gesorgt, dass die Tür offen bleibt, damit die Türklinke nicht berührt werden muss. Wir haben alle ganz schön gefroren.

Und wie steht es mit dem Abstand zu den Kolleginnen?

Der ist leider nicht immer einzuhalten. Man kommt sich schon mal in die Quere.

Aber davon einmal abgesehen – im Großen und Ganzen funktioniert es mit dem Social Distancing?

Ja, aber erst seit der Ansprache von Frau Merkel. Wir hatten vorher schon Hinweis- und Warnschilder sowie Markierungen auf den Boden angebracht, denen aber nicht jeder Beachtung geschenkt hat. Einmal mussten wir morgens sogar Bierflaschen wegräumen, weil am Eingang eine Corona-Party gefeiert worden war.

Arbeiten Sie noch in voller Besetzung?

Nachmittags statt mit zwei Mitarbeiterinnen nur noch mit einer.

Wenn das gesellschaftliche Leben heruntergefahren ist, wird wahrscheinlich weniger Kuchen geordert.

Das hatte ich auch erwartet. Ist aber nicht der Fall. Möglicherweise ist jetzt mehr Zeit zum Kaffeetrinken.

Die Kunden fassen sich kurz, geben ihre Bestellung ab und sind ansonsten eher zugeknöpft?

Das stimmt, viele sind froh, wenn sie schnell wieder raus sind.

Wenn Sie Fragen beantworten sollen, was sind das für welche?

Fragen eher nicht, aber es bedanken sich viele Menschen: „Schön, dass Ihr da seid!“ Sicher gibt es auch welche, die meckern, über Verzögerungen, die natürlich unvermeidlich sind, wenn eine Kollegin die andere ablöst. Dann müssen Kasse, Tresen, Maschinen, Heber und Zange desinfiziert werden, und das gebrauchte Besteck muss in den Geschirrspüler. Und die Ablösung muss warten, bis das alles erledigt ist.

Fühlen Sie sich damit sicher?

Wir sind geschützt, aber Angst vor einer Ansteckung haben wir trotzdem, auch die jüngeren Mitarbeiterinnen. Doch wir gehen trotzdem raus. Der Informationsfluss geht über Whatsapp ratzfatz. Jetzt kommunizieren wir stündlich mit den Chefs. Jeder steuert einen Einfall, einen Verbesserungsvorschlag bei. So eine Krise schweißt halt auch zusammen.

Das Interview führte Michael Schön.

Zur Person

Zur Person

Susanne Hanuschek (52)

ist seit 2015 Filialleiterin in der Behrens-Bäckerei des Osterholz-Scharmbecker Rewe-Supermarkts in der Ritterhuder Straße.

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