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Lockerungen in der Gastronomie „Viele kommen an ihre Grenzen“

Ab dem 11. Mai dürfen Restaurants und Cafés in Niedersachsen unter Auflagen wieder öffnen. Was das für die Gastronomen im Landkreis Osterholz bedeutet, weiß der Dehoga-Vorsitzende Carsten Rohdenburg.
09.05.2020, 09:55 Uhr
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„Viele kommen an ihre Grenzen“
Von Silke Looden

Herr Rohdenburg, Sie haben nicht nur ein Hotel-Restaurant in Lilienthal. Sie sind auch Vorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) für den Landkreis Osterholz. Ihre Branche ist von der Corona-Krise besonders betroffen. Wie haben Sie die Wochen der Schließung erlebt?

Carsten Rohdenburg: Geschäftlich war es natürlich ruhig, politisch war es ein Auf und Ab.

Sind die von der Politik versprochenen Hilfen denn angekommen?

Die Niedersachsenhilfe ist angekommen, das Kurzarbeitergeld auch. Auf die Bundeshilfe warte ich noch. Da muss man Geduld haben bei so vielen Anträgen. Andererseits brauchen die Gastronomen das Geld jetzt, um zu überleben.

Was haben Sie während des Shutdowns gemacht?

Wir haben die Zeit für Reparaturarbeiten genutzt. Außerdem sind noch Geschäftsreisende und Monteure hier. Dadurch hatten wir noch ein wenig zu tun. Vor allem aber mussten wir Stornierungen annehmen.

Als Kreisvorsitzender der Dehoga haben Sie sicher viele Anfragen von anderen Betrieben bekommen, oder?

Wir haben über 300 gastronomische Betriebe im Landkreis Osterholz. Die Dehoga-Mitglieder sind gut über die Internetseiten des Dehoga-Landesverbandes informiert. Aber ich gebe auch gern Informationen an Nichtmitglieder weiter.

Wie fühlt es sich an, wenn der Laden wochenlang leer ist?

Die erste Woche war ein Schock. In der zweiten Woche haben wir uns etwas beruhigt. In der dritten Woche haben die Gastwirte und Hoteliers es noch entspannt als Urlaub gesehen. In der vierten Woche aber fingen sie an zu fragen, wann es endlich wieder losgeht. Viele kommen inzwischen an ihre Grenzen und haben Probleme mit der Liquidität. Auch wenn Mieten gestundet werden – die Verpflichtungen müssen ja irgendwann bezahlt werden.

Montag soll es langsam wieder losgehen. Wie bereiten Sie sich darauf vor?

Wir versuchen die Vorgaben so gut wie möglich umzusetzen. Auf dem Gang zur Toilette aber kann ich den Flur nicht breiter machen. Da setze ich darauf, dass die Gäste von sich aus Abstand halten.

Sie haben die Tische schon auseinandergerückt. Was hat sich noch geändert?

Für Hotelgäste haben wir an der Rezeption einen Spuckschutz installiert, und wir haben Fußbodenmarkierungen angebracht. Die Gäste werden so durch das Haus geführt, ins Hotel oder an die Tische. Wir haben Desinfektionsspender aufgestellt und eine kleine Speisekarte erstellt. Am Samstag werden wir unsere Mitarbeiter über die Abläufe informieren. So werden wir etwa mit einem Serviertisch arbeiten, um den Kontakt so gering wie möglich zu halten.

Müssen die Mitarbeiter einen Mundschutz bei der Arbeit tragen?

Wenn sie den Mindestabstand von 1,5 Metern nicht einhalten können, dann ja. Ansonsten ist es keine Verpflichtung. Mitarbeiter können selbst entscheiden, ob sie den Mundschutz tragen oder lieber mit einer Glosche arbeiten, mit der wir die Speisen beim Transport von der Küche zum Gast abdecken. Eine Servicekraft läuft allerdings ein paar Kilometer an einem Abend. Da ist das Tragen einer Maske nicht angenehm. Noch schlimmer ist es für den Koch, der bei 30 bis 40 Grad hinter dem Herd steht. In der Küche werden wir deshalb mit Visieren arbeiten. Wir sind da aber nicht alleine in der Verantwortung, auch der Gast muss Verantwortung übernehmen.

Wie sollen sich Gäste denn verhalten?

Wir brauchen niemanden, der mit dem Zollstock kommt und den Abstand der Tische nachmisst. Es geht darum, Abstand zu halten. Deshalb werden wir auch die Gäste bitten, ihre Garderobe mit an den Tisch zu nehmen. Eine Begrüßung mit Händeschütteln oder einer herzlichen Umarmung wird nicht möglich sein.

Halten Sie die Auflagen für angemessen?

Es ist wichtig, dass wir überhaupt öffnen dürfen. Die Auflagen ändern sich auch ständig. Erst durften nur zwei Personen an einem Tisch sitzen, jetzt vier Personen aus zwei Haushalten. Auch zwei Hotelgäste aus einer Firma dürfen an einem Tisch sitzen. Die Maßnahmen sind Mindestmaßnahmen und relativ spät gekommen. Die Gastronomie wurde in den ersten Wochen des Lockdowns gar nicht gesehen. Es wurde nur über Schulen und Kindergärten gesprochen. Dabei haben wir gute Voraussetzungen in der Gastronomie, schon aufgrund der bestehenden Hygieneverordnung. Unsere Mitarbeiter kennen die Thematik mit dem Händewaschen. Das ist für uns also nicht neu.

Was sagen Sie zum Fünf-Phasen-Plan des Landes Niedersachsen?

Wir sehen Licht am Ende des Tunnels. So können wir uns sukzessive vorbereiten, mit allen Risiken, die dazu gehören. Schließlich kann es auch von heute auf morgen heißen, dass wir wieder zumachen müssen. Die Unterschiede in den einzelnen Branchentypen sind allerdings groß. So müssen die Kneipen mit der Wiedereröffnung noch länger warten.

Wie sieht es denn aus mit Versammlungen und Feiern in der Gastronomie?

Da müssen wir auch immer wieder beim Landesverband nachfragen.

Zumal die Regelungen in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich sind...

Das ist dem Föderalismus geschuldet. Das ist auf der einen Seite gut, auf der anderen schlecht. Aber wenn ich es genauer betrachte, ist es gut, dass regional je nach dem Infektionsgeschehen entschieden wird, in den Landkreisen. Grundsätzlich gibt es mehr Probleme in den Städten als auf dem Lande.

Wie sehen die Betriebe im Landkreis Osterholz die Lockerungen?

Die Betriebe sind froh. Ich habe heute noch mit Kollegen telefoniert, die genauere Informationen wollten. Wo wir als Dehoga helfen können, tun wir das. Allerdings geht der Dehoga-Bundesverband davon aus, dass ein Drittel der Betriebe die Krise nicht überleben wird. Wie das im Landkreis Osterholz aussieht, kann ich noch nicht sagen. Allein im Weser-Elbe-Dreieck werden – Stand jetzt – 16 Betriebe aufgeben, die keine Zukunft in der Gastronomie sehen.

Sie können vorerst deutlich weniger Gäste bewirten...

Ja, ich habe 154 Plätze, davon könnte ich ab Montag 77 nutzen. Ich stelle aber vorerst nur 30 zur Verfügung. Das ist ein Anfang. Ich gehe von einer langen Durststrecke von zwei, drei Jahren aus, bis es wieder einigermaßen normal läuft.

Die Bundesregierung stellt eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Speisen von 19 auf sieben Prozent für ein Jahr bis Ende 2021 in Aussicht.

Das wird nicht reichen. Das Programm muss eigentlich weiterlaufen. Mindestens zehn Jahre.

Jetzt geht es erst einmal um den Re-Start. Was müssen die Gäste noch bedenken?

Es sind Reservierungen erforderlich. Das ist verpflichtend. Mal eben vorbeischauen geht nicht.

Sie müssen die Kontaktdaten erfassen.

Ja, von daher bitten wir um Verständnis.

Was sagen Sie denen, die sich noch nicht trauen, wieder in ein Restaurant oder ein Café zu gehen?

Ich finde, wir sollten den Mut haben, auch wieder am Leben teilzunehmen. Die Gastronomie tut alles dafür, dass die Gäste sich sicher fühlen können.

Das Interview führte Silke Looden.

Zur Person

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Carsten Rohdenburg

betreibt das Hotel und Restaurant Rohdenburg in Lilienthal. Der Gastronom ist Vorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) für den Landkreis Osterholz.

Info

Zur Sache

Gastro-Plan für Niedersachsen

Nach dem Drei-Stufen-Plan der Landesregierung darf die Gastronomie in Niedersachsen ab dem 11. Mai schrittweise unter Auflagen öffnen. Die Öffnung ist zunächst beschränkt auf Restaurants, Gaststätten, Cafés und Biergärten. Diese dürfen nur zu 50 Prozent ausgelastet sein, um die Abstandsregel von 1,5 Metern einhalten zu können. Wo dies nicht möglich ist, muss ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden. Es gilt eine Reservierungspflicht. Kunden müssen ihre Kontaktdaten hinterlassen, damit etwaige Infektionswege nachverfolgt werden können. Eine Selbstbedienung etwa am Buffet ist aus hygienischen Gründen untersagt. Bars, Kneipen und Diskotheken bleiben hingegen bis auf weiteres geschlossen.

Ab dem 25. Mai sollen auch Hotels, Pensionen und Jugendherbergen wieder öffnen dürfen. Auch für sie gilt eine maximale Auslastung von 50 Prozent, zudem eine Wiederbelegungssperre von sieben Tagen. Wellness-Bereiche bleiben aus hygienischen Gründen geschlossen. Alle Maßnahmen gelten ausdrücklich vorbehaltlich des Infektionsgeschehens und können regional von den Landkreisen angepasst werden.

Ab dem 25. Mai sind weitere Lockerungen für die Branche geplant. Details werden am 8. Mai zwischen Land und Branchenvertretern wie dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband für die Arbeitgeber sowie der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten für die Arbeitnehmer verhandelt.

Um die Branche zu entlasten, plant die Bundesregierung eine befristete Senkung der Mehrwertsteuer auf Speisen (nicht auf Getränke) von 19 auf sieben Prozent für ein Jahr bis Ende Juni 2021.

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